21.11.2024
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Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Urteil23.04.2012

Arbeitskollegen drohen mit Eigenkündigung: Kündigung eines unbeliebten Mitarbeiters unwirksamGerichtliche Auflösung des Arbeits­ver­trages gegen Zahlung einer Abfindung bei Konflikten möglich

Bevor ein Arbeitgeber auf Druck von Arbeitskollegen eventuell kündigen darf, muss er konkrete Maßnahmen ergriffen haben, die Drucksituation zu beseitigen. Ein Arbeits­ver­hältnis kann aber gerichtlich gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst werden, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber bei einer Behörde anzeigt, ohne vorher mit ihm eine Klärung versucht zu haben. Dies entschied das Landes­a­r­beits­gericht Schleswig-Holstein.

Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls war als Vertrie­bs­in­genieur bei der Beklagten tätig. Nach einem Freizeitunfall war er in 2009 mehrere Monate arbeitsunfähig krank. Nach seiner Gesundung befand er sich – neben anderen Kollegen – seit November 2009 in Kurzarbeit Null. Die Arbeitgeberin versuchte, den Kläger zum Abschluss eines Aufhe­bungs­ver­trages zu bewegen und bot ihm eine Abfindung an. Eine Einigung erfolgte nicht. Im Februar 2011 kündigte die Arbeitgeberin mit der Begründung, zwei eng mit dem Kläger zusam­me­n­a­r­beitende Arbeitskollegen aus dem Vertrieb, die für hohen Umsatz sorgten, hätten gedroht, bei einer Weiter­be­schäf­tigung des Klägers selbst zu kündigen. Die Arbeitgeberin kündigte daraufhin das Arbeits­ver­hältnis im März 2011 fristgemäß.

Arbeitgeber muss versuchen, Drucksituation in den Griff zu bekommen

Das Arbeitsgericht gab der Kündi­gungs­schutzklage statt. Die Berufung der Arbeitgeberin hatte insoweit keinen Erfolg. Berufe sich ein Arbeitgeber im Fall einer Kündigung auf eine Drucksituation, so müsse er darlegen, welche konkreten Maßnahmen er ergriffen habe, um die Drucksituation in den Griff zu bekommen. Der Hinweis auf allgemeine Gespräche reiche nicht aus.

Arbeitgeberin bietet Auflösung des Arbeits­ver­hält­nisses gegen Zahlung einer Abfindung an

Die Arbeitgeberin hat dann aber vor dem Landes­a­r­beits­gericht einen Antrag gestellt, das Arbeits­ver­hältnis gegen den Willen des Klägers durch das Gericht gegen Zahlung einer geringen Abfindung aufzulösen, weil eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit nicht mehr erwartet werden könne. Der Kläger hatte nämlich bereits im Zusammenhang mit der Anordnung von Kurzarbeit im November 2009 gegenüber der Bundesagentur für Arbeit geäußert, er werde durch die Arbeitgeberin mit Kurzarbeit bestraft, weil er keiner Trennung zugestimmt habe. So gehe sie immer vor. Die Arbeitgeberin nutze nur die Kurza­r­beits­leis­tungen als Zusatzgeschäft. Während des Kündi­gungs­schutz­ver­fahrens schrieb er nochmals an diese Behörde, die Arbeitgeberin missbrauche gezielt die Kurza­r­beits­leis­tungen. Daraufhin erstattete die Agentur für Arbeit eine Strafanzeige gegen die Arbeitgeberin. Dieses führte zu einem staats­an­walt­schaft­lichen Ermitt­lungs­ver­fahren gegen sie mit hier unbekanntem Ausgang.

LAG stimmt Auflö­sungs­vertrag wegen unüber­brü­ckbarer Differenzen zu

Das Landes­a­r­beits­gericht gab dem Auflö­sungs­antrag statt. Der Kläger habe zunächst eine Klärung mit der Beklagten im Betrieb versuchen müssen. Eine gedeihliche weitere Zusammenarbeit sei hier aber nicht zu erwarten, wenn der Arbeitnehmer sofort eine Anzeige erstatte. Es sei nicht notwendig, dass die Strafanzeige an die Staats­an­walt­schaft gerichtet sei. Vielmehr reiche es aus, wenn die Anzeige zu Ermittlungen gegen den Arbeitgeber führe.

Quelle: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein/ra-online

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