Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Verwaltungsfachangestellter aus Nordhessen leidet an einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit. Nach einer entsprechenden Testphase empfahl ihm der Hörgeräteakustiker ein Hörgerät für rund 4.900 Euro, mit welchem er sogar Telefongespräche führen kann, und zeigte dies der Krankenkasse an. Diese teilte dem 51-jährigen Mann mit, dass sie den Festbetrag von rund 1.200 Euro übernehme. Der Hörgeschädigte erwarb das teure Hörgerät. Seinen Antrag auf Erstattung des Differenzbetrages von ca. 3.700 Euro lehnte die Krankenkasse ab.
Das Sozialgericht wies die Klage des Mannes mit der Begründung ab, dass dieser bereits vor der ablehnenden Entscheidung der Krankenkasse das Hörgerät erworben und damit den vorgeschriebenen Beschaffungsweg nicht eingehalten habe.
Das Hessische Landessozialgericht verurteilte hingegen die Krankenkasse zur Erstattung der rund 3.700 Euro. Zunächst stellten die Richter fest, dass die Versorgungsanzeige des Hörgeräteakustikers einen Leistungsantrag auf bestmögliche Versorgung mit einem Hörgerät beinhalte. Gewähre die Krankenkasse hierauf den Festbetrag, so lehne sie damit inzident die Kostenübernahme für eine höherwertige Hörgeräteversorgung ab. Da die Krankenkasse den Antrag habe prüfen können, sei auch der Beschaffungsweg eingehalten, wenn der Versicherte das Hörgerät kaufe, bevor die Krankenkasse die Kostenübernahme des Differenzbetrages ausdrücklich abgelehnt habe.
Zudem wiesen die Richter darauf hin, dass die Krankenkassen - wie auch die Rentenversicherungsträger - den hörgeschädigten Versicherten keinen Zugang zu unabhängigen Beratungs- und Begutachtungsstellen böten. Damit erhielten die Versicherten keine von Gewinnerwartungen unabhängige Untersuchung und Anpassung der in Betracht kommenden Hörgeräte. Diese Aufgabe würden sie vielmehr an die Hörgeräteakustiker "outsourcen". Daher gehe es zu Lasten der Krankenkasse, wenn sich im Gerichtsverfahren nicht mehr klären lasse, ob auch ein günstigeres Hörgerät einen möglichst weitgehenden Ausgleich der Funktionsdefizite erzielt hätte.
Die Krankenkasse könne sich ferner nicht darauf berufen, dass der Hörgeräteakustiker zu einer eigenanteilsfreien Versorgung verpflichtet sei. Diese vertragliche Verpflichtung betreffe nur das Vertragsverhältnis zwischen Krankenkasse und Leistungserbringer und habe keine Auswirkungen auf den Hilfsmittelanspruch des Versicherten.
(2) Die Versicherte erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen [...]
(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. [...]
(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst [...] Versorgung mit [...] Hilfsmitteln, [...].
(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen [...], die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, [...]
(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.
(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.
(1) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmt Hilfsmittel, für die Festbeträge festgesetzt werden. [...]
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 04.09.2014
Quelle: Hessisches Landessozialgericht/ra-online