21.11.2024
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Finanzgericht Münster Beschluss27.10.2011

FG Münster äußert ernstliche Zweifel an Steuerpflicht von Erstat­tungs­zinsenGericht moniert Verzicht auf umfassende gesetz­ge­be­rische Neuregelung zur steuerlichen Behandlung von Erstattungs- und Nachzah­lungs­zinsen seitens des Gesetzgebers

Das Finanzgericht Münster hat ernstliche Zweifel an der durch das Jahressteu­er­gesetz 2010 rückwirkend angeordneten Besteuerung von Zinsen, die der Fiskus auf Steue­r­er­stat­tungen zahlt (so genannte Erstat­tungs­zinsen), geäußert.

Im zugrunde liegenden Streitfall hatte die Antragstellerin im Jahr 2008 Erstat­tungs­zinsen (§ 233 a AO) für die Jahre 2001 bis 2003 erhalten. Der Antragsgegner besteuerte die Zinsen nach Maßgabe des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG in der Fassung des Jahressteu­er­ge­setzes 2010 vom 8. Dezember 2010 als Einkünfte aus Kapitalvermögen. Die durch das Jahressteu­er­gesetz geänderte Fassung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sei gemäß § 52 a Abs. 8 Satz 2 EStG auf alle Fälle anwendbar, in denen die Steuer – wie im Streitfall – noch nicht rechtskräftig festgesetzt sei.

Antrags­stellerin verlangt Aussetzung der Vollziehung der streitigen Steuer für Erstat­tungs­zinsen

Die Antragstellerin sah dies anders und beantragte beim Finanzgericht, die Vollziehung der streitigen Steuer für die Erstat­tungs­zinsen auszusetzen, da die durch das Jahressteu­er­gesetz angeordnete Rückwirkung der Neuregelung nicht im Einklang mit dem Grundgesetz stehe.

Finanzgericht beanstandet fehlende systematischen Klarstellung, Ergänzung oder Änderung weiterer Vorschriften nach Aufhebung der Gleich­be­handlung von Erstattungs- und Nachzah­lungs­zinsen

Das Finanzgericht Münster gab der Antragstellerin Recht. Das Gericht stellte - im Rahmen einer im Ausset­zungs­ver­fahren gebotenen summarischen Prüfung - nicht nur in Frage, ob die Regelung des § 52 a Abs. 8 Satz 2 EStG gegen das aus dem Rechts­s­taats­prinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Rückwir­kungs­verbot verstoße. Er monierte zudem, dass der Gesetzgeber auf eine umfassende gesetz­ge­be­rische Neuregelung zur steuerlichen Behandlung von Erstattungs- und Nachzah­lungs­zinsen verzichtet habe. Zwar sei der Gesetzgeber befugt, grundlegende Systemwechsel herbeizuführen. Allerdings bedürfe es hierfür eines „wirklich neuen Regelwerkes“ mit einem Mindestmaß von Ansätzen neuer Prinzipien- oder Syste­mo­ri­en­tierung. Hebe der Gesetzgeber durch die im Jahressteu­er­gesetz geregelte isolierte Begründung der Steuerpflicht für Erstat­tungs­zinsen die nach der bis dahin geltenden gesetz­ge­be­rischen Grund­ent­scheidung möglicherweise gebotene Gleich­be­handlung von Erstattungs- und Nachzah­lungs­zinsen auf, so bedürfe es hierfür wohl einer systematischen Klarstellung, Ergänzung oder Änderung weiterer Vorschriften. Unklar sei insbesondere, welche Bedeutung der Regelung des § 12 Nr. 3 EStG, die (weiterhin) die Nicht­ab­zugs­fä­higkeit von Nachzah­lungs­zinsen festschreibe, im Hinblick auf das Leistungs­fä­higkeits-, das Netto- und das Veran­las­sungs­prinzip zukommen solle.

Quelle: Finanzgericht Münster/ra-online

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