23.11.2024
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Finanzgericht Münster Urteil22.07.2021

Abzinsungssatz von 5,5 % für unverzinsliche Darl­ehens­verbind­lich­keiten ist verfas­sungsgemäßZinssatzhöhe nach § 238 AO nicht auf Abzinsungssatz nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG übertragbar

Das Finanzgericht Münster hat entschieden, dass gegen den Abzinsungssatz von 5,5 % für unverzinsliche Darl­ehens­verbind­lich­keiten für das Jahr 2016 keine verfassungs­rechtlichen Bedenken bestehen.

Der Kläger betreibt einen Autohandel. In seiner auf den Schluss des Streitjahres 2016 erstellten Bilanz wies er zwei Darlehensverbindlichkeiten, die bereits seit ca. 20 Jahren bestanden, zum Nennwert aus. Im Rahmen einer Betriebsprüfung gelangte das Finanzamt zu der Erkenntnis, dass es sich hierbei um unverzinsliche Darlehen mit unbestimmter Laufzeit handele, die nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG mit einem Rechnungs­zinsfuß von 5,5 % abzuzinsen und entsprechend niedriger zu bewerten seien. Den Differenzbetrag erfasste es gewinnerhöhend. Hiergegen wandte der Kläger ein, dass der Zinssatz von 5,5 % wegen der seit mehreren Jahren andauernden Nullzinsphase verfas­sungs­widrig sei.

Abzinsung bewirkt lediglich temporäre Gewinn­ver­schiebung

Das FG Münster hat die Klage abgewiesen. Die verfas­sungs­recht­lichen Bedenken des Klägers im Hinblick auf den Zinssatz hat das Gericht nicht geteilt. Das Gebot der Abzinsung von Verbind­lich­keiten beruhe auf der sachgerechten typisierenden Vorstellung, dass eine erst in der Zukunft zu erfüllende Verpflichtung den Schuldner weniger belaste als eine sofortige Leistungs­pflicht. Dieser Minderaufwand werde kapitalisiert und als Ertrag vorweggenommen, während gegenläufig aufgrund der sich stetig verkürzenden Restlaufzeit ein Aufzin­sungs­aufwand entstehe, bis der Rückzah­lungs­zeitpunkt erreicht sei. Die Abzinsung bewirke daher im Ergebnis lediglich eine temporäre Gewinn­ver­schiebung. Eine solche temporäre Gewinn­ver­schiebung sei verfas­sungs­rechtlich am Maßstab der Willkür­kon­trolle zu beurteilen.

Rechnungs­zinssatz von 5,5 % nicht willkürlich

Für das Streitjahr 2016 sei der Rechnungs­zinssatz von 5,5 % nicht verfas­sungs­rechtlich willkürlich gewählt worden. In diesem Jahr habe der Fremd­ka­pi­tal­ma­rkt­zinssatz in unter­schied­lichen Konstellationen noch 2,45 % bis 3,71 % betragen. Darüber hinaus seien im Einzelfall vorliegende weitere Faktoren wie Bonität des Schuldners und fehlende Besicherung des Darlehens einzubeziehen.

Zinssatzhöhe nicht auf Abzinsungssatz übertragbar

Die bestehenden verfas­sungs­recht­lichen Bedenken gegen die Zinssatzhöhe nach § 238 AO seien nicht auf den Abzinsungssatz nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG übertragbar, weil dieser nicht den Nutzungsvorteil für die Überlassung von Kapital abschöpfen solle, sondern eine interne Rechengröße für die Bewertung einer unverzinslichen Verbindlichkeit darstelle. Schließlich ließe sich die Abzinsung durch entsprechende Gestaltungen vermeiden, etwa durch "Kettendarlehen", die für weniger als zwölf Monate gewährt und immer wieder verlängert werden oder durch Vereinbarung eines Zinssatzes knapp über  %.

Quelle: Finanzgericht Münster, ra-online (pm/ab)

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