23.11.2024
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Hessisches Landessozialgericht Urteil16.12.2016

Vorzeitige Meldepflicht: Arbeits­lo­sengeld ohne SperrzeitSozialpädagogin muss sich nicht drei Monate vor Ende des Anerken­nungs­jahres arbeitssuchend melden

Arbeitnehmer und Auszubildende sind grundsätzlich verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor dessen Beendigung des Ausbildungs- oder Arbeits­ver­hält­nisses persönlich bei der Agentur für Arbeit zu melden. Diese Meldepflicht besteht nicht bei einem betrieblichen Ausbil­dungs­ver­hältnis. Personen, die im Rahmen eines Prakti­kan­ten­ver­hält­nisses ein Anerken­nungsjahr absolvieren, müssen sich nicht vorzeitig arbeitssuchend melden. Dies hat das Hessische Landes­so­zi­al­gericht in seiner Entscheidung bekanntgegeben.

Im vorliegenden Fall studierte eine Frau an der Fachhochschule Sozialpädagogik und absolvierte anschließend ein einjähriges Anerkennungsjahr. Danach meldete sie sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Die Arbeitsagentur gewährte dies, allerdings mit einer Sperrfrist von sieben Tagen, weil die Frau sich nicht vor Beendigung des Anerken­nungs­jahres arbeitsuchend gemeldet habe. Bei der Ausbildung zur Sozialpädagogin handele es sich nicht um ein betriebliches Ausbil­dungs­ver­hältnis. Das Anerken­nungsjahr werde auch nicht zum Zweck der Übernahme in ein anschließendes Beschäf­ti­gungs­ver­hältnis eingegangen. Dem widersprach die Sozialpädagogin. Das Anerken­nungsjahr müsse wie ein betriebliches Ausbil­dungs­ver­hältnis behandelt werden, für welches keine entsprechende Meldepflicht gelte.

Anerken­nungsjahr stehe betrieblichem Ausbil­dungs­ver­hältnis gleich

Das Gericht gab der Sozialpädagogin Recht. Erfolge die Meldung der Arbeitsuche erst nach Beendigung des Anerken­nungs­jahres, so dürfe keine Sperrzeit verhängt werden. Das Anerken­nungsjahr stehe insoweit einem betrieblichen Ausbil­dungs­ver­hältnis gleich.

Sinn und Zweck der vorzeitigen Meldepflicht

Dies folge aus Sinn und Zweck der entsprechenden Sperr­zeit­re­gelung. Die Pflicht zur frühzeitigen Meldung der Arbeitsuche diene grundsätzlich dazu, die Eingliederung in Arbeit zu beschleunigen, die Vermittlung effektiver zu machen und damit Arbeits­lo­sigkeit und Entgel­ter­satz­leis­tungen möglichst zu vermeiden. Bei einem betrieblichen Ausbil­dungs­ver­hältnis habe der Gesetzgeber eine frühe Meldepflicht nicht für erforderlich gehalten, weil die Auszubildenden überwiegend vom Ausbil­dungs­betrieb weiter­be­schäftigt würden. Zudem entscheide sich dies meist erst unmittelbar nach dem Bestehen der Abschluss­prüfung.

Übernahmequote von 70 Prozent macht Meldepflicht entbehrlich

Die Berufs­prak­ti­kanten im Anerken­nungsjahr würden eine der dualen Ausbildung vergleichbare Ausbildung in Betrieb und Berufsschule durchlaufen. Auch würden sie mit einer Übernahmequote von 70 Prozent später von der Ausbil­dungs­stelle übernommen werden. Daher seien eine frühzeitige Vermitt­lung­s­tä­tigkeit und somit auch eine Meldepflicht entbehrlich. Hinzu komme, dass das Berufspraktikum erst mit dem bestandenen Kolloquium erfolgreich abgeschlossen sei. Damit könne vorher die Arbeits­ver­waltung kaum etwas für eine beschleunigte Eingliederung unternehmen.

Erläuterungen

Hinweise zur Rechtslage

§ 38 Sozial­ge­setzbuch Drittes Buch (SGB III) - früher: § 37 b SGB III

(1) Personen, deren Ausbildungs- oder Arbeits­ver­hältnis endet, sind verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor dessen Beendigung persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Liegen zwischen der Kenntnis des Beendi­gungs­zeit­punktes und der Beendigung des Ausbildungs- oder Arbeits­ver­hält­nisses weniger als drei Monate, haben sie sich innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendi­gungs­zeit­punktes zu melden. (...) Die Pflicht zur Meldung gilt nicht bei einem betrieblichen Ausbil­dungs­ver­hältnis.

§ 159 SGB III - früher: § 144 SGB III

(1) Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer sich versi­che­rungs­widrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit. ²Versi­che­rungs­widriges Verhalten liegt vor, wenn Versi­che­rungs­pflichtig sind

7. die oder der Arbeitslose der Meldepflicht nach § 38 Absatz 1 nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei verspäteter Arbeit­su­chend­meldung).

(6) Die Dauer einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis oder bei verspäteter Arbeit­su­chend­meldung beträgt eine Woche.

Quelle: Hessisches Landessozialgericht/ ra-online

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