21.11.2024
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Finanzgericht Münster Urteil28.04.2023

Anscheinsbeweis spricht bei Allein­gesellschafter-Geschäftsführer trotz Nutzungsverbots für PrivatnutzungPrivate Nutzung des Fahrzeugs führt zu einer verdeckten Gewin­n­aus­schüttung

Das Finanzgericht Münster hat entschieden, dass bei einem Allein­gesellschafter-Geschäftsführer selbst dann ein zu einer verdeckten Gewin­n­aus­schüttung führender Anscheinsbeweis für die Privatnutzung eines von der GmbH überlassenen PKW vorliegen kann, wenn im Anstel­lungs­vertrag ein Privat­nutzungs­verbot vereinbart wurde. Die verdeckte Gewin­n­aus­schüttung ist auf Ebene der Gesellschaft jedoch nicht nach der 1 %-Regelung, sondern nach Fremd­vergleichs­grundsätzen zu bewerten.

Die Klägerin ist eine GmbH. Im Anstel­lungs­vertrag vereinbarte sie mit ihrem alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer einen Anspruch auf die Gestellung eines PKW der gehobenen Mittelklasse, den er aber nicht privat nutzen dürfe. Tatsächlich stellte die GmbH ihrem Geschäftsführer im Streitjahr 2016 hintereinander zwei solcher Fahrzeuge zur Verfügung. In dessen Privatvermögen befand sich zunächst ebenfalls ein Mittel­klas­se­fahrzeug, das im Laufe des Streitjahres durch ein auf dessen Ehefrau angemeldetes anderes Mittel­klas­se­fahrzeug ersetzt wurde. Die GmbH machte für das von ihr neu angeschaffte Fahrzeug eine Sonder­ab­schreibung nach § 7 g Abs. 5 und 6 EStG geltend. Eine private Nutzung der beiden betrieblichen Fahrzeuge erfasste sie nicht.

FA setzt Verdeckte Gewin­n­aus­schüttung für Privatnutzung an

Das Finanzamt setzte für das neu angeschaffte Fahrzeug im Hinblick auf die Privatnutzung durch den Geschäftsführer eine verdeckte Gewin­n­aus­schüttung an, die sie nach der 1 %-Regelung mit 4.000 € berechnete. Da keine (fast) ausschließlich betriebliche Nutzung dieses Fahrzeugs vorliege, erkannte das Finanzamt die Sonder­ab­schreibung nach § 7 g EStG nicht an. Zur Begründung ihrer nach erfolglosem Einspruchs­ver­fahren erhobenen Klage führte die Klägerin aus, dass ihr Geschäftsführer das Fahrzeug nicht privat genutzt habe. Hierzu legte sie eine weitere Vereinbarung vor, wonach der Geschäftsführer verpflichtet sei, das Fahrzeug nach Geschäfts­schluss auf dem Firmengelände abzustellen. Eine "Dienst­wa­gen­be­steuerung" komme nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer tatsächlich einen Dienstwagen zur Nutzung überlasse. Der Anscheinsbeweis könne eine Überlassung nach der Rechtsprechung des Bundes­fi­nanzhofs selbst dann nicht ersetzen, wenn das Nutzungsverbot nicht überwacht werde.

Anscheinsbeweis spricht für Privatnutzung

Das FG hat die Klage abgewiesen. Im Streitfall spreche der Anscheinsbeweis für eine private Nutzung des Fahrzeugs, welche zu einer verdeckten Gewin­n­aus­schüttung führe. Der Senat ist insoweit der Rechtsprechung des Bundes­fi­nanzhofs gefolgt. Danach spreche die allgemeine Lebenserfahrung dafür, dass ein einem Gesellschafter-Geschäftsführer von der Gesellschaft zur Nutzung überlassenes betriebliches Fahrzeug auch privat genutzt werde. Dies gelte auch bei einem Privat­nut­zungs­verbot, wenn keine organi­sa­to­rischen Maßnahmen getroffen würden, die eine private Nutzung ausschließen. Der Rechtsprechung des für Lohnsteu­er­fragen zuständigen VI. Senats des Bundes­fi­nanzhofs, wonach keine zu Arbeitslohn führende Privatnutzung eines Fahrzeugs anzunehmen sei, wenn diese vertraglich untersagt sei, ist das Finanzgericht Münster nicht gefolgt. Für den Anscheinsbeweis spreche, dass ein Privat­nut­zungs­verbot wegen des fehlenden Inter­es­sen­ge­gen­satzes keine gesell­schafts­recht­lichen oder arbeits­recht­lichen Konsequenzen nach sich ziehe. Es könne daher nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass der Geschäftsführer sich tatsächlich an das Verbot halte.

Anscheinsbeweis nicht entkräftet

Die Klägerin habe den Anscheinsbeweis nicht entkräftet. Sie habe es versäumt, Beweisvorsorge etwa durch Führung eines Fahrtenbuches oder sonstige Aufzeichnungen zu treffen. Die im Privatvermögen zeitlich hintereinander gehaltenen Fahrzeuge seien aufgrund der geringeren Motorisierung und des niedrigeren Wertes in Status und Nutzungswert nicht mit den betrieblichen Fahrzeugen vergleichbar. Zudem habe auch die Ehefrau des Geschäfts­führers die Privatfahrzeuge - etwa für Einkaufsfahrten - genutzt. Zur tatsächlichen Durchführung der Vereinbarung, wonach das betriebliche Fahrzeug nach Geschäfts­schluss auf dem Firmengelände abzustellen sei, habe die Klägerin keine Belege vorgelegt. Da der aufgrund des Anscheins­be­weises anzunehmenden Privatnutzung keine Überlas­sungs­ver­ein­barung zugrunde lag, führe diese nicht zu Arbeitslohn, sondern zu einer verdeckten Gewin­n­aus­schüttung. Diese sei allerdings - entgegen der Auffassung des Finanzamts - nicht anhand der 1 %-Regelung zu bewerten, da dieser lohnsteu­er­rechtliche Wert (§ 8 Abs. 2 Satz 2 EStG) für die Bewertung einer verdeckten Gewin­n­aus­schüttung nicht gelte. Der Wert sei vielmehr nach Fremd­ver­gleichs­maß­stäben zu schätzen. Bei der Berechnung hat der Senat einen Gewinnaufschlag von 5 % auf die Fahrzeugkosten vorgenommen und die Privatnutzung mit 50 % angesetzt. Da der danach ermittelte gemeine Wert (netto) von 4.771 € die vom Finanzamt angesetzten 4.000 € überschreite, greife das Verbö­se­rungs­verbot, sodass es beim bisherigen Ansatz bleibe. Vor diesem Hintergrund könne offenbleiben, ob noch Umsatz­steu­er­beträge hinzuzurechnen seien.

Keine Sonder­ab­schreibung nach § 7 g EStG

Der Senat hat ebenfalls die Sonder­ab­schreibung nach § 7 g EStG für das neu angeschaffte Fahrzeug versagt, da dieses nicht zu mindestens 90 % betrieblich genutzt worden sei. Die Klägerin habe ihrem Geschäftsführer das Fahrzeug gerade nicht betrieblich im Rahmen des Anstel­lungs­vertrags überlassen, sondern im Rahmen einer verdeckten Gewin­n­aus­schüttung. Dies stelle keine betriebliche Nutzung im Sinne von § 7 g EStG dar. Die vom Senat zugelassene Revision ist beim Bundesfinanzhof unter dem Az. I R 33/23 anhängig.

Quelle: Finanzgericht Münster, ra-online (pm/ab)

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