Kammergericht Berlin Urteil02.03.2016
Bank haftet für Schäden nach SchließfacheinbruchVerletzung von Obhuts- und Aufklärungspflichten sowie unzureichende Sicherungsmaßnahmen des Tresorraums begründen Haftungsanspruch
Das Kammergericht hat entschieden, dass eine Bank ihrer Kundin, die ein Schließfach angemietet hatte, zum Schadensersatz verpflichtet ist, wenn dieses Schließfach aufgebrochen werde und die Bank zuvor die ihr obliegenden Obhuts- und Aufklärungspflichten gegenüber der Kundin verletzt hat. In dem entschiedenen Fall belaufe sich der Schadensbetrag auf 65.000 Euro.
Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Kundin hatte bei einer Bank bereits im Jahre 2006 ein Schließfach angemietet. Diese Bank vermietete am 1. April 2009 vormittags einer unbekannten männlichen Person, die sich mit einem - wie sich nachträglich herausstellte - gefälschten finnischen Pass ausgewiesen hatte, ein weiteres Schließfach. Am Nachmittag desselben Tages erschien diese Person erneut in Begleitung zweier Männer, von denen einer eine große Sporttasche bei sich hatte. Ein Bankangestellter führte die drei Männer in den Tresorraum, schloss mit seinem Schlüssel das erste Schloss des Schließfachs auf und begab sich dann wieder in den allgemeinen Kundenbereich im Erdgeschoss. Die in dem Tresorraum allein gelassenen Männer brachen sodann eine Vielzahl von Schließfächern des einen Tresorschranks auf, darunter auch das von der geschädigten Kundin angemietete Schließfach.
Landgericht verurteilt Bank zur Zahlung von Schadensersatz
Die Kundin trat die ihr gegen die Bank zustehenden Forderungen an eine Freundin ab, die Klage gegen die Bank auf Zahlung von 65.000 Euro erhob. Nachdem das Landgericht Berlin Beweis erhoben hatte über die Behauptung der Klägerin, ihre Freundin habe in dem Schließfach diesen Bargeldbetrag aufbewahrt, gab es der Klage statt und verurteilte die Bank zur Zahlung der Summe einschließlich geltend gemachter Zinsen.
Bank hat ihr obliegenden Obhuts- und Aufklärungspflichten verletzt
Die Berufung der Bank gegen das erstinstanzliche Urteil blieb erfolglos. Das Kammergericht wies die Berufung mit der Begründung zurück, dass die Bank die ihr gegenüber der Kundin obliegenden Obhuts- und Aufklärungspflichten verletzt habe. Ein Kunde, der ein Schließfach anmiete und dort in der Regel wertvolle Dinge aufbewahre, erwarte, dass die Bank gewisse Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der Tresore treffe. Die Bank hätte es daher Tätern zumindest in gewissem Umfang erschweren müssen, sich unter Täuschung über ihre Identität und über ihre Absichten Zugang zum Schließfachraum zu verschaffen und dort ungehindert Schließfächer auszurauben. So wäre u.a. in Betracht gekommen,
- die Echtheit der Ausweispapiere mithilfe des in der betroffenen Filiale vorhandenen Datensystems zu überprüfen,
- die mitgeführte große Tasche vorher oder nachher zu kontrollieren,
- im eigentlichen Schließfachraum eine Videokamera zu installieren und den Kunden aus Diskretionsgründen einen nichtüberwachten Nebenraum zur Verfügung zu stellen und/oder
- eine Alarmanlage, die auf Erschütterungen reagiert, welche durch den Einsatz von Brechwerkzeug hervorgerufen werden, in dem Tresorraum zu installieren.
Treffen von Sicherheitsvorkehrungen für Bank zumutbar
Die gegenläufigen Interessen von Bank und Kunden seien gegeneinander abzuwägen. Diese Abwägung gehe zu Lasten der Bank. Einerseits habe sie eine oder mehrere der vorgenannten Sicherungsvorkehrungen unschwer umsetzen können, während die Kunden keine Möglichkeiten gehabt hätten, ihr Eigentum in den Schließfächern besonders zu schützen. Zum anderen sei der Aufwand, um die Risiken eines Aufbruchs mittels der vorgenannten Maßnahmen zu minimieren, der Bank zumutbar gewesen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das wertvolle Eigentum der Schließfachkunden in erheblichem Maße gefährdet gewesen sei.
Pflicht zur Aufklärung der Kunden verletzt
Auch habe die Bank ihre Pflicht zur Aufklärung ihrer Kundin verletzt, indem sie nicht darauf hingewiesen habe, dass entgegen der stillschweigenden Erwartungshaltung keine besonderen Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden seien.
Bank muss Schadensersatz in voller Höhe leisten
Da zwischen den Parteien aufgrund der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme nicht mehr im Streit gestanden habe, dass sich in dem ausgeraubten Schließfach 65.000 Euro Bargeld befanden hätten, und da der Kundin keine Mitschuld vorgeworfen werden könne, hafte die Bank auf Schadensersatz in voller Höhe.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 04.03.2016
Quelle: Kammergericht/ra-online