18.10.2024
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Hessisches Landessozialgericht Beschluss20.11.2014

Kein Anspruch auf Erwerbs­minderungs­rente nach Unfallfahrt ohne FahrerlaubnisBei Straftat keine Rente

Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung erwer­bs­ge­mindert sind, haben Anspruch auf Rente. Die Rente kann jedoch ganz oder teilweise versagt werden, wenn die Erwer­bs­min­derung durch eine Straftat des Versicherten verursacht wurde. Dies gilt auch bei einem Verkehrsunfall, wenn der Versicherte wegen Fahren ohne Fahrerlaubnis strafrechtlich verurteilt worden ist. Dies entschied das Hessische Landes­so­zi­al­gericht.

Im zugrunde liegenden Streitfall verursachte ein Mann ohne Führerschein mit 1,39 Promille einen Verkehrsunfall und wurde aufgrund der Verletzungen voll erwer­bs­ge­mindert. Das Amtsgericht verurteilte den 29-Jährigen aus dem Lahn-Dill-Kreis wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten auf Bewährung.

Renten­ver­si­cherung lehnt Antrag auf Erwer­bs­min­de­rungsrente ab

Die Rentenversicherung lehnt seinen Antrag auf Erwerbsminderungsrente ab, weil er sich grob selbst­ge­fährdend verhalten habe. Er habe alkoholisiert und ohne Fahrerlaubnis ein Kraftfahrzeug geführt und sich damit eigenmächtig über anerkannte Grundprinzipien der Versi­cher­ten­ge­mein­schaft hinweggesetzt. Wer bewusst gegen Strafgesetze verstoße, die den Eintritt eines Schaden­se­r­eig­nisses verhindern sollen, könne keine Versi­che­rungs­leis­tungen beanspruchen.

Versagen der Erwer­bs­min­derung infolge der Ausübung einer strafbaren Handlung gerechtfertigt

Die Richter des Hessischen Landes­so­zi­al­ge­richts und der Vorinstanz gaben der Renten­ver­si­cherung Recht. Die Rente könne versagt werden, wenn die Erwer­bs­min­derung infolge der Ausübung einer strafbaren Handlung eingetreten sei. Voraussetzung sei eine rechtskräftige straf­ge­richtliche Verurteilung für ein Verbrechen oder ein vorsätzliches Vergehen. Der Versicherte sei wegen vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden. Der bei dieser Tat eingetretene Unfall habe zur Erwer­bs­min­derung geführt. Der Mann sei auch nicht nur „bei Gelegenheit“ dieses Vergehens aufgrund eines fremd­ver­schuldeten Verkehrsunfalls ohne eigenes Zutun verletzt worden. Vielmehr, so betonten die Darmstädter Richter, habe sich genau jene Gefahr realisiert, wegen derer der Versicherte zuvor durch den - bereits wiederholten - Entzug der Fahrerlaubnis "aus dem Verkehr gezogen" werden sollte.

Renten­ver­si­cherung muss bei Versagen der Erwer­bs­min­de­rungsrente Gesamtumstände abwägen

Ob bei strafbaren Handlungen die Rente zu versagen ist, hängt von der Abwägung der Gesamtumstände ab. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Sozia­l­ver­si­che­rungsrecht einerseits keine strafrechtliche Funktion hat, andererseits strafbares Verhalten aber auch nicht leistungs­rechtlich "belohnt" werden soll. Neben der Schwere der Tat sind zudem Tathergang und die persönlichen und wirtschaft­lichen Verhältnisse des Versicherten zu beachten. Dies habe die Renten­ver­si­cherung bei ihrer Ermes­sen­s­ent­scheidung zutreffend berücksichtigt.

Hinweise zur Rechtslage

Erläuterungen

§ 43 Sozial­ge­setzbuch Sechstes Buch (SGB VI)

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regel­al­ters­grenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwer­bs­min­derung, wenn sie

1. teilweise erwer­bs­ge­mindert sind,

2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwer­bs­min­derung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und

3. vor Eintritt der Erwer­bs­min­derung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwer­bs­ge­mindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regel­al­ters­grenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwer­bs­min­derung, wenn sie

1. voll erwer­bs­ge­mindert sind,

2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwer­bs­min­derung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und

3. vor Eintritt der Erwer­bs­min­derung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Voll erwer­bs­ge­mindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. [...]

§ 104 SGB VI

(1) Renten wegen verminderter Erwer­bs­fä­higkeit, Altersrenten für schwer­be­hinderte Menschen oder große Witwenrenten oder große Witwerrenten können ganz oder teilweise versagt werden, wenn die Berechtigten sich die für die Rentenleistung erforderliche gesundheitliche Beein­träch­tigung bei einer Handlung zugezogen haben, die nach straf­ge­richt­lichem Urteil ein Verbrechen oder vorsätzliches Vergehen ist.

Dies gilt auch, wenn aus einem in der Person der Berechtigten liegenden Grunde ein straf­ge­richt­liches Urteil nicht ergeht. [...]

Quelle: Hessisches Landessozialgericht/ra-online

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