Hintergrund des Rechtsstreits um die Zahlung von Annahmeverzugslohn im Umfang von ca. 40.000,00 € war eine rechtsunwirksame Kündigung des Arbeitsgebers. Obwohl rechtskräftig feststeht, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch eine im Jahr 2005 ausgesprochene Kündigung beendet worden ist, beschäftigte der Arbeitgeber den Mitarbeiter seit Ende 2005 nicht mehr. In dem Verfahren ging es um die Zahlung der Vergütung für die Zeit ab März 2006. Ausweislich einer Eintragung im Gewerberegister hatte der Mitarbeiter seit September 2005 ein Gewerbe mit der Tätigkeit „Kiosk“ angemeldet. In seiner Zahlungsklage hat er ausgeführt, er sei jederzeit in der Lage und bereit gewesen, die Arbeit bei seinem Arbeitgeber wieder aufzunehmen. Dieser verlangte jedoch im Hinblick auf den unterhaltenen Gewerbebetrieb widerklagend Auskunft über die von dem Mitarbeiter anderweitig erzielten Einkünfte, die er sich im Rahmen des Annahmeverzugs anrechnen lassen müsse. Der Mitarbeiter behauptete zunächst lediglich, er habe in den Jahren 2006 und 2007 mit dem Betrieb des Kiosks keinen Gewinn erwirtschaftet. Er legte sodann betriebswirtschaftliche Auswertungen sowie die Steuerbescheide für 2006 und 2007 vor.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage auf Auskunftserteilung stattgegeben.
Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Mitarbeiters hatte Erfolg. Er habe Anspruch auf die eingeklagte Vergütung aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs nach § 615 BGB. Soweit der Arbeitgeber ihn im Hinblick auf seine gewerbliche Tätigkeit in einem Kiosk- und Imbissbetrieb als leistungsunwillig angesehen habe, sei dies unerheblich. Vielmehr sei der Arbeitnehmer sogar gemäß § 11 KSchG verpflichtet, zur Geringhaltung des Schadens anderweitige Arbeit anzunehmen. Wenn er dies in Form einer selbstständigen gewerblichen Tätigkeit unternehme, sei dies allein seine Sache. Er habe im Übrigen in allen Verfahren nie einen Zweifel daran gelassen, dass er einer Arbeitsaufforderung seines Arbeitgebers sofort nachgekommen wäre.
Die Forderung sei auch der Höhe nach begründet, als der Mitarbeiter sich das monatlich gezahlte Arbeitslosengeld habe anrechnen lassen. Diese Beträge habe er monatlich ausweislich des Bewilligungsbescheids erhalten. Der Arbeitgeber habe nicht substantiiert dargelegt, dass er höhere Leistungen der Bundesagentur für Arbeit bezogen habe.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts konnte sich der Arbeitgeber auch nicht mehr auf ein Zurückbehaltungsrecht im Hinblick auf eine unzureichende Auskunft des Mitarbeiters über seine anderweitigen Einkünfte berufen. Der Arbeitnehmer habe durch die Vorlage der Steuerbescheide über die gesonderte Feststellung von Steuergrundlagen für die Jahre 2006 und 2007 hinreichende Tatsachen vorgetragen, um die sich aus dem Gewerbebetrieb selbst ergebende Vermutung anderweitiger Einkünfte zu entkräften. Hierzu sei zwar die Vorlage der umkommentierten Summen- und Saldenlisten sowie der betriebswirtschaftlichen Auswertung im Parallelverfahren nicht ausreichend gewesen, denn danach konnte noch nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die darin eingestellten Zahlen auch von den Finanzbehörden bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens in jeder Hinsicht anerkannt werden.
Anderes gelte jedoch für die nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz vorgelegten Steuerbescheide über die gesonderte Feststellung von Steuergrundlagen. Aus ihnen folge vom Wortlaut her völlig eindeutig, dass der Einkommensteuerveranlagung des Mitarbeiter die festgestellten Besteuerungsgrundlagen für die Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb zugrunde gelegt worden sind, die mit ca. ./. 20.000,00 € in den Jahren 2006 und 2007 negativ gewesen seien.
Dem Mitarbeiter sei es danach nicht zuzumuten, weiteren Vortrag zu seinen Einkommensverhältnissen zu halten. Denn anders als bei einer Kapitalgesellschaft sei sein Vermögen als das eines Einzelgewerbetreibenden mit demjenigen des Einkommensteuerpflichtigen identisch. Daher komme es auf die in den Summen- und Saldenlisten vermerkten Privatentnahmen nicht an. Diese seien nicht einem Gesellschaftsvermögen entnommen und dem Privatvermögen des Mitarbeiters als anrechenbarer Verdienst zugeflossen. Vielmehr stünden ihnen ausweislich der Steuerbescheide Investitionen und Ausgaben in so erheblicher Höhe gegenüber, dass die Gesamteinkünfte des Mitarbeiters aus dem Gewerbebetrieb negativ seien und dies bei seiner Einkommensteuerberechnung entsprechend zugrunde gelegt worden sei.
Hieraus folge zugleich, dass die zulässige Widerklage des Arbeitgebers nunmehr unbegründet sei.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 22.07.2009
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 16/09 des Hessischen LAG vom 20.07.2009