18.10.2024
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Gericht der Europäischen Union Urteil10.09.2015

H&M verliert Rechtstreit um Handtaschen gegen Yves Saint LaurentStreit­gegen­ständliche Taschen unterscheiden sich deutlich in Form, Struktur und Ober­flächen­gestaltung

Das Gericht der Europäischen Union hat die vom Textil­handels­unter­nehmen H&M erhobenen Klagen gegen die Eintragung zweier Geschmacks­muster einer Handtasche von Yves Saint Laurent abgewiesen.

Nach der Verordnung über das Gemein­schafts­ge­schmacks­muster* hat ein eingetragenes Geschmacksmuster Eigenart, wenn sich der Gesamteindruck, den es beim informierten Benutzer** hervorruft, von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes Geschmacks­muster, das der Öffentlichkeit vor dem Tag der Anmeldung zur Eintragung zugänglich gemacht worden ist, bei diesem Benutzer hervorruft. Die Eigenart eines Geschmacks­musters beurteilt sich unter Berück­sich­tigung des Grads der Gestal­tungs­freiheit des Entwerfers bei seiner Entwicklung.

HABM lässt Eintragung des Geschmacks­musters von YSL zu

Im Jahr 2006 ließ das Harmo­ni­sie­rungsamt für den Binnenmarkt (HABM) zwei zur Anwendung auf Handtaschen bestimmte Geschmacks­muster der französischen Gesellschaft Yves Saint Laurent (YSL) zur Eintragung zu.

H&M beantragt Erklärung der Nichtigkeit des eingetragenen Geschmacks­musters

Im Jahr 2009 reichte die Gesellschaft H&M Hennes & Mauritz beim HABM zwei Anträge auf Erklärung der Nichtigkeit der für YSL eingetragenen Geschmacks­muster ein und führte zur Begründung aus, dass diese keine Eigenart aufwiesen. H&M stützte ihren Antrag auf ein eigenes, ältere Geschmacks­muster.

Unterschiede in Bezug auf Form, Struktur und Gestaltung der Oberfläche spielen entscheidende Rolle beim Gesamteindruck der Taschen

Da ihre Nichtig­keits­anträge abgelehnt wurden, legte H&M beim HABM zwei Beschwerden ein, die mit Entscheidungen vom 8. Juli 2013 zurückgewiesen wurden. Im Rahmen der Prüfung der Eigenart der Geschmacks­muster von YSL gelangte das HABM zu der Einschätzung, dass die Geschmacks­muster von YSL und H&M zwar gemeinsame Merkmale hätten, die Unterschiede in Bezug auf Form, Struktur und Gestaltung der Oberfläche aber eine entscheidende Rolle bei dem von diesen Taschen hervorgerufenen Gesamteindruck spielten. Der Grad der Gestal­tungs­freiheit des Entwerfers sei hoch, in diesem Fall beseitige er aber aus Sicht der informierten Benutzerin nicht die erheblichen Unterschiede zwischen den fraglichen Taschen. H&M beantragte daraufhin beim Gericht der Europäischen Union, die Entscheidungen des HABM aufzuheben.

Klage von H&M vor dem EuG erfolglos

Mit seinen Urteilen wies das Gericht der Europäischen Union die Klagen von H&M ab. Entgegen der Auffassung von H&M ist die Beurteilung des Grads der Gestal­tungs­freiheit des Entwerfers keine abstrakte Vorstufe des Vergleichs zwischen den Gesam­tein­drücken, die die fraglichen Geschmacks­muster hervorrufen. Die Eigenart eines Geschmacks­musters bestimmt sich nicht allein nach dem Faktor der Gestal­tungs­freiheit. Dieser ist vielmehr ein Gesichtspunkt, der zu berücksichtigen ist, da er es erlaubt, diese Beurteilung zu nuancieren.

