18.10.2024
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Urteil21.10.2020Hessisches Finanzgericht4 K 1644/18
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Hessisches Finanzgericht Urteil21.10.2020

Gestaltungs­missbrauch: Beteiligungs- und Darle­hens­ge­schäfte innerhalb eines Konzerns zur Umgehung der Besteuerung von Veräußerungs­gewinnen aus dem Verkauf mehrerer Flugzeuge nach Ablauf der LeasingdauerHessisches Finanzgericht zum Körperschafts­steuergesetz

Gegenläufige, einem Gesamtplan folgende Beteiligungs- und Darle­hens­ge­schäfte, die nur dazu dienen, einen steuerlichen Verlust zu kreieren, um die Besteuerung von Veräußerungs­gewinnen (hier: aus dem Verkauf von Flugzeugen nach Ablauf der Leasingdauer) zu umgehen und die sich bei einer Gesamt­be­trachtung in ihrem wirtschaft­lichen Ergebnis ausgleichen (sog. wirtschaft­liches Nullsummenspiel), sind als Gestaltungs­missbrauch zu qualifizieren. Dies hat das Hessische Finanzgericht entschieden.

Geklagt hatte eine zu einem Bankkonzern gehörende Kapital­ge­sell­schaft, welcher das Finanzamt die Berück­sich­tigung eines Verlustes aus der Veräußerung von Wandelanