21.11.2024
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Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 12903

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Urteil18.08.2011Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz2 Sa 232/11
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NZA-RR 2012, 16Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Rechtsprechungsreport (NZA-RR), Jahrgang: 2012, Seite: 16
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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil18.08.2011

Beleidigung des Arbeitgebers als "Wichser" rechtfertigt keine außer­or­dentliche KündigungVorheriger Abmahnung erforderlich

Die Beleidigung eines Vorgesetzten stellt grundsätzlich einen wichtigen Grund dar, nach dem eine außer­or­dentliche Kündigung gerechtfertigt sein kann. Jedoch muss zuvor unter Einhaltung des Verhält­nis­mä­ßig­keits­grund­satzes die schwere des Einzelfalles abgewogen werden. Dies geht aus einer Entscheidung des Landes­a­r­beits­ge­richts Mainz hervor.

Ein als Lagerist angestellter gelernter Einzel­han­dels­kaufmann erhielt die fristlose Kündigung, nachdem er seinen Vorgesetzten, den Marktleiter des Einzel­han­dels­un­ter­nehmens, während eines Gesprächs als "Wichser" bezeichnet hatte. Der Äußerung vorausgegangen war eine Auseinandersetzung über eine Krankmeldung, in dessen Verlauf der Vorgesetzte das Vorgehen des Lageristen bei der Einreichung seiner Krankmeldung kritisiert hatte. Als Reaktion auf die Beleidigung sprach das Unternehmen dem Angestellten schließlich die fristlose Kündigung aus. Hiergegen klagte der Mann.

Beleidigung erfolgte, da Kläger Kritik des Vorgesetzten als Drohung empfand

Der Kläger führte aus, er habe nach einem erfolgtem Arztbesuch das persönlich Gespräch mit seinem Vorgesetzten gesucht, wurde von diesem jedoch ignoriert. Daraufhin habe er ihm mitgeteilt, die Krankmeldung in dessen Büro zu legen. Als er anschließend den Markt verlassen wollte, ließ ihn der Marktleiter ausrufen, woraufhin sich der Kläger von einem nahe gelegenen Telefonapparat meldete. Im folgenden Gespräch riet ihm der Vorgesetzte, er solle sich "noch mal vom Betriebsrat über die korrekte Vorgehensweise bei einer Krankschreibung beraten und helfen lassen". Diese Äußerung habe der Lagerist als Kündi­gung­s­an­drohung aufgefasst und aus diesem Grund die beleidigende Äußerung getätigt.

Abmahnung wäre außer­or­dent­licher Kündigung vorzuziehen gewesen

Das Landes­a­r­beits­gericht in Mainz stellte fest, dass das Arbeits­ver­hältnis aufgrund der erfolgten außer­or­dent­lichen Kündigung nicht beendet worden ist. Die gegenüber dem Marktleiter geäußerte Beleidigung stelle zwar einen an sich geeigneten "wichtigen Grund" im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB dar, der eine außer­or­dentliche Kündigung rechtfertigen könnte. Das Gericht räumte auch ein, die Bezeichnung als "Wichser" stelle eine grobe Beleidigung und erhebliche Ehrverletzung des Vorgesetzten dar. Die außer­or­dentliche Kündigung sei jedoch aufgrund des Verhält­nis­mä­ßig­keits­grund­satzes ungerecht­fertigt. Grundsätzlich setze die Kündigung wegen einer Vertrags­pflicht­ver­letzung eine Abmahnung voraus, da sie nach neuerer Rechtsprechung als milderes Mittel zur Wider­her­stellung des für die Fortsetzung des Vertrages notwendigen Vertrauens in die Redlichkeit des Arbeitnehmers ausreiche. Im vorliegenden Fall wäre eine Abmahnung ausreichend und angemessen gewesen.

Beleidigung stellt keine besonders schwere Pflicht­ver­letzung dar

Es habe sich nicht um eine besonders schwere Pflichtverletzung gehandelt und ein seit mittlerweile 18 Jahren bestehendes Vertrau­ens­ver­hältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dürfe nicht durch eine erstmalige Vertrau­en­s­ent­täu­schung vollständig und unwiderruflich zerstört werden. Das Gericht könne auch nachvollziehen, dass die Kritik des Vorgesetzten, nicht aus objektiver Sicht, jedoch in der subjektiven Wahrnehmung des Angestellten, als Drohung missverstanden wurde. Somit sei auch die Reaktion des Angestellten nachvollziehbar. Als Entschuldigung wolle man dies zwar nicht gelten lassen, jedoch unterstreiche diese Feststellung, dass sich das Verhalten des Klägers als nicht so außerordentlich darstelle, dass eine außer­or­dentliche Kündigung gerechtfertigt sei.

Zudem konnte das Gericht den Vorwurf des Marktleiters, der Angestellte habe einen Fehler bei der Einreichung seiner Krankmeldung begangen, nicht nachvollziehen. Der Mann sei den Pflichten eines Arbeitnehmers im Krankheitsfall ordentlich nachgekommen.

Quelle: ra-online, Landesarbeitsgericht Mainz (vt/st)

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