Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Urteil12.08.2014
Verhaltensbedingte Kündigung eines alkoholkranken BerufskraftfahrersBei bestehender Bereitschaft zu Alkoholtherapie kann von Arbeitgeber Abmahnung und Fortsetzen des Arbeitsverhältnisses erwartet werden
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass einem an einer Alkoholabhängigkeit leidenden Arbeitnehmer, der ein ihm überlassenes Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss führt, im Zeitpunkt der Vertragspflichtverletzung kein Schuldvorwurf gemacht werden kann. Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist nur dann möglich, wenn anzunehmen ist, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner Alkoholabhängigkeit seinen arbeitsvertraglichen Pflichten dauerhaft nicht nachkommen kann.
Der Arbeitnehmer des zugrunde liegenden Falls wurde als Berufskraftfahrer beschäftigt. Er verursachte mit seinem Lkw unter Alkoholeinfluss (,64 ‰) einen Unfall, bei dem der Unfallgegner verletzt wurde und ein größerer Sachschaden entstand. Im Betrieb bestand ein absolutes Alkoholverbot.
Arbeitsgericht: Ordentliche Kündigung ist auch ohne Ausspruch einer Abmahnung sozial gerechtfertigt
Das Arbeitsgericht hat die daraufhin ausgesprochene ordentliche Kündigung wegen der Schwere der Pflichtverletzung auch ohne Ausspruch einer Abmahnung für sozial gerechtfertigt gehalten. Die Alkoholerkrankung könne den Arbeitnehmer nicht entlasten; ihm sei weiterhin vorzuwerfen, eine Fahrt mit dem Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss angetreten und hierdurch andere gefährdet zu haben.
LAG: Bei Alkoholabhängigkeit ist Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Vertragspflichtverletzung kein Schuldvorwurf zu machen
Dem ist das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg nicht gefolgt. Das Landesarbeitsgericht verwies darauf, dass ein Berufskraftfahrer dann seine arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten in erheblichem Maße verletzt, wenn er das ihm überlassene Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss führt. Beruht dieses Verhalten jedoch auf einer Alkoholabhängigkeit, ist dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Vertragspflichtverletzung kein Schuldvorwurf zu machen. Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist dann nur möglich, wenn anzunehmen ist, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner Alkoholabhängigkeit seinen arbeitsvertraglichen Pflichten dauerhaft nicht nachkommen kann. Hieran fehlt es, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Kündigung ernsthaft zu einer Alkoholtherapie bereit war. Im Übrigen kann bei einer bestehenden Therapiebereitschaft von dem Arbeitgeber in der Regel erwartet werden, das Fehlverhalten abzumahnen und das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 29.10.2014
Quelle: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg/ra-online