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- Blasenkrebserkrankung eines Beschäftigten in der Gummiindustrie ist als Berufskrankheit anzuerkennenHessisches Landessozialgericht, Urteil19.06.2018, L 3 U 129/13
- Harnblasenkrebs eines Chemiefachwerkers ist als Berufskrankheit anzuerkennenHessisches Landessozialgericht, Urteil21.02.2017, L 3 U 9/13
- Blasenkrebs als Berufskrankheit auch bei nur geringer beruflicher Belastung mit aromatischen AminenSozialgericht Karlsruhe, Urteil20.02.2008, S 1 U 812/07
Hessisches Landessozialgericht Urteil02.04.2019
Blasenkrebserkrankung eines Kfz-Mechanikers ist als Berufskrankheit anzuerkennenGefahrstoff o-Toluidin mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich Blasenkrebserkrankung
Berufskrankheiten sind - ebenso wie Arbeitsunfälle - Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung. Hierzu zählt nach der BK Nr. 1301 auch ein Blasentumor durch aromatische Amine wie dem o-Toluidin. Was ein Kfz-Mechaniker diesem Gefahrstoff insbesondere vor dem Verbot bleihaltiger Ottokraftstoffe wegen der darin enthaltenen Azofarbstoffe in relevantem Umfang ausgesetzt, ist eine Blasenkrebserkrankung des Mechanikers als Berufskrankheit anzuerkennen. Dies entschied das Hessische Landessozialgericht.
Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein 1961 geborener Mann aus dem Hochtaunus-Kreis absolvierte ab 1977 eine Kfz-Mechaniker-Ausbildung und arbeitete anschließend als Kundendienstberater und Kfz-Mechaniker, später auch als Werkstattmeister. Im Alter von 38 Jahren wurde bei ihm ein Blasentumor diagnostiziert.
Der Präventionsdienst stellte fest, dass in den Jahren 1964 bis 1994 in Ottokraftstoffen (Normal und Super) Bleiverbindungen eingesetzt wurden, die regelmäßig zur Kennzeichnung den Farbstoff Sudan Rot enthielten. Hierbei handelt es sich um einen Azofarbstoff, aus welchem das aromatische Amin o-Toluidin freigesetzt werden kann.
Berufsgenossenschaft lehnt Anerkennung einer Berufskrankheit ab
Die Berufsgenossenschaft lehnte jedoch eine Anerkennung als Berufskrankheit wegen einer zu geringen Exposition ab. Ein Sachverständigengutachten habe ergeben, dass bei Kfz-Mechanikern keine Risikoverdopplung vorläge. Im gerichtlichen Verfahren wurde u.a. ein toxikologisches Gutachten eingeholt, wonach die Exposition des Kfz-Mechanikers gegenüber kanzerogenen Aminen mit hoher Wahrscheinlichkeit den Harnblasenkrebs verursacht habe.
Gefahrstoff o-Toluidin ist als gesichert beim Menschen krebserzeugender Arbeitsstoff einzustufen
Das Hessische Landessozialgericht verurteilte - unter Bezugnahme auf die aktuelle Rechtsprechung des Senats zur BK Nr. 1301 - die Berufsgenossenschaft zur Anerkennung einer Berufskrankheit. Es sei hinreichend wahrscheinlich, dass der Gefahrstoff o-Toluidin den Blasenkrebs des Kfz-Mechanikers verursacht habe. Der Gefahrstoff o-Toluidin gehöre zu den Stoffen, denen im Hinblick auf ihr kanzerogenes Potenzial die größte Bedeutung zugemessen werde. Nach Abschnitt III der MAK-Werte-Liste sei dieses Amin in die Kategorie 1 und damit als ein gesichert beim Menschen krebserzeugender Arbeitsstoff eingestuft. Dieser Gefahrstoff sei nach dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis daher generell geeignet, beim Menschen bösartige Neubildungen der Harnwege im Sinne der BK Nr. 1301 zu verursachen.
Auch wenn der Umfang der Gefahrstoff-Exposition des Kfz-Mechanikers nicht mehr genau festzustellen sei, sei in diesem Fall nicht von einer nur geringen Menge auszugehen. Insbesondere für die ersten Jahre der Tätigkeit des Kfz-Mechanikers sei von einer vergleichsweisen höheren Einwirkung auszugehen. Hierbei sei neben dem Kontakt zu Kraftstoffen auch die Exposition gegenüber Motorenöl wegen des besonders hohen Anteils an dem Farbstoff Sudan Rot zu berücksichtigen.
Risikoverdoppelung keine Voraussetzung für Anerkennung als Berufskrankheit
Ferner habe der Verordnungsgeber keinen Schwellenwert festgeschrieben und damit den Gefahrstoff auch niedrigschwellig als gefährlich eingestuft. Auch in der Wissenschaft gebe es keinen Konsens über eine Forderung nach einer Mindest- oder Schwellendosis. Entgegen der Auffassung der Berufsgenossenschaft sei daher eine Risikoverdoppelung nicht Voraussetzung für die Anerkennung der BK Nr. 1301.
Mittleres Erkrankungsalter bei Männern liegt bei 70 Jahren
Zudem erfülle der Kfz-Mechaniker auch weitere Kriterien, die für einen Zusammenhang der Krebserkrankung und der beruflichen Exposition gegenüber relevanten Gefahrstoffen sprechen würden. So sei er bereits im Alter von 38 Jahren erkrankt, während das mittlere Erkrankungsalter bei Männern 70 Jahre betrage. Auch entspreche die Latenzzeit von 22 Jahren der für beruflich bedingte Harnblasenkarzinome. Außerberufliche Ursachen seien ferner nicht festzustellen. Insbesondere habe der Kfz-Mechaniker nicht geraucht. Tabakkonsum - das wichtigste Risiko für Harnblasenkrebs - scheide damit als Ursache aus.
Hinweise zur Rechtslage
§ 7 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII)
(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.
§ 9 SGB VII
(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; [...]
§ 1 Berufskrankheiten-Verordnung (BKV)
Berufskrankheiten sind die in der Anlage 1 bezeichneten Krankheiten [...].
Anlage 1 zur BKV
Nr. 1301: Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine
MAK-Werte
Die MAK-Werte der Deutschen Forschungsgesellschaft sind die maximalen Arbeitsplatz-Konzentrationen, die angeben, welche maximal zulässige Menge eines Stoffes in der Luft am Arbeitsplatz langfristig keinen Gesundheitsschaden verursacht. Arbeitsstoffe, die sich beim Menschen als krebserzeugend erwiesen haben, werden in die Kategorie 1 eingestuft und erhalten keinen MAK-Wert.
Kategorie 1
Stoffe, die beim Menschen Krebs erzeugen und bei denen davon auszugehen ist, dass sie einen nennenswerten Beitrag zum Krebsrisiko leisten. Epidemiologische Untersuchungen geben hinreichende Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen einer Exposition bei Menschen und dem Auftreten von Krebs. Andernfalls können epidemiologische Daten durch Informationen zum Wirkungsmechanismus beim Menschen gestützt werden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 03.07.2019
Quelle: Hessisches Landessozialgericht/ra-online (pm/kg)
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