15.11.2024
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Dokument-Nr. 7982

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Urteil21.02.2008Kammergericht Berlin19 U 60/07
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW-RR 2009, 195Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2009, Seite: 195
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Kammergericht Berlin Urteil21.02.2008

Rücktritt vom Teppichkauf in der Türkei nach deutschem Verbrau­cherrecht möglichAuf einen Teppichkauf in der Türkei kann deutsches Recht anwendbar sein

Wer auf einer Urlaubsreise in der Türkei einen Teppich gekauft hat und dies nach seiner Rückkehr in Deutschland bereut, kann unter Umständen von dem Kaufvertrag zurücktreten. Dies geht aus einer Entscheidung des Kammergerichts Berlin hervor.

Im zugrunde liegenden Fall kaufte eine Frau auf einer Urlaubsreise in der Türkei einen Teppich bei einem Besuch einer Teppich­fa­bri­kation, die zudem Teil der Pauschalreise war. Die Vertrags­ver­hand­lungen wurden auf deutsch geführt, der Kaufpreis in Euro angegeben und der Kaufvertrag enthielt mit dem Begriff "Eigen­tums­vor­behalt" Formulierungen der deutschen Rechtssprache. Nach ihrer Rückkehr widerrief sie den Kaufvertrag nach deutschem Verbrau­cherrecht (§ 312 BGB).

Kammergericht gibt der Frau Recht

Die Urlauberin habe den Kaufvertrag wirksam widerrufen. Die gegenseitigen Leistungen seien rückabzuwickeln, ein restlicher Kaufpreis­an­spruch bestehe nicht.

Deutsches Recht anwendbar

Das deutsche materielle Recht sei anwendbar, weil sich aus dem Vertrag der Parteien eine still­schweigende Rechtswahl nach Artikel 27 Abs. 1 Satz 2 EGBGB zugunsten des deutschen materiellen Rechts ergebe. Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 2 EGBGB sei für eine konkludente Rechtswahl erforderlich, dass sich die Rechtswahl "mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles" ergebe. Dabei seien alle Indizien, die für oder gegen die Anwendung einer bestimmten Rechtsordnung sprechen, zu würdigen.

Grundsätzlich ist ausländisches Recht anwendbar

Grundsätzlich spreche zwar der Abschluss eines Kaufvertrages im Ausland dafür, dass auch die dort geltende Rechtsordnung maßgebend sei. Dem komme aber bei einem in entscheidenden Punkten nicht im Ausland abzuwickelnden Vertrag nicht ein solches Gewicht zu, wie wenn die vollständige Erfüllung (Bezahlung und Aushändigung) vor Ort vorgenommen werde.

Vielzahl von Umständen weist auf Anwendung deutschen Rechts hin

Hier deute eine Vielzahl anderer Umstände auf eine Anwendung deutschen Rechts hin. Der Vertrag sei einschließlich der Geschäfts­be­din­gungen vollständig auf Deutsch abgefasst, er sei überschrieben mit der Bezeichnung "Kaufvertrag". Es seien z.B. mit dem Vorbehalt des Eigentums Begriffe der deutschen Rechtssprache verwendet worden. Die Vertrags­ver­hand­lungen seien auf Deutsch geführt worden. Bereits die Abfassung des Vertrages allein in der Sprache eines Landes deute auf die konkludente Wahl dessen Rechts hin, reiche aber für sich genommen nicht aus. Die Urlauberin hatte, für den Teppichhändler aus dem Vertrags­formular erkennbar, ihren Wohnsitz in Deutschland und war deutsche Staats­an­ge­hörige. Der Vertrag sollte seitens der Klägerin durch Auslieferung in Deutschland erfüllt werden. Der Kaufpreis sei nicht in türkischer Lira, sondern in Euro ausgewiesen. Schließlich war der Besuch der Fabrikation der Klägerin Teil einer von der Beklagten gebuchten Pauschalreise - was auch der Klägerin bekannt gewesen sei -, die ihrerseits deutschem Recht unterlag.

Gesamt­be­trachtung führt hier zur Anwendbarkeit deutschen Rechts

Jedes dieser Indizien für sich würde zwar nicht ausreichen, eine Rechtswahl zu Gunsten des deutschen Rechts anzunehmen. Bei der - gebotenen - Gesamt­be­trachtung spreche aber allein der Ort des Vertrags­ab­schlusses neben dem Sitz der Klägerin gegen die Anwendung deutschen Rechts, während alle anderen maßgebenden Indizien auf das deutsche Recht hindeuteten.

Materielle Voraussetzungen für Widerruf erfüllt

Das Kammergericht stufte den Besuch der Teppich­knüpferei während eines Ausfluges im Rahmen der Pauschalreise als eine Freizeit­ver­an­staltung im Sinne von § 312 BGB ein, so dass die Urlauberin den Kaufvertrag grundsätzlich widerrufen konnte. Ihren Widerruf habe sie auch fristgerecht im Sinne von § 355 Abs. 1 BGB erklärt - unabhängig davon, dass diese Frist mangels Belehrung nach § 355 Abs. 3 BGB nicht in Lauf gesetzt war.

Quelle: ra-online (pt)

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