18.10.2024
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Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Urteil16.09.2010

Zu hoch abgerechnete Bewir­tungs­kosten für die Feier eines Dienstjubiläums sind KündigungsgrundBetrugshandlung im Umfange von rund 160 Euro – Kündigung einer langjährig beschäftigten Bahnmi­t­a­r­beiterin dennoch unwirksam

Die Kündigung einer Bahnbe­schäf­tigten, die nach einem Dienstjubiläum dem Arbeitgeber eine "Gefälligkeits"-Quittung über einen Betrag von 250 Euro für Bewir­tungs­kosten vorgelegt und sich diesen Betrag erstatten lässt, während sich die Bewir­tungs­kosten in Wirklichkeit nur auf rund 90 Euro belaufen, ist unwirksam. Dies entschied das Landes­a­r­beits­gericht Berlin-Brandenburg.

Die Arbeitnehmerin des zugrunde liegenden Falls, die als Zugabfertigerin auf einem Bahnhof beschäftigt war, hatte ihr 40-jähriges Dienstjubiläum im Kollegenkreis gefeiert, im Anschluss daran dem Arbeitgeber eine von einer Catering-Firma erhaltene "Gefälligkeits"-Quittung über einen Betrag von 250 Euro für Bewir­tungs­kosten vorgelegt und sich den Betrag erstatten lassen, während sich die Bewir­tungs­kosten in Wirklichkeit nur auf rund 90 Euro beliefen. Beim Arbeitgeber bestand eine Regelung, wonach aus Anlass des 40-jährigen Dienstjubiläums nachgewiesene Bewir­tungs­kosten bis zur Höhe von 250 Euro erstattet werden.

Zugunsten der Arbeitnehmerin zu berück­sich­ti­genden Umstände überwiegen

Das Landes­a­r­beits­gericht hat die fristlose Kündigung für unwirksam erachtet. Zwar habe die Arbeitnehmerin durch die Betrugshandlung gegenüber ihrem Arbeitgeber eine strafrechtlich relevante grobe Pflicht­wid­rigkeit begangen und damit ohne weiteres einen Kündigungsgrund "an sich" gesetzt. Im Rahmen der auf den Einzelfall bezogenen Inter­es­se­n­ab­wägung hätten jedoch die zugunsten der Arbeitnehmerin zu berück­sich­ti­genden Umstände - letztlich - überwogen.

Landes­a­r­beits­gericht nimmt Bezug auf Entscheidung des Bundes­a­r­beits­ge­richts im Fall "Emmely"

Dabei sei die neuere Entscheidung des Bundes­a­r­beits­ge­richts vom 10. Juni 2010 ("Pfandbon") mit zu beachten gewesen, in der das Bundes­a­r­beits­gericht die Kündigung des Arbeits­ver­hält­nisses einer langjährig beschäftigten Kassiererin für unwirksam erachtet hatte. Das Landes­a­r­beits­gericht stellte in seinen Erwägungen in erster Linie die 40-jährige beanstan­dungsfreie Beschäftigungszeit der Arbeitnehmerin in Rechnung, die - unter Berück­sich­tigung der neuen Entscheidung des Bundes­a­r­beits­ge­richts vom 10. Juni 2010 zu einem sehr hohen Maß an Vertrau­ens­kapital geführt habe. Dieses sei durch die einmalige Verfehlung noch nicht vollständig zerstört worden.

Arbeitnehmerin befand sich bei ihrer Handlung außerhalb ihrer normalen Tätigkeit

Des Weiteren sei zu berücksichtigen gewesen, dass die Arbeitnehmerin - anders als die Kassiererin im "Pfandbonfall", die ihre Pflicht­wid­rigkeit sogar im Kernbereich ihrer Tätigkeit an der Kasse begangen hatte - sich bei ihrer Handlung außerhalb ihrer normalen Tätigkeit befunden habe, denn als Zugabfertigerin habe sie nicht regelmäßig mit Gelddingen zu tun. Bei dem im Zusammenhang mit der Jubiläumsfeier stehenden Vorgang habe es sich um einen für die Arbeitnehmerin und ihre Tätigkeit atypischen Vorgang gehandelt.

Arbeitnehmerin räumte Pflicht­wid­rig­keiten bei Anhörung sofort ein

Schließlich habe die hiesige Arbeitnehmerin - anders wiederum als die Kassiererin im "Pfandbonfall" - bei der Anhörung durch den Arbeitgeber ihre Pflicht­wid­rig­keiten sofort eingeräumt und keine falschen Angaben gemacht oder gar Kollegen unzutref­fen­derweise beschuldigt.

Zu Gunsten der Arbeitnehmerin sprechenden Gesichtspunkte überwiegen

Alle diese zu Gunsten der Arbeitnehmerin sprechenden Gesichtspunkte hätten das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses, dem angesichts der massiven Betrugshandlung der Arbeitnehmerin durchaus ein sehr hohes Gewicht beizumessen gewesen sei, letztlich überwogen.

Arbeits­ver­hältnis besteht fort

Da die Arbeitnehmerin tarif­ver­traglich nicht mehr ordentlich kündbar sei, bestehe das Arbeits­ver­hältnis fort.

Quelle: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg/ra-online

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