18.10.2024
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Gericht der Europäischen Union Urteil12.06.2014

Intel zur Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 1,06 Mrd. Euro wegen Missbrauchs markt­be­herr­schender Stellung verurteiltVon Intel gewährte Exklusivrabatte nachweislich zur Markt­ver­drängung des einzig ernsthaften Wettbewerbers geeignet

Das Gericht der Europäischen Union hat die gegen den Mikro­prozessor­hersteller Intel verhängte Geldbuße in Höhe von 1,06 Mrd. Euro bestätigt. Intel hatte in den Jahren 2002 bis 2007 seine beherrschende Stellung auf dem Markt der x86-Prozessoren missbräuchlich ausgenutzt. Die Klage des Unternehmens gegen die Entscheidung der Kommission wies das Gericht in vollem Umfang ab.

Mit Entscheidung vom 13. Mai 2009 verhängte die Kommission gegen den amerikanischen Mikro­pro­zes­sor­her­steller Intel eine Geldbuße in Höhe von 1,06 Mrd. Euro, weil dieses Unternehmen seine beherrschende Stellung auf dem Markt der x86*-Prozessoren** unter Verletzung der Wettbe­wer­bs­regeln der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) missbräuchlich ausgenutzt habe. Die Kommission gab Intel zudem auf, die Zuwiderhandlung, falls nicht bereits geschehen, sofort abzustellen.

Unternehmen setzt Strategie zum Marktausschluss des einzigen ernsthaften Wettbewerbers um

Intel habe seine beherrschende Stellung auf dem Weltmarkt für x86-Prozessoren von Oktober 2002 bis 2007 missbräuchlich ausgenutzt, indem das Unternehmen eine Strategie zum Marktausschluss des einzigen ernsthaften Wettbewerbers, der Advanced Micro Devices, Inc. (AMD)***, umgesetzt habe.

Marktanteil des Unternehmens betrug mindestens 70 %

Intel habe eine beherrschende Stellung innegehabt, weil der Marktanteil des Unternehmens mindestens 70 % betragen habe und es für die Wettbewerber wegen der Nichta­mor­ti­sier­barkeit der Investitionen in Forschung und Entwicklung, gewerblichen Rechtsschutz und Produk­ti­o­ns­anlagen äußerst schwierig gewesen sei, in den Markt einzutreten und sich dort zu behaupten. Aufgrund seiner starken beherrschenden Stellung habe an Intel als Lieferant von x86-Prozessoren kein Weg vorbeigeführt. Die Kunden seien gezwungen gewesen, einen Teil ihres Bedarfs dort zu decken.

Die missbräuchliche Ausnutzung der beherrschenden Stellung**** sei durch mehrere Maßnahmen gekennzeichnet gewesen, die Intel gegenüber seinen Kunden (Compu­ter­her­stellern) und dem europäischen Elektronik-Einzel­han­dels­un­ter­nehmen Media-Saturn-Holding getroffen habe.

Wettbe­wer­bs­widriges Verhalten von Intel minderte Wahlmöglichkeit der Verbraucher und Anreize für Innovationen

Intel habe vier führenden Compu­ter­her­stellern (Dell, Lenovo, HP und NEC) Rabatte gewährt, die an die Bedingung geknüpft gewesen seien, dass sie alle oder nahezu alle x86-Prozessoren bei Intel kauften. Ebenso habe Intel Zahlungen an Media-Saturn geleistet, die an die Bedingung geknüpft gewesen seien, dass Media-Saturn nur Computer mit x86-Prozessoren von Intel verkaufe. Diese Rabatte und Zahlungen hätten die Treue dieser vier Hersteller und von Media-Saturn sichergestellt und dadurch die Fähigkeit der Wettbewerber von Intel, einen auf den Vorzügen ihrer x86-Prozessoren basierenden Wettbewerb zu führen, erheblich verringert. Das wettbe­wer­bs­widrige Verhalten von Intel habe mithin dazu beigetragen, die Wahlmöglichkeit der Verbraucher und die Anreize für Innovationen zu mindern.

