15.11.2024
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Sie sehen ein altes Ehepaar auf einer Parkbank.

Dokument-Nr. 5983

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Hessisches Landessozialgericht Urteil29.02.2008

Vertrau­ens­schutz bei RentenbescheidNach Ablauf der Vollmacht ist Anwaltswissen einem Versicherten nicht mehr zuzurechnen

Versicherte können bei wahrheits­gemäßen Angaben grundsätzlich auf die Rechtmäßigkeit eines begünstigenden Renten­be­scheides vertrauen, sofern diesem komplizierte Berechnungen zugrunde liegen. Die mögliche Kenntnis des Anwalts von der Rechts­wid­rigkeit des Bescheides kann ihnen nicht entge­gen­ge­halten werden, soweit dieser dem im vorherigen Gerichts­ver­fahren beauftragten Rechtsanwalt nach Ablauf der Vollmacht zugesandt und von diesem ungeprüft an den Versicherten weitergeleitet worden ist. Dies entschied das Hessische Landes­so­zi­al­gericht.

Der Entscheidung liegt der Fall eines Versicherten ohne Berufs­aus­bildung aus Wiesbaden zugrunde, der zuletzt als Croupier gearbeitet hatte. Aufgrund von Arbeits­un­fä­higkeit erhielt er zunächst Krankengeld. Nach Verlust der Arbeitstelle wurde ihm schließlich Arbeits­lo­sengeld gewährt. Die ebenfalls beantragte Erwerbsminderungsrente erkannte die Renten­ver­si­cherung erst im Klageverfahren rückwirkend an. Der die monatliche Rente auch für die Vergangenheit festsetzende Bescheid erging erst knapp neun Monaten später und wurde dem im vorherigen Verfahren bevoll­mäch­tigten Rechtsanwalt des Versicherten zugesandt. Der Anwalt, der zwischen­zeitlich seine Gebühren in Rechnung gestellt hatte, leitete den Bescheid an seinen ehemaligen Mandanten ungeprüft weiter.

Versicherter hatte nur Anspruch auf eine kleinere Rente

Später erkannte die Renten­ver­si­cherung, dass dem Versicherten aufgrund des gleichzeitig gezahlten Arbeits­lo­sen­geldes und der geltenden Hinzu­ver­dienst­grenzen nur eine kleinere Rente zusteht. Sie nahm den rechtswidrigen Bescheid zurück, setzte für die Vergangenheit eine niedrigere Rente fest und forderte die bis dahin überzahlte Rente zurück. Dabei verwies sie darauf, dass der Versicherte sich nicht auf Vertrauensschutz berufen könne. Da die Hinzu­ver­dienst­grenzen aus dem Bescheid ersichtlich gewesen seien und ihm das Wissen seines Rechtsanwaltes anzurechnen sei, habe er die Rechts­wid­rigkeit des Bescheides erkennen können.

Gericht: Versicherter konnte die Rechts­wid­rigkeit des Renten­be­scheides nicht erkennen

Die Richter beider Instanzen gaben hingegen dem Kläger Recht. Dieser habe keineswegs grob fahrlässig die Rechts­wid­rigkeit des ersten Renten­be­scheides verkannt. Aufgrund der komplizierten Renten­be­rechnung und mangels Angabe der Hinzu­ver­dienst­grenze im strei­ter­heb­lichen Zeitraum sei für ihn die Fehler­haf­tigkeit des Bescheides nicht erkennbar gewesen. Hieran ändere auch ein etwaiges Verschulden seines Rechtsanwaltes nichts, da zum Zeitpunkt des Zugangs des ersten Renten­be­scheides die Prozess­vollmacht nicht mehr wirksam gewesen sei. Denn mit Erledigung des Rechtsstreites habe auch die Vertre­tungsmacht spätestens in dem Moment geendet, in dem vom Anwalt keine Tätigkeit mehr zu erwarten gewesen sei. Ein ausdrücklicher Widerruf der Vollmacht sei dann nicht erforderlich. Der Versicherte müsse sich daher das Wissen seines (ehemaligen) Prozess­be­voll­mäch­tigten nicht zurechnen lassen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 13/08 des LSG Hessen vom 29.04.2008

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