22.11.2024
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Sozialgericht Aachen Urteil09.02.2007

Erwer­bs­min­de­rungsrente vor dem 60. Lebensjahr nur mit Rente­n­ab­schlägenSozialgericht Aachen widerspricht dem Bundes­so­zi­al­gericht

Wer als noch nicht 60-Jähriger eine Erwer­bs­min­de­rungsrente aus der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung erhält, muss Rentenabschläge in Kauf nehmen. Das Sozialgericht Aachen bestätigte jetzt eine ausdrücklich im Widerspruch zu einem Urteil des Bundes­so­zi­al­ge­richts stehende Verwal­tung­s­praxis der Deutschen Renten­ver­si­cherung.

Das Bundes­so­zi­al­gericht hatte durch Urteil vom 16.05.2006 (B 4 RA 22/05 R) u.a. entschieden, dass es gesetz- und verfas­sungs­widrig sei, bei einem Recht auf Rente wegen Erwer­bs­min­derung, das bereits vor Vollendung des 60. Lebensjahres entstanden ist, auch für Bezugszeiten vor Vollendung des 60. Lebensjahres durch Bestimmung eines niedrigeren Zugangsfaktors (= "Rentenabschlag") einen Teil der vom Rentner für die Renten­ver­si­cherung erbrachten Vorleistung (insbesondere der gezahlten Beiträge) unbeachtet zu lassen.

Das Bundes­so­zi­al­gericht stellte fest, dass zwar auch Rentner, die bei Rentenbeginn "jünger als 60" sind, den Abschlägen unterliegen, dies aber nach dem Gesetz und dessen Entste­hungs­ge­schichte erst, wenn sie die Erwer­bs­min­de­rungsrente über das 60. Lebensjahr hinaus beziehen.

In dem vom Sozialgericht Aachen entschiedenen Fall ist der voll erwer­bs­ge­minderte Kläger 56 Jahre alt. Dennoch bewilligte die beklagte Deutsche Renten­ver­si­cherung Bund die dem Kläger zustehende Erwer­bs­min­de­rungsrente auch für die Zeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres nur mit einem Abschlag. Sie führte zur Begründung an, sie sei generell nicht bereit, dem oben genannten Urteil zu folgen, denn aus dem Gesetz und seiner Begründung werde klar erkennbar, dass auch Erwer­bs­min­de­rungs­renten, die vor dem 60. Lebensjahr in Anspruch genommen werden, diesem Abschlag unterliegen sollen. Die 8. Kammer des Sozialgerichts Aachen teilt diese Rechts­auf­fassung der Beklagten und hat die Klage auf abschlagsfreie (ungekürzte) Rentenzahlung abgewiesen. Die Entscheidung des Bundes­so­zi­al­ge­richts stehe im Widerspruch zur gesamten renten­recht­lichen Literatur und sei mit dem Gesetzestext nicht vereinbar.

Unzutreffend sei, dass die gesetzliche Regelung erworbene Rechts­po­si­tionen (z.B. durch Beitragszahlung) entwerte, denn in Erwer­bs­min­de­rungs­renten seien sog. Zurech­nungs­zeiten berücksichtigt, die den Beitragsausfall durch die Erwer­bs­min­derung teilweise kompensieren und gerade nicht auf Beitragszahlung beruhen. Deshalb sei der Gesetzgeber auch nicht – wie das Bundes­so­zi­al­gericht meine – von Verfassung wegen an der Einführung des streit­ge­gen­ständ­lichen Rentenabschlags gehindert gewesen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des SG Aachen vom 06.03.2007

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