Ferner habe Intel an drei Compu­ter­her­steller (HP, Acer und Lenovo) Zahlungen geleistet, die an die Bedingung geknüpft gewesen seien, Produkte mit AMD-Prozessoren später oder gar nicht auf den Markt zu bringen und/oder den Vertrieb solcher Produkte zu beschränken.

Kommission verhängt Geldbuße wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbe­wer­bs­regeln

Die Kommission setzte die gegen Intel verhängte Geldbuße anhand der Leitlinien von 2006 auf 1,06 Mrd. Euro fest. Es handelt sich um die höchste Geldbuße, die von der Kommission jemals gegen ein einziges Unternehmen wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbe­wer­bs­regeln verhängt wurde.

Intel klagt auf Nichti­g­er­klärung der Kommis­si­ons­ent­scheidung

Intel hat beim Gericht Klage erhoben, mit der sie die Nichti­g­er­klärung der Entscheidung der Kommission, zumindest aber eine erhebliche Herabsetzung der Geldbuße begehrt.

EuG weist Klage ab

Mit seinem Urteil hat das Gericht der Europäischen Union die Klage abgewiesen und bestätigte damit die Entscheidung der Kommission.

Gewährte Exklu­si­vi­täts­rabatte mit dem Ziel eines unverfälschten Wettbewerbs auf dem Gemeinsamen Markt unvereinbar

Das Gericht stellt insbesondere fest, dass es sich bei den Dell, HP, NEC und Lenovo gewährten Rabatten um Exklu­si­vi­täts­rabatte handelt. Solche Rabatte sind, wenn sie von einem Unternehmen in beherrschender Stellung gewährt werden, mit dem Ziel eines unverfälschten Wettbewerbs auf dem Gemeinsamen Markt unvereinbar. Von Ausnahmefällen abgesehen, beruhen sie nämlich nicht auf einer wirtschaft­lichen Leistung, die einen solchen finanziellen Vorteil rechtfertigt, sondern zielen darauf ab, dem Abnehmer die freie Wahl seiner Bezugsquellen unmöglich zu machen oder zu erschweren und anderen Herstellern den Zugang zum Markt zu verwehren. Gibt es für sie keine objektive Rechtfertigung, stellen sie eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung dar. Von einem Unternehmen in beherrschender Stellung gewährte Exklu­si­vi­täts­rabatte sind bereits ihrer Art nach geeignet, den Wettbewerb zu beschränken und die Wettbewerber aus dem Markt zu drängen. Es braucht daher nicht anhand der Umstände jedes Einzelfalls nachgewiesen zu werden, dass sie geeignet waren, den Wettbewerb zu beschränken.

Das Gericht weist insoweit darauf hin, dass ein Wettbewerber, um ein attraktives Angebot zu unterbreiten, einem Kunden von Intel nicht nur attraktive Konditionen für die Waren anbieten muss, die er selbst liefern kann. Er muss auch das mit der Belieferung durch ihn verbundene Risiko des Kunden kompensieren, den Exklu­si­vi­täts­rabatt zu verlieren. Will der Wettbewerber ein attraktives Angebot unterbreiten, muss er also den Rabatt, den Intel für den gesamten oder nahezu gesamten Bedarf des Kunden gewährt (einschließlich des Bedarfs, den nur Intel als Lieferant, an dem kein Weg vorbeiführt, decken kann), allein auf den Teil umlegen, den er dem Kunden anbieten kann.

Gewährte Exklu­si­vi­täts­rabatte sind grundsätzlich zur Beschränkung des Wettbewerb geeignet

Da Exklu­si­vi­täts­rabatte, die ein Unternehmen in beherrschender Stellung gewährt, bereits ihrer Art nach geeignet sind, den Wettbewerb zu beschränken, war die Kommission – entgegen der Ansicht von Intel – nicht zu einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls verpflichtet, um nachzuweisen, dass die Rabatte konkret oder potentiell dazu führten, die Wettbewerber aus dem Markt zu drängen.

