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Hessisches Landessozialgericht Urteil18.03.2011
Hessisches LSG: Kein Kurzarbeitergeld für LeiharbeitsunternehmenLohnrisiko bei Nichtbeschäftigung hat Leiharbeitsfirma zu tragen
Arbeitnehmer haben Anspruch auf Kurzarbeitergeld bei erheblichem Arbeitsausfall. Dies gilt nicht, wenn er branchenüblich und damit vermeidbar sei. Hiervon sei auszugehen, wenn Leiharbeitnehmer nicht beschäftigt werden können. Dies hat das Hessische Landessozialgericht entschieden.
Das Unternehmen des zugrunde liegenden Falls mit Sitz im Main-Taunus-Kreis überlässt gewerbsmäßig anderen Firmen Arbeitnehmer. Im Juni 2003 beantragte dieses Leiharbeitsunternehmen Kurzarbeitergeld für 100 Arbeitnehmer, die in einem Automobilkonzern eingesetzt wurden. In einer Woche im Juni 2003 sei in der betreffenden Konzernabteilung nicht gearbeitet worden, weil streikbedingt benötigte Produktionsteile nicht verfügbar gewesen seien. Das Leiharbeitsunternehmen habe zudem mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit geschlossen.
Arbeitnehmer hatten auch bei Nichtbeschäftigung Entgeltanspruch
Die Bundesagentur für Arbeit lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass es für die Arbeitnehmer zu keinem Lohnausfall gekommen sei. Denn diese hätten auch bei Nichtbeschäftigung einen Entgeltanspruch gegenüber dem Leiharbeitsunternehmen. Zudem gehöre es zum allgemeinen Wirtschaftsrisiko eines Verleihunternehmens, das Lohnrisiko bei Arbeitsausfällen zu tragen.
Kurzfristiger Einsatz des Leiharbeiter in anderem Unternehmen laut Leiharbeitsunternehmen weder gewollt, noch durchführbar
Im Klageverfahren verwies das Leiharbeitsunternehmen darauf, dass die Leiharbeitnehmer wie die Stammbelegschaft in die Betriebsabläufe integriert seien. Ein kurzfristiger Einsatz in einem anderen Unternehmen sei daher weder gewollt, noch durchführbar gewesen. Auch sei Arbeitnehmerüberlassung mittlerweile eine normale Dienstleistung. Sie diene nicht mehr nur dem Ausgleich kurzfristiger Auslastungsspitzen, sondern ersetze längerfristig wesentliche Teile der Stammbelegschaft. Im Übrigen würden bei mittelbaren Streikfolgen die Arbeitnehmer das Entgeltrisiko tragen.
Solidargemeinschaft muss nicht für Lohnrisiko in der Leiharbeit aufkommen
Die Richter beider Instanzen gaben der Bundesagentur für Arbeit Recht. Die Leiharbeitnehmer hätten auch dann Anspruch auf Lohn, wenn ihr Arbeitgeber sie nicht einsetzen kann. Ein Arbeitsausfall sei für den Verleiher daher branchenüblich und könne nicht durch Kurzarbeitergeld ausgeglichen werden. Könne der Verleiher seine Leiharbeitnehmer bei Arbeitsausfall nicht in einem anderen Entleihbetrieb einsetzen, weil sie in die Produktion wie eine „zweite Belegschaft“ eingegliedert seien, erhöhe sich zwar das Beschäftigungsrisiko für das Leiharbeitsunternehmen. Eine Risikoverlagerung zu Lasten der Leiharbeitnehmer oder der Allgemeinheit in Form von Kurzarbeitergeld rechtfertige das jedoch nicht. Nichts anderes gelte, wenn der Arbeitsausfall auf einer mittelbaren Streikfolge beruhe. Hiervon sei jedenfalls auszugehen, solange die Kampfparität zwischen Leiharbeitsunternehmen und ihren Gewerkschaften dabei gewahrt bleibe.
Hinweise zur Rechtslage
§ 169 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III)
Arbeitnehmer haben Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn
1. ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt, (…)
§ 170 SGB III
(1) Ein Arbeitsausfall ist erheblich, wenn
2. er auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht,
3. er vorübergehend ist,
4. er nicht vermeidbar ist (…)
(4) Ein Arbeitsausfall ist nicht vermeidbar, wenn in einem Betrieb alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen wurden, um den Eintritt des Arbeitsausfalls zu verhindern. Als vermeidbar gilt insbesondere ein Arbeitsausfall, der
1. überwiegend branchenüblich, betriebsüblich oder saisonbedingt ist oder ausschließlich auf betriebsorganisatorischen Gründen beruht, (…)
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 28.03.2011
Quelle: Hessisches Landessozialgericht/ra-online
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