18.10.2024
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Finanzgericht Köln Beschluss09.05.2007

Versagung des Kindergelds für Ausländer ohne Aufent­halts­be­rech­tigung verfas­sungs­widrigFinanzgericht Köln legt Bundes­ver­fas­sungs­gericht Klageverfahren zur Entscheidung vor

Die rückwirkende Neuregelung der Kinder­geld­be­rech­tigung für ausländische Staats­an­ge­hörige durch Gesetz vom 13.12.2006 ist verfas­sungs­widrig, soweit sie auslän­der­rechtlich nur geduldete Personen betrifft. Zu diesem Ergebnis kam das Finanzgericht Köln.

Dieses setzte deshalb ein entsprechendes Klageverfahren aus und legte es dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht in Karlsruhe zur Entscheidung vor. Mit der Klage beanspruchte eine Bürgerin der Elfenbeinküste, die seit 1999 in Deutschland lebt, für die Zeit ab April 2003 Kindergeld für ihren minderjährigen Sohn. Nach dem Scheitern ihrer Ehe mit einem Deutschen wurde die Klägerin im November 2002 ausgewiesen. Die Auswei­sungs­ver­fügung wurde lediglich aus humanitären Gründen nicht vollzogen (Duldung).

Die Voraussetzungen, unter denen Kindergeld für Ausländer gewährt wird, mussten aufgrund einer Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts aus dem Jahr 2004 bis zum 1. 1.2006 geändert werden. Falls diese Frist nicht eingehalten wird, sollte nach der Vorgabe des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts das bis Ende 1993 geltende Recht zur Anwendung kommen. Danach hatten u. U. auch lediglich geduldete Ausländer ab einem Aufenthalt von einem Jahr einen Anspruch auf Kindergeld. Der Gesetzgeber hat den Auftrag des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts erst mit Gesetz vom 13.12.2006 umgesetzt. Das Gesetz ist rückwirkend am 1. 1. 2006 in Kraft getreten und soll zudem auch für frühere Jahre gelten, soweit das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist. Auch nach der Neuregelung steht Ausländern mit bloßem Duldungsstatus wie in dem vom Bundes­ver­fas­sungs­gericht beanstandeten Gesetz kein Kindergeld zu. Ein Anspruch kann allerdings bei einer humanitären Aufent­halt­s­er­laubnis u.a. bestehen, wenn sich der Ausländer seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält und hier rechtmäßig erwerbstätig ist. Der 10. Senat hält auch diese Regelung nicht mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes für vereinbar. Der Gesetzgeber vernachlässige weiterhin, dass es eine große Anzahl von Ausländern gebe, die bereits seit vielen Jahren geduldet im Bundesgebiet lebten. Für diese Gruppe stelle der Ausschluss vom Kindergeld im Hinblick auf den verfas­sungs­rechtlich gewährleisteten Schutz von Ehe und Familie eine nicht zu rechtfertigende Benachteiligung dar.

Die Vorlage an das Bundes­ver­fas­sungs­gericht betrifft allerdings nur die Jahre ab 2005. Der Senat hat für die Jahre 2003 und 2004 das Verfahren abgetrennt und einen Kinder­geldan­spruch der Klägerin unmittelbar bejaht. Er lehnte eine rückwirkende Anwendung der Neuregelung insoweit ab. Weil der Gesetzgeber bis zum 1.1. 2006 kein entsprechendes Gesetz verabschiedet habe, ergebe sich nach Auffassung des 10. Senats aus der Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts für die Jahre vor 2005 unmittelbar und zwingend, dass ausländische Eltern kinder­geld­be­rechtigt seien, wenn sie auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden könnten und sich seit mindestens 1 Jahr ununterbrochen in Deutschland aufhielten.

Der Bundesfinanzhof in München hatte in einer kürzlich veröf­fent­lichten Entscheidung vom 15.3.2007 (III R 93/03) keine Bedenken gegen die Verfas­sungs­mä­ßigkeit der rückwirkenden Neuregelung. Er hat unter Anwendung dieser Vorschriften einen Kinder­geldan­spruch eines „geduldeten“ Ausländers für die Jahre 1997 bis 1999 verneint. Der 10. Senat des Finanzgerichts Köln hat aufgrund dieser Abweichung gegen das Urteil für die Jahre 2003 und 2004 die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des FG Köln vom 06.06.2007

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