Kommission war nicht zur Prüfung der Umstände des Einzelfalls verpflichtet, um Nachweis über Verdrängung von AMD durch Intel-Rabatte zu erbringen

Das Gericht führt in diesem Zusammenhang aus, dass nicht mittels des so genannten „as efficient competitor test“ geprüft zu werden braucht, ob die Kommission die Geeignetheit der Rabatte, einen ebenso effizienten Wettbewerber wie Intel zu verdrängen, richtig beurteilt hat. Mittels eines solchen Tests soll der Preis ermittelt werden, zu dem ein ebenso effizienter Wettbewerber wie das Unternehmen in markt­be­herr­schender Stellung seine Produkte hätte anbieten müssen, um den Kunden für den Verlust des vom Unternehmen in beherrschender Stellung gewährten Rabatts zu entschädigen. Da die von einem Unternehmen in beherrschender Stellung gewährten Exklu­si­vi­täts­rabatte bereits ihrer Art nach geeignet sind, den Wettbewerb zu beschränken, war die Kommission nicht verpflichtet, im Rahmen einer Prüfung der Umstände des Einzelfalls nachzuweisen, dass die von Intel gewährten Rabatte geeignet waren, AMD aus dem Markt zu drängen. Dass der Wettbewerber seine Kosten trotz der gewährten Rabatte noch decken konnte, schließt eine Verdrän­gungs­wirkung im Übrigen nicht aus. Der Mechanismus der Exklu­si­vi­täts­rabatte ist nämlich geeignet, den Zugang zum Markt für die Wettbewerber des Unternehmens in beherrschender Stellung zu erschweren, auch wenn der Zugang wirtschaftlich nicht unmöglich ist.

Zahlungen an Media-Saturn ebenfalls wettbe­wer­bs­widrig

Zu den Zahlungen an Media-Saturn stellt das Gericht fest, dass es sich um denselben wettbe­wer­bs­widrigen Mechanismus handelt wie bei den Verhal­tens­weisen gegenüber den Compu­ter­her­stellern, jedoch in einem späteren Stadium der Lieferkette. Die Kommission war daher nicht verpflichtet, anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob diese Zahlungen den Wettbewerb beschränken konnten. Sie musste lediglich nachweisen, dass Intel einen unter der Bedingung der Exklusivität stehenden finanziellen Anreiz gewährt hatte.

Selbst wenn eine Verpflichtung der Kommission zu bejahen wäre, konkret nachzuweisen, dass die Exklu­si­vi­täts­rabatte bzw. Zahlungen, die Dell, HP, NEC, Lenovo und Media-Saturn erhielten, geeignet waren, den Wettbewerb zu beschränken, wäre die Kommission dieser Verpflichtung nach Ansicht des Gerichts im Rahmen ihrer Prüfung der Umstände des Einzelfalls rechtlich hinreichend nachgekommen.

Zahlungen an HP, Acer und Lenovo sollten offensichtlich Schädigung des Wettbewerbers bewirken

Zu den Zahlungen an HP, Acer und Lenovo, damit diese Unternehmen bestimmte Produkte mit AMD-Prozessoren später, gar nicht oder mit Einschränkungen auf den Markt brachten, stellt das Gericht fest, dass sie geeignet waren, den Zugang von AMD zum Markt zu erschweren. Es stellt ferner fest, dass Intel ein wettbe­wer­bs­widriges Ziel verfolgte. Verhindert ein Unternehmen in beherrschender Stellung gezielt, dass Waren, die mit einem Produkt eines bestimmten Wettbewerbers ausgestattet sind, auf den Markt gebracht werden, kann sein Interesse nur in der Schädigung des Wettbewerbers bestehen. Solche Verhal­tens­weisen, die von der Kommission als „ausschließlich auf Wettbe­wer­bs­be­schrän­kungen gerichtete Maßnahmen“ bezeichnet werden, sind einem Leistungs­wett­bewerb fremd und stellen eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung dar.

