18.10.2024
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Sie sehen vier Hände, die ineinander greifen.
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Hessisches Landessozialgericht Urteil15.04.2015

"Cash-statt-Handy-Geschäft" verringert nicht Hartz IV-AnspruchSofor­t­aus­zahlung anstelle eines subven­ti­o­nierten Handy-Kaufs ist nicht als Einkommen zu berück­sich­tigten

Erhält ein Hartz IV-Empfänger aufgrund eines "Cash-statt-Handy-Geschäfts" anstelle der subven­ti­o­nierten Handy-Kaufoption eine Sofor­t­aus­zahlung, so ist diese bei der Prüfung der Hilfs­be­dürf­tigkeit nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Sofor­t­aus­zahlung geringer ist, als die Gebühren, die der Hartz IV-Empfänger ohne Telefonie an das Mobil­funk­unter­nehmen zahlt. Denn insoweit komme es nicht zu einem Vermö­gens­zuwachs, der zur Deckung des Lebens­un­ter­haltes verwendet werden könnte. Dies entschied das Hessische Landes­sozial­gericht.

Im zugrunde liegenden Fall schloss eine Frau, die Grundsicherung für Arbeitsuchende bezieht, mit einem Mobil­fun­k­un­ter­nehmen vier Mobil­funk­verträge mit einer zweijährigen Laufzeit. Die monatlichen Grundgebühren betrugen im ersten Jahr 14,95 Euro und im zweiten Jahr 10,25 Euro. Anstelle der subven­ti­o­nierten Handys erhielt die in Kassel lebende Frau von der Firma Handytraum24.de eine Barauszahlung in Höhe von 1.200 Euro. Das Jobcenter berücksichtigte diese Zahlung als Einkommen und reduzierte sechs Monaten lang den Grund­si­che­rungs­betrag um jeweils 200 Euro.

Jobcenter bewertete Sofor­t­aus­zahlung als Einkommen

Die Frau führte hingegen an, dass sie die 1.200 Euro monatlich zurückzahle und ihr das Geld deshalb nicht zum Lebensunterhalt zur Verfügung gestanden habe. Es sei im Übrigen für Fahrstunden ihres Ehemannes verwendet worden, da dieser mit Führerschein bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt habe. Zudem habe sie mit dem bereits zuvor vorhandenen Handy mit Prepaid-Karten telefoniert und die vier Mobil­funk­verträge nicht genutzt. Das Jobcenter hingegen bewertete die Sofor­t­aus­zahlung als Provision, welche sie als Einkommen anrechnete.

Gericht gibt Klage der Leistungs­emp­fängerin statt

Die Richter des Hessischen Landes­so­zi­al­ge­richts und der Vorinstanz gaben der Frau Recht. Das von ihr getätigte Geschäft sei eine Kombination aus einem Abzah­lungs­ge­schäft betreffend die Option auf den verbilligten Kauf von Handys bei Abschluss von Mobil­funk­ver­trägen (Vertrag mit dem Mobil­fun­k­un­ter­nehmen) in Verbindung mit einer Ersetzung dieser Handy-Kaufoption gegen die Sofor­t­aus­zahlung von Geld (Vertrag mit Handytraum24.de). Spalte man diese beiden verbundenen Rechtsgeschäfte gedanklich zeitlich auf, habe die Frau letztendlich zunächst vier verbilligte Handys bei dem Mobil­fun­k­un­ter­nehmen auf Raten erworben und diese Geräte sodann bei dem Vermittler in Geld umgesetzt.

Ausgezahlter Betrag ist kein anrechenbares Einkommen

Werde ein Vermö­gens­ge­genstand "zu Geld gemacht", könne dies jedoch nur dann als Einkommen angesehen werden, wenn ein Mehrerlös erzielt werde. Ein wirtschaft­licher Vermö­gens­zuwachs sei vorliegend jedoch nicht eingetreten. Die Frau habe - ohne je einen der vier Mobil­funk­verträge zum Telefonieren genutzt zu haben - zusätzlich zu den Grundgebühren (1.209,60 Euro in zwei Jahren) noch Verwal­tungs­pau­schalen sowie Gebühren für Tarifwechsel und für die Rechnungs­zahlung durch Überweisung gezahlt. Bei einem Gesamtbetrag von 1.630,96 Euro entspreche dies einem jährlichen Zinssatz von fast 18 %. Die ausgezahlten 1.200 Euro seien daher kein anrechenbares Einkommen.

Hinweise zur Rechtslage

Erläuterungen

§ 11 Sozial­ge­setzbuch Zweites Buch (SGB II)

(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert [...]. Als Einkommen zu berücksichtigen sind auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozia­l­leis­tungen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen.

(3) Einmalige Einnahmen sind in dem Monat, in dem sie zufließen, zu berücksichtigen. 2 Sofern für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen ohne Berück­sich­tigung der einmaligen Einnahme erbracht worden sind, werden sie im Folgemonat berücksichtigt. 3 Entfiele der Leistungs­an­spruch durch die Berück­sich­tigung in einem Monat, ist die einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen.

Quelle: Hessisches Landessozialgericht/ra-online

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