23.11.2024
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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil18.03.2009

Fristlose Kündigung bei Arbeits­zeit­betrugRechtmäßige Kündigung nach 30 Jahren Betrie­bs­zu­ge­hö­rigkeit

Wer falsche Angaben über seine Arbeitszeit macht, kann von seinem Chef fristlos gekündigt werden. Dies geht aus einem Urteil des Landes­a­r­beits­ge­richts Rheinland-Pfalz hervor.

Im zugrunde Fall arbeitete eine 52jährige Frau (spätere Klägerin) als Werkstatt­schreiberin. Zu ihren Arbeitsaufgaben gehörte es, als Zeitbeauftragte die mitar­bei­ter­be­zogene Zeitwirtschaft im SAP-System der Beklagten zu bearbeiten. Dabei hatte sie Zugriffsrechte auf Zeitkonten von insgesamt etwa 250 Mitarbeitern - darunter auch auf ihr eigenes Zeitkonto -, deren Zeitdaten bei fehlenden Stempelungen manuell nachgepflegt werden oder bei besonderem Anlass geändert oder ergänzt werden mussten. Im Zeitraum von Januar 2007 bis Juli 2008 änderte die Frau in 82 Fällen rückwirkend zu ihren Gunsten durch manuelle Eingaben in das Zeiter­fas­sungs­system ihre eigenen Arbeitszeiten. Dabei änderte sich nicht nur Arbeitsbeginn und -ende an Anwesen­heitstagen, sondern täuschte auch an vier Arbeitstagen (an den sogenannten Gleitzeittagen vom 24.07.2007, 18.04.2008, 23.05.2008 und 05.06.2008) durch Eintragen von Arbeitsbeginn und -ende eine Anwesenheit und damit nicht existente Arbeitszeiten vor. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin außerordentlich (fristlos) und hilfsweise ordentlich das Arbeits­ver­hältnis. Hiergegen klagte sie.

Fristlose Kündigung ist rechtmäßig

Das Landes­a­r­beits­gericht Rheinland-Pfalz entschied, dass die fristlose Kündigung rechtmäßig sei, da ein wichtiger Kündigungsgrund vorgelegen habe.

Richter: Manipulationen hat die Klägerin selbst vorgenommen

Es half der Frau auch nicht, dass sie die Taten abstritt und vorbrachte, Dritte hätten die Daten geändert. Auch wenn dies theoretisch möglich sein könnte, führte das Gerichts aus, entlaste dies nicht die Frau. Es wäre nicht erklärbar, aus welchem Grund ein Dritter von außen zu Gunsten der Klägerin, also in deren alleinigem Interesse, Anlass hatte, deren Zeitdaten zu verändern. Ein dahingehendes Interesse sei ausschließlich bei der Klägerin feststellbar. Es sei daher, selbst wenn die theoretische Möglichkeit eines Eingriffs eines Dritten von außen bestehe, in hohem Maße unwahr­scheinlich, dass ein Dritter diese Manipulationen tatsächlich durchgeführt habe.

Interessenabwägung

Im Rahmen der durch­zu­füh­renden Inter­es­se­n­ab­wägung überwiege das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses das Interesse der Klägerin an dessen Fortsetzung zumindest bis zum Ablauf der siebenmonatigen Kündigungsfrist. Zu Gunsten des Forts­et­zungs­in­teresses der Klägerin sei zu berücksichtigen, dass diese als 52jährige Frau es nach Verlust des Arbeitsplatzes schwer haben wird, wieder Arbeit zu finden. Des Weiteren sei zu beachten, dass sie bereits seit dem 08.08.1975 mithin über 30 Jahre bei der Beklagten beschäftigt sei und es bis auf den streit­ge­gen­ständ­lichen Kündigungsgrund nicht zu Beanstandungen der Beklagten gekommen sei. Demgegenüber sei das Beendi­gungs­in­teresse der Beklagten durch folgendes gekennzeichnet: Es bestehe der dringende Verdacht der Arbeits­zeit­ma­ni­pu­lation in 88 Fällen während der letzten zwei Jahre. Dabei seien nicht nur Arbeitsbeginn und Arbeitsende durch manuelle Eingabe rückwirkend in dem Zeiter­fas­sungs­system verschoben worden, sondern es kam auch dazu, dass für vier Tage, während deren die Klägerin überhaupt nicht gearbeitet hatte, nachträglich Arbeitszeiten eingetragen worden seien.

Vertrauen zerstört

Entscheidend dafür, dass der Beklagten eine weitere Zusammenarbeit, und sei es auch nur für die Dauer der siebenmonatigen Kündigungsfrist, nicht mehr zugemutet werden konnte, sei aber, dass deren Vertrauen in die Integrität der Klägerin zerstört ist. Von diesem Vertrauen war das Arbeits­ver­hältnis in besonderem Maße abhängig, da die Klägerin als Zeitsach­be­a­r­beiterin eingesetzt war und diese Aufgabe nur im Falle eines genauen und korrekten Arbeits­ver­haltens erledigt werden könne. Unabhängig hiervon sei aber durch die aufgetretenen Unregel­mä­ßig­keiten das Vertrau­ens­ver­hältnis zwischen den Arbeits­ver­trags­parteien generell so gestört worden, dass die Klägerin auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz weiter beschäftigt werden konnte. Dies sei der Beklagten, angesichts der hohen Anzahl von Arbeits­zeit­ma­ni­pu­la­tionen während eines relativ kurzen Zeitraumes nicht zumutbar.

Quelle: ra-online (pt)

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