EuG: Unterschiede zwischen in Rede stehenden Geschmacks­mustern sind erheblich

Hinsichtlich des Vergleichs zwischen den von den fraglichen Taschen hervorgerufenen Gesam­tein­drücken weist das Gericht darauf hin, dass sich der Entscheidung des HABM zufolge die Taschen von YSL durch drei Merkmale, die sich entscheidend auf ihr Gesam­t­er­schei­nungsbild auswirkten, von der Tasche von H&M unterscheiden, nämlich ihre Form, ihre Struktur und ihre Oberflä­chen­ge­staltung. Das Gericht bestätigt die Beurteilung durch das HABM, wonach die Geschmacks­muster von YSL somit bei der informierten Benutzerin einen anderen Gesamteindruck hervorrufen als das von H&M. Die Unterschiede zwischen den in Rede stehenden Geschmacks­mustern sind erheblich*** und die Ähnlich­kei­ten**** zwischen ihnen sind für den Gesamteindruck, den sie hervorrufen, unwesentlich. Bei den Geschmacks­mustern von YSL wird der Eindruck eines durch Grundlinien und eine Einfachheit der Form gekenn­zeichneten Musters einer Tasche hervorgerufen, während das Geschmacks­muster von H&M den Eindruck einer detaillierter gearbeiteten Tasche hervorruft, die durch Rundungen und eine mit Ornamenten verzierte Oberfläche gekennzeichnet ist. Die Riemen und der Griff der Geschmacks­muster der beiden Marken dienen offenkundig unter­schied­lichen Verwendungen, da die Geschmacks­muster von YSL ausschließlich in der Hand zu tragende Taschen darstellen, während das von H&M eine über der Schulter zu tragende Tasche darstellt.

Erläuterungen
*Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 (ABl. 2002, L 3, S. 1).

** Ein informierter Benutzer ist ein Benutzer, dem eine besondere Wachsamkeit eigen ist, sei es wegen seiner persönlichen Erfahrung oder seiner umfangreichen Kenntnisse in dem betreffenden Bereich. Er kennt verschiedene Geschmacks­muster, die es in dem betroffenen Wirtschafts­bereich gibt, besitzt gewisse Kenntnisse in Bezug auf die Elemente, die diese Geschmacks­muster für gewöhnlich aufweisen, und benutzt diese Produkte aufgrund seines Interesses an ihnen mit vergleichsweise großer Aufmerksamkeit.

***Insbesondere hat das HABM in seinen Entscheidungen vom 8. Juli 2013 festgestellt, dass die Gestalt der Geschmacks­muster von YSL erkennbar rechteckig sei, was ihnen den Eindruck eines vergleichsweise eckigen Gegenstands verleihe. Dagegen sei der Umriss des Geschmacks­musters von H&M durch Rundungen geprägt. Ferner seien die Geschmacks­muster von YSL aus einem einzigen Stück Leder gearbeitet, während die Vorder- und die Rückseite des Geschmacks­musters von H&M durch Nähte in drei Teile geteilt seien. Schließlich sei die Oberfläche der Geschmacks­muster von YSL (mit Ausnahme zweier Nahtansätze in den unteren Ecken) völlig glatt gestaltet, während die Oberfläche des Geschmacks­musters von H&M mit deutlichen und plastisch hervorgehobenen Verzierungen versehen sei.

**** Die gemeinsamen Merkmale der Geschmacks­muster für eine Tasche sind ihre obere Umrisslinie und der Griff in Form eines oder mehrerer Riemen, die mit einem durch Nieten verstärkten System von Ringen an der Tasche befestigt sind. In seinen Entscheidungen vom 8. Juli 2013 hat das HABM u. a. darauf hingewiesen, dass die Art und Weise, in der diese Ringe in die fraglichen Taschen eingearbeitet seien, sehr unterschiedlich sei, da die Ringe bei den Geschmacks­mustern von YSL, anders als bei dem von H&M, deutlich sichtbar seien und das Licht durchließen, ein Detail, das für die informierte Benutzerin klar erkennbar sei.

Quelle: Gericht der Europäischen Union/ra-online

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