Dokument-Nr. 12903
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- NZA-RR 2012, 16Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Rechtsprechungsreport (NZA-RR), Jahrgang: 2012, Seite: 16
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil18.08.2011
Beleidigung des Arbeitgebers als "Wichser" rechtfertigt keine außerordentliche KündigungVorheriger Abmahnung erforderlich
Die Beleidigung eines Vorgesetzten stellt grundsätzlich einen wichtigen Grund dar, nach dem eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein kann. Jedoch muss zuvor unter Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die schwere des Einzelfalles abgewogen werden. Dies geht aus einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Mainz hervor.
Ein als Lagerist angestellter gelernter Einzelhandelskaufmann erhielt die fristlose Kündigung, nachdem er seinen Vorgesetzten, den Marktleiter des Einzelhandelsunternehmens, während eines Gesprächs als "Wichser" bezeichnet hatte. Der Äußerung vorausgegangen war eine Auseinandersetzung über eine Krankmeldung, in dessen Verlauf der Vorgesetzte das Vorgehen des Lageristen bei der Einreichung seiner Krankmeldung kritisiert hatte. Als Reaktion auf die Beleidigung sprach das Unternehmen dem Angestellten schließlich die fristlose Kündigung aus. Hiergegen klagte der Mann.
Beleidigung erfolgte, da Kläger Kritik des Vorgesetzten als Drohung empfand
Der Kläger führte aus, er habe nach einem erfolgtem Arztbesuch das persönlich Gespräch mit seinem Vorgesetzten gesucht, wurde von diesem jedoch ignoriert. Daraufhin habe er ihm mitgeteilt, die Krankmeldung in dessen Büro zu legen. Als er anschließend den Markt verlassen wollte, ließ ihn der Marktleiter ausrufen, woraufhin sich der Kläger von einem nahe gelegenen Telefonapparat meldete. Im folgenden Gespräch riet ihm der Vorgesetzte, er solle sich "noch mal vom Betriebsrat über die korrekte Vorgehensweise bei einer Krankschreibung beraten und helfen lassen". Diese Äußerung habe der Lagerist als Kündigungsandrohung aufgefasst und aus diesem Grund die beleidigende Äußerung getätigt.
Abmahnung wäre außerordentlicher Kündigung vorzuziehen gewesen
Das Landesarbeitsgericht in Mainz stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der erfolgten außerordentlichen Kündigung nicht beendet worden ist. Die gegenüber dem Marktleiter geäußerte Beleidigung stelle zwar einen an sich geeigneten "wichtigen Grund" im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB dar, der eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könnte. Das Gericht räumte auch ein, die Bezeichnung als "Wichser" stelle eine grobe Beleidigung und erhebliche Ehrverletzung des Vorgesetzten dar. Die außerordentliche Kündigung sei jedoch aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ungerechtfertigt. Grundsätzlich setze die Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung eine Abmahnung voraus, da sie nach neuerer Rechtsprechung als milderes Mittel zur Widerherstellung des für die Fortsetzung des Vertrages notwendigen Vertrauens in die Redlichkeit des Arbeitnehmers ausreiche. Im vorliegenden Fall wäre eine Abmahnung ausreichend und angemessen gewesen.
Beleidigung stellt keine besonders schwere Pflichtverletzung dar
Es habe sich nicht um eine besonders schwere Pflichtverletzung gehandelt und ein seit mittlerweile 18 Jahren bestehendes Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dürfe nicht durch eine erstmalige Vertrauensenttäuschung vollständig und unwiderruflich zerstört werden. Das Gericht könne auch nachvollziehen, dass die Kritik des Vorgesetzten, nicht aus objektiver Sicht, jedoch in der subjektiven Wahrnehmung des Angestellten, als Drohung missverstanden wurde. Somit sei auch die Reaktion des Angestellten nachvollziehbar. Als Entschuldigung wolle man dies zwar nicht gelten lassen, jedoch unterstreiche diese Feststellung, dass sich das Verhalten des Klägers als nicht so außerordentlich darstelle, dass eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sei.
Zudem konnte das Gericht den Vorwurf des Marktleiters, der Angestellte habe einen Fehler bei der Einreichung seiner Krankmeldung begangen, nicht nachvollziehen. Der Mann sei den Pflichten eines Arbeitnehmers im Krankheitsfall ordentlich nachgekommen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 27.01.2012
Quelle: ra-online, Landesarbeitsgericht Mainz (vt/st)
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