18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 23198

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Kammergericht Berlin Urteil19.04.2016

Sturz an nicht winter­dienst­pflichtiger, gestreuter und schnee- sowie eisglatter Stelle kann dennoch Verletzung der Verkehrs­sicherungs­pflicht begründenVerkehrs­sicherungs­pflicht­ver­letzung aufgrund fehlender Erfüllung der Winter­dienst­pflicht in der Umgebung der Sturzstelle

Stürzt eine Person an einer nicht winter­dienst­pflichtigen, nicht gestreuten und daher schnee- sowie eisglatten Stelle, so kommt dennoch eine Verletzung der Verkehrs­sicherungs­pflicht in Betracht. Dies ist dann der Fall, wenn der Winter­dienst­pflichtige seiner in der Umgebung der Sturzstelle bestehenden Winter­dienst­pflicht nicht nachgekommen ist. Ein Schaden­ersatz­anspruch besteht aber nur dann, wenn der Geschädigte nachweisen kann, dass er bei Erfüllung der Winter­dienst­pflicht eine gestreute Stelle benutzt hätte. Dies geht aus einer Entscheidung des Kammergerichts Berlin hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Arbeitnehmer wurde von seinem Kollegen auf einer schnee- und eisglatten Parkplatz­zufahrt in Berlin abgesetzt und ist dort ausgerutscht. Aufgrund des Sturzes war der Arbeitnehmer mehrere Wochen arbeitsunfähig gewesen. Das Land Berlin war zwar für den schnee- und eisglatten Parkplatz sowie den ebenfalls schnee- und eisglatten angrenzenden Gehwegen winter­dienst­pflichtig gewesen, nicht jedoch für die Parkplatz­zufahrt. Der Arbeitgeber des Gestürzten verklagte schließlich das Land Berlin auf Ersatz der Aufwendungen für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

Landgericht Berlin wies Schaden­s­er­satzklage ab

Das Landgericht Berlin wies die Schaden­s­er­satzklage ab. Denn der Arbeitnehmer habe den Sturz ganz überwiegend selbst verschuldet. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Berufung ein.

Kammergericht verneint ebenfalls Schaden­s­er­satz­an­spruch

Das Kammergericht Berlin folgte zwar nicht der Argumentation des Landgerichts hinsichtlich des Mitverschuldens, bestätigte aber dennoch dessen Entscheidung und wies daher die Berufung des Klägers zurück. Ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG habe nicht bestanden.

Fehlende Vornahme der Winter­dienst­pflicht begründete Verkehrs­si­che­rungs­pflicht­ver­letzung

Zwar habe keine Winterdienstpflicht an der Sturzstelle bestanden, so das Kammergericht. Das Land Berlin sei aber verpflichtet gewesen, auf dem Parkplatz gestreute Pfade anzulegen, die ein gefahrloses Betreten und Verlassen des Parkplatzes erlaubt hätten, und auf den an den Parkplatz angrenzenden Fußwegen zu streuen. Da das Land Berlin dem nicht nachgekommen sei, habe eine Verletzung der Verkehrs­si­che­rungs­pflicht vorgelegen.

Kein Zusammenhang zwischen Verkehrs­si­che­rungs­pflicht­ver­letzung und Sturz

Nach Ansicht des Kammergerichts habe jedoch kein Zusammenhang zwischen der Verkehrssicherungspflichtverletzung und dem Sturz des Arbeitnehmers bestanden. Der Kläger habe nicht nachweisen können, dass der Arbeitnehmer bei Erfüllung der Winter­dienst­pflicht durch das Land Berlin an einer gestreuten Stelle ausgestiegen wäre. Vielmehr haben der Arbeitnehmer und der Kollege ausgesagt, dass sie sich keine Gedanken über den Ausstiegsort gemacht haben. Für sie haben die Witte­rungs­ver­hältnisse keine Bedeutung für den Ort des Absetzens gehabt.

Keine Anwendung der Grundsätze des Anscheins­be­weises

Die Grundsätze des Anscheins­be­weises seien dem Kläger nach Ansicht des Kammergerichts nicht zugutegekommen. Denn insofern fehle es an dem erforderlichen typischen Gesche­hens­ablauf, dass ein Geschädigter, der sich an einer nicht streu­pflichtigen Stelle eines Parkplatzes absetzen lasse, bei Erfüllung der Streupflicht dann an einer gestreuten Stelle auf dem Parkplatz oder einem angrenzenden Gehweg ausgestiegen wäre. Diese Fallgestaltung unterscheide sich von einem nicht gestreuten Gehweg, bei dem als typischer Gesche­hens­ablauf angenommen werden könne, dass ein Fußgänger bei pflichtgemäßen Verhalten die gestreute Schneise nutzen würde (vgl. KG, Urt. v. 02.06.2015 - 7 U 102/14 -).

Quelle: Kammergericht Berlin, ra-online (vt/rb)

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