21.11.2024
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Dokument-Nr. 2557

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Hessischer Verwaltungsgerichtshof Kassel Beschluss22.06.2006

Einsatz von Ein-Euro-Jobbern mitbe­stim­mungs­pflichtigEin-Euro-Kräfte bei hessischen Verwal­tungs­be­hörden nur nach Zustimmung des Personalrats

Der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof in Kassel hat entschieden, dass der Einsatz sogenannte Ein-Euro-Kräfte bei den Verwal­tungs­be­hörden im Bundesland Hessen der Mitbestimmung des jeweiligen Personalrats unterliegt.

Seit dem 1. Januar 2005 können Empfänger von Arbeits­lo­sengeld II zu zusätzlichen, im öffentlichen Interesse liegenden Arbeiten gegen eine sog. Mehrauf­wand­s­ent­schä­digung herangezogen werden. Die Frage, ob der Einsatz dieser sog. Ein-Euro-Kräfte als "Einstellung" der Zustimmung des Personalrats der jeweiligen Dienststelle bedarf, ist in der verwal­tungs­ge­richt­lichen Rechtsprechung bundesweit heftig umstritten, nachdem das Bundes­ver­wal­tungs­gericht für den Einsatz von Sozia­l­hil­fe­emp­fängern zu gemeinnützigen Tätigkeiten in einem Beschluss aus dem Jahr 2000 entschieden hatte, dass zwar die Schaffung derartiger Einsatzbereiche in der Dienststelle der Mitbestimmung des jeweiligen Personalrats unterliegt, nicht aber die Heranziehung der einzelnen Hilfeempfänger durch das Sozialamt.

Im konkreten Fall hatte die Stadt Wetzlar Anfang des Jahres 2005 Arbeits­ge­le­gen­heiten für Empfänger von Arbeits­lo­sengeld II in Kinder­ta­gess­tätten, Jugendzentren, beim Garten- und Bauamt sowie für Hausmeis­ter­tä­tig­keiten mit einer Mehrauf­wand­s­ent­schä­digung von 1,30 €/Stunde eingerichtet und hierfür Arbeitslose eingesetzt, ohne die Zustimmung des örtlichen Personalrats einzuholen. Dagegen hatte sich der Personalrat vor dem Verwal­tungs­gericht erfolgreich gewehrt. Mit Beschluss vom September 2005 entschied das Verwal­tungs­gericht, die Beschäftigung von Ein-Euro-Kräften stelle eine mitbe­stim­mungs­pflichtige Einstellung dar und bedürfe der Zustimmung des Personalrats.

Die dagegen erhobene Beschwerde des Oberbür­ger­meisters der Stadt Wetzlar hat der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof als unbegründet zurückgewiesen.

In der Begründung seiner Entscheidung stellt der Fachsenat für Perso­na­l­ver­tre­tungs­sachen beim Hessischen Verwal­tungs­ge­richtshof klar, dass die Rechtsprechung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts aus dem Jahr 2000 zur Mitbestimmung bei der Beschäftigung von Sozia­l­hil­fe­emp­fängern nach dem Perso­na­l­ver­tre­tungsrecht des Landes Schleswig-Holstein auf die nach dem hessischen Perso­na­l­ver­tre­tungsrecht (und nach den entsprechenden Regelungen im Bundes­per­so­na­l­ver­tre­tungs­gesetz und anderer Landesgesetze) zu beantwortende Frage nicht übertragbar sei, ob der Einsatz von Ein-Euro-Kräften als eine "Einstellung" in die Dienststelle der Zustimmung des Personalrats bedarf.

Diese Frage hat der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof anders als das Oberver­wal­tungs­gericht Rheinland-Pfalz bejaht, weil die Ein-Euro-Kräfte in die Arbeits­or­ga­ni­sation der Dienststelle tatsächlich eingegliedert würden und dort Aufgaben der Dienststelle erfüllten sowie dabei deren Weisungsrecht unterlägen. Aus diesem Grund sei auch auf den vorrangigen Zweck der perso­na­l­ver­tre­tungs­recht­lichen Mitbestimmung abzustellen, nämlich die Interessen der bisher in der Dienststelle regulär beschäftigten Mitarbeiter zu schützen, etwa vor Verschlech­te­rungen ihrer Arbeits­be­din­gungen durch zusätzliche Beauf­sich­tigungs-, Anleitungs- oder Koordi­nie­rungs­aufgaben, vor einer Entziehung von Arbeitsfeldern, der Zuweisung neuer Tätig­keits­be­reiche oder vor Umsetzungen in der Dienststelle bis hin zum Verlust von Arbeitsplätzen. Dies sei bei einem Einsatz von Ein-Euro-Kräften nicht anders zu beurteilen als bei einem Einsatz von Leiha­r­beit­nehmern, ABM-Kräften, Zivil­dienst­leis­tenden oder DRK-Kranken­schwestern aufgrund von Gestel­lungs­ver­trägen, für die in der Rechtsprechung ebenfalls eine mitbe­stim­mungs­pflichtige Einstellung weitgehend bejaht werde.

Gegenstand des perso­na­l­ver­tre­tungs­recht­lichen Zustim­mungs­er­for­der­nisses bei einem Einsatz von Ein-Euro-Kräften seien die Auswirkungen eines solchen Einsatzes auf die Dienststelle, nicht aber die Heranziehung der Empfänger von Arbeits­lo­sengeld II durch die Arbeits­ver­waltung als solche.

Vgl. zum Thema auch OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 17.05.2006: Besetzung von Ein-Euro-Jobs nicht mitbe­stim­mungs­pflichtig

Siehe nachfolgend:

Mitbestimmung des Personalrats bei „Ein-Euro-Jobs" (Bundes­ver­wal­tungs­gericht, v. 21.03.2007 - BVerwG 6 P 4.06, BVerwG 6 P 8.06 -)

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 12/06 des VGH Kassel vom 22.06.2006

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