18.10.2024
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Hessischer Verwaltungsgerichtshof Urteil07.07.2006

Jahrelang geduldete Ausländer haben keinen Rechtsanspruch auf AufenthaltVorraus­set­zungen für Erteilung einer Aufent­halt­s­er­laubnis nicht gegeben

Nach einem Urteil des Hessischen Verwal­tungs­ge­richtshofs haben Ausländer, die sich seit Jahren in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten und zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verpflichtet sind, nicht allein deshalb einen Anspruch auf eine Aufent­halt­s­er­laubnis, weil ihnen eine freiwillige Ausreise aufgrund der Dauer ihres Aufenthaltes und einer Integration in die hiesigen Lebens­ver­hältnisse aus ihrer Sicht nicht zumutbar ist.

Mit dieser Entscheidung wurde die Klage einer sechsköpfigen Familie aus dem Kosovo, deren Mitglieder die Erteilung von Aufent­halt­s­titeln für einen dauerhaften Verbleib im Bundesgebiet beantragt hatten, in zweiter Instanz abgewiesen. Nachdem zunächst sämtliche Asylanträge der im Jahr 1992 bzw. 1994 eingereisten Eltern und der damals zehn, acht und fünf Jahre alten Kinder unanfechtbar abgelehnt worden waren, blieb auch der Asylantrag des 1995 im Bundesgebiet geborenen vierten Kindes ohne Erfolg. Nach Abschluss der Asylverfahren hielt sich die Familie geduldet im Bundesgebiet auf, d. h. auf eine zwangsweise Durchsetzung der Ausrei­se­ver­pflichtung der Kläger im Wege einer Abschiebung nach Serbien bzw. in den Kosovo wurde von der Auslän­der­behörde verzichtet.

Neben und unabhängig von ihrer Anerkennung als Asylberechtigte beantragten die Kläger im Jahr 2001 die Erteilung von Aufent­halt­s­er­laub­nissen für einen dauerhaften Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland. Diese Anträge begründeten sie mit ihrer sozialen und wirtschaft­lichen Integration in die hiesigen Lebens­ver­hältnisse, die ihrer Auffassung nach zur Folge habe, dass sie aufgrund ihrer persönlichen, sozialen und wirtschaft­lichen Bindungen ein Privatleben nur noch im Bundesgebiet und nicht mehr in ihrem Heimatland führen könnten. Im November 2002 lehnte die Auslän­der­behörde die Anträge ab, weil der Lebensunterhalt der Familie ohne zusätzliche Sozia­l­hil­fe­leis­tungen nicht gesichert sei. Die dagegen erhobene Klage hatte vor dem Verwal­tungs­gericht Darmstadt zunächst teilweise Erfolg. Auf die Berufung der Auslän­der­behörde wurde das erstin­sta­nzliche Urteil vom Hessischen Verwal­tungs­ge­richtshof abgeändert und die Klage abgewiesen.

Seine ablehnende Entscheidung begründet der Verwal­tungs­ge­richtshof damit, dass die Voraussetzungen für die Erteilung von Aufent­halt­s­er­laub­nissen nicht erfüllt seien. Zwar könne eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschie­bungs­hin­dernis deshalb vorliege, weil die Abschiebung eines Ausländers rechtlich unmöglich sei. Ein solches rechtliches, von den Auslän­der­be­hörden zu beachtendes Abschie­bungs­hin­dernis könne jedoch nicht angenommen werden, weil einem Ausländer allein aufgrund der Dauer seines Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland und seiner Integration in die hier herrschenden Lebens­ver­hältnisse eine freiwillige Ausreise subjektiv, d. h. aus seiner Sicht nicht zumutbar sei. Es deute nichts auf eine Absicht des Gesetzgebers hin, den zahlreichen zur Ausreise verpflichteten Ausländern, die nicht abgeschoben, sondern langjährig im Bundesgebiet geduldet worden seien, mit dem seit 1. Januar 2005 geltenden Aufent­halts­gesetz nunmehr einen dauerhaften Aufent­halt­stitel erteilen zu wollen. Vielmehr sei auch nach dieser Geset­ze­s­än­derung eine Abschiebung u. a. nur dann rechtlich unmöglich, wenn sich eine solche Unmöglichkeit aufgrund vorrangigen Rechts, namentlich der Grundrechte des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland oder der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten ergeben könne. Dies sei bei den seit 13 bzw. 11 Jahren im Bundesgebiet lebenden Klägern jedoch nicht der Fall. Weder im Hinblick auf den langen Aufenthalt noch hinsichtlich der nicht abgeschlossenen Schul- und Berufs­aus­bil­dungen der Kinder sei ein unzulässiger Eingriff in die das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie den Schutz von Leben und Gesundheit garantierenden Grundrechte der Kläger erkennbar. Insbesondere seien die Kläger ihrem Heimatland nicht in einer Weise entfremdet, dass eine Reintegration nicht möglich erscheine.

(Auch ein Anspruch auf Erteilung von Aufent­halt­s­er­laub­nissen nach der "Bleibe­rechts­re­gelung für erwerbstätige Ausrei­se­pflichtige aus Bosnien-Herzegowina und der Bundesrepublik Jugoslawien" nach dem Erlass des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 12. Juni 2001 besteht nach der Entscheidung des Gerichts nicht, weil es an einer ausreichenden Sicherung des Lebens­un­terhalts durch eine legale Erwer­b­s­tä­tigkeit ohne zusätzliche Sozia­l­hil­fe­mittel zum insoweit maßgeblichen Stichtag 10. Mai 2001 gefehlt habe; die Familie sei nach wie vor auf ergänzende Sozia­l­hil­fe­leis­tungen angewiesen.)

Erläuterungen
Vorinstanz

Urteile des Verwal­tungs­ge­richts Darmstadt vom 21. Dezember 2005, AZ 8 G 2120/05 (2) und 4 E 2800/03 (1)

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 14/06 des VGH Hessen vom 10.07.2006

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