15.11.2024
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Hessisches Landessozialgericht Urteil18.03.2011

Hessisches LSG: Kein Kurza­r­bei­tergeld für Leiha­r­beits­un­ter­nehmenLohnrisiko bei Nicht­be­schäf­tigung hat Leiha­r­beitsfirma zu tragen

Arbeitnehmer haben Anspruch auf Kurza­r­bei­tergeld bei erheblichem Arbeitsausfall. Dies gilt nicht, wenn er branchenüblich und damit vermeidbar sei. Hiervon sei auszugehen, wenn Leiha­r­beit­nehmer nicht beschäftigt werden können. Dies hat das Hessische Landes­so­zi­al­gericht entschieden.

Das Unternehmen des zugrunde liegenden Falls mit Sitz im Main-Taunus-Kreis überlässt gewerbsmäßig anderen Firmen Arbeitnehmer. Im Juni 2003 beantragte dieses Leiha­r­beits­un­ter­nehmen Kurzarbeitergeld für 100 Arbeitnehmer, die in einem Automo­bil­konzern eingesetzt wurden. In einer Woche im Juni 2003 sei in der betreffenden Konzer­n­ab­teilung nicht gearbeitet worden, weil streikbedingt benötigte Produk­ti­o­nsteile nicht verfügbar gewesen seien. Das Leiha­r­beits­un­ter­nehmen habe zudem mit dem Betriebsrat eine Betrie­bs­ver­ein­barung zur Einführung von Kurzarbeit geschlossen.

Arbeitnehmer hatten auch bei Nicht­be­schäf­tigung Entgeltanspruch

Die Bundesagentur für Arbeit lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass es für die Arbeitnehmer zu keinem Lohnausfall gekommen sei. Denn diese hätten auch bei Nicht­be­schäf­tigung einen Entgeltanspruch gegenüber dem Leiha­r­beits­un­ter­nehmen. Zudem gehöre es zum allgemeinen Wirtschafts­risiko eines Verlei­hun­ter­nehmens, das Lohnrisiko bei Arbeits­aus­fällen zu tragen.

Kurzfristiger Einsatz des Leiharbeiter in anderem Unternehmen laut Leiha­r­beits­un­ter­nehmen weder gewollt, noch durchführbar

Im Klageverfahren verwies das Leiha­r­beits­un­ter­nehmen darauf, dass die Leiha­r­beit­nehmer wie die Stamm­be­leg­schaft in die Betriebsabläufe integriert seien. Ein kurzfristiger Einsatz in einem anderen Unternehmen sei daher weder gewollt, noch durchführbar gewesen. Auch sei Arbeit­neh­mer­über­lassung mittlerweile eine normale Dienstleistung. Sie diene nicht mehr nur dem Ausgleich kurzfristiger Auslas­tungs­spitzen, sondern ersetze längerfristig wesentliche Teile der Stamm­be­leg­schaft. Im Übrigen würden bei mittelbaren Streikfolgen die Arbeitnehmer das Entgeltrisiko tragen.

Solida­r­ge­mein­schaft muss nicht für Lohnrisiko in der Leiharbeit aufkommen

Die Richter beider Instanzen gaben der Bundesagentur für Arbeit Recht. Die Leiha­r­beit­nehmer hätten auch dann Anspruch auf Lohn, wenn ihr Arbeitgeber sie nicht einsetzen kann. Ein Arbeitsausfall sei für den Verleiher daher branchenüblich und könne nicht durch Kurza­r­bei­tergeld ausgeglichen werden. Könne der Verleiher seine Leiha­r­beit­nehmer bei Arbeitsausfall nicht in einem anderen Entleihbetrieb einsetzen, weil sie in die Produktion wie eine „zweite Belegschaft“ eingegliedert seien, erhöhe sich zwar das Beschäf­ti­gungs­risiko für das Leiha­r­beits­un­ter­nehmen. Eine Risiko­ver­la­gerung zu Lasten der Leiha­r­beit­nehmer oder der Allgemeinheit in Form von Kurza­r­bei­tergeld rechtfertige das jedoch nicht. Nichts anderes gelte, wenn der Arbeitsausfall auf einer mittelbaren Streikfolge beruhe. Hiervon sei jedenfalls auszugehen, solange die Kampfparität zwischen Leiha­r­beits­un­ter­nehmen und ihren Gewerkschaften dabei gewahrt bleibe.

Hinweise zur Rechtslage

Erläuterungen

§ 169 Sozial­ge­setzbuch Drittes Buch (SGB III)

Arbeitnehmer haben Anspruch auf Kurza­r­bei­tergeld, wenn

1. ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt, (…)

§ 170 SGB III

(1) Ein Arbeitsausfall ist erheblich, wenn

2. er auf wirtschaft­lichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht,

3. er vorübergehend ist,

4. er nicht vermeidbar ist (…)

(4) Ein Arbeitsausfall ist nicht vermeidbar, wenn in einem Betrieb alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen wurden, um den Eintritt des Arbeitsausfalls zu verhindern. Als vermeidbar gilt insbesondere ein Arbeitsausfall, der

1. überwiegend branchenüblich, betriebsüblich oder saisonbedingt ist oder ausschließlich auf betrie­bs­or­ga­ni­sa­to­rischen Gründen beruht, (…)

Quelle: Hessisches Landessozialgericht/ra-online

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