Im zugrunde liegenden Fall ging es um eine Angestellte, die hauptsächlich als Kassiererin eingesetzt wurde. Daneben half sie beim Nachfüllen von Zigaretten und in der Kosmetikabteilung aus. Nach einer betrieblichen Regelung werden die Preise für Obst und Gemüse, das sonst schwer zu verkaufen wäre, im Verlaufe eines Tages zum Teil mehrmals gesenkt. Die Arbeitnehmer haben die Möglichkeit, Ware vom Vortag zu einem nochmals reduzierten Preise zu erwerben. Nach einer weiteren Regelung darf Spargel an Kunden nur tagesfrisch verkauft werden. Am 10. Mai 2008 kaufte die Angestellte (und spätere Klägerin) gegen 20.11 Uhr - wochentags ist der Markt bis 21.00 Uhr geöffnet - gut ein Kilogramm Spargel vom selben Tage. Zu diesem Zeitpunkt wies das Computersystem der Beklagten hierfür einen Kilopreis von 3,99 Euro aus; der Klägerin wurden jedoch nur 2,22 Euro pro kg berechnet.
Am 22. Mai 2008 um 20.52 Uhr kaufte die Klägerin ,982 kg tagesfrischen Spargel zu einem Kilopreis von 1,49 Euro ein. Das Waagenetikett hatte sie handschriftlich geändert: Der Preis hatte zuvor 4,99 Euro betragen. Der Markt kündigte der Angestellten nach diesen Vorfällen fristlos.
Die Angestellte wehrte sich mit Erfolg gegen die Kündigung mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht Lingen, dass die Kündigung als unwirksam erachtete. In der Berufungsinstanz vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen obsiegte der Arbeitgeber.
Die außerordentliche Kündigung sei aus einem wichtigen Grund gerechtfertigt, führte das LAG aus. Es läge ein wichtiger Kündigungsgrund vor.
Vom Arbeitnehmer zu Lasten des Arbeitgebers begangene Vermögensdelikte seien grundsätzlich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu stützen, denn sie stellen an sich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar (vgl. BAG, Urteil v. 11.12.2003 - 2 AZR 36/03 - ). Ein Arbeitnehmer, der im Zusammenhang mit seiner Arbeitsleistung strafrechtlich relevante Handlungen gegen das Vermögen seines Arbeitgebers begehe, verletze damit seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht schwerwiegend und missbrauche das in ihn gesetzte Vertrauen in erheblicher Weise. Dies gelte auch dann, wenn die rechtswidrige Verletzungshandlung nur Sachen von geringem Wert betreffe. Die rechtswidrige und vorsätzliche Verletzung des Eigentums oder Vermögens des Arbeitgebers sei stets, auch wenn die Sachen nur geringen Wert hätten, als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung an sich geeignet, führte das Landesarbeitgericht aus.
Ein solches Vermögensdelikt zum Nachteil der Beklagten habe die Klägerin am 22. Mai 2008 begangen, indem sie Spargel eigenmächtig im Preis reduzierte und für sich an der Kasse erwarb.
Eine Abmahnung sei vorliegend entbehrlich. Eine Abmahnung sei zwar im Bereich der verhaltensbedingten Kündigung grundsätzlich erforderlich. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich das erkennende Gericht anschließe, kenne jedoch Ausnahmen. Danach sei eine vorangegangene Abmahnung entbehrlich, wenn es sich um schwerwiegende Pflichtverletzungen handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar sei und bei denen eine Hinnahme des Verhaltens offensichtlich ausgeschlossen sei. In derartigen Fällen müsse es dem Arbeitnehmer klar sein, dass er sein Arbeitsverhältnis aufs Spiel setze.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 22.10.2010
Quelle: ra-online, Landesarbeitsgericht Niedersachsen (pt)