Gericht bejaht örtlich zuständig der Kommission für Ahndung

Zu der Frage, ob die Kommission für die Ahndung des wettbe­wer­bs­widrigen Verhaltens von Intel völkerrechtlich örtlich zuständig war, stellt das Gericht fest, dass sich eine solche Zuständigkeit sowohl daraus ergeben kann, dass das wettbe­wer­bs­widrige Verhalten in der Union durchgeführt wurde, als auch daraus, dass es sich dort auswirkte. Das Intel in der Entscheidung der Kommission zur Last gelegte Verhalten war geeignet, zu wesentlichen, unmittelbaren und vorhersehbaren Auswirkungen im EWR zu führen. Die Kommission war somit für seine Ahndung zuständig.

Existenz beanstandeter Exklu­si­vi­täts­rabatte von Kommission rechtlich ausreichend nachgewiesen

Das Gericht stellt ferner fest, dass die Kommission die Existenz der in ihrer Entscheidung beanstandeten Exklu­si­vi­täts­rabatte und ausschließlich auf Wettbe­wer­bs­be­schrän­kungen gerichteten Maßnahmen rechtlich hinreichend nachgewiesen hat. Es weist das gegen die entsprechenden Feststellungen der Kommission gerichtete Vorbringen von Intel zurück. Im Übrigen hat die Kommission nach Auffassung des Gerichts rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass Intel versuchte, den wettbe­wer­bs­widrigen Charakter seiner Verhal­tens­weisen zu verschleiern, und eine langfristige Gesamtstrategie verfolgte, um AMD den Zugang zu den strategisch wichtigsten Verkaufskanälen zu verwehren.

Verhängte Geldbuße nicht unver­hält­nismäßig

Schließlich ist das Gericht der Ansicht, dass keines der von Intel vorgebrachten Argumente den Schluss zulässt, dass die verhängte Geldbuße unver­hält­nismäßig wäre. Sie steht vielmehr in angemessenem Verhältnis zu den Umständen des konkreten Falls. Das Gericht weist insbesondere darauf hin, dass die Kommission den anhand der Schwere der Zuwiderhandlung ermittelten Anteil am Umsatz auf 5 % festgelegt hat, was im unteren Bereich der bis zu 30 % reichenden Bandbreite liegt. Außerdem entspricht die Geldbuße 4,15 % des Jahresumsatzes von Intel, was weit unter der Obergrenze von 10 % liegt.

Erläuterungen
* Die in Computern verwendeten Mikro­pro­zessoren lassen sich in zwei Kategorien einteilen: x86-Prozessoren und auf einer anderen Architektur basierende Prozessoren. Die x86-Architektur ist ein von Intel für seine Mikro­pro­zessoren entwickelter Standard. Sie ist mit den Betrie­bs­systemen Windows und Linux kompatibel. Windows ist primär mit x86-Befehlssätzen verknüpft.

** Der Prozessor ist eine wesentliche Komponente jedes Computers, sowohl hinsichtlich der allgemeinen Systemleistung als auch in Bezug auf die Gesamtkosten des Geräts. Er wird oft als „Gehirn“ des Computers bezeichnet. Für die Herstellung von Prozessoren werden kostspielige Anlagen der Spitzen­tech­nologie benötigt.

*** Vor 2000 gab es mehrere Hersteller von x86-Prozessoren. Die meisten von ihnen sind jedoch vom Markt verschwunden.

**** Nach Auffassung der Kommission handelt es sich um eine einzige und fortdauernde Zuwiderhandlung.

Quelle: Gericht der Europäischen Union/ra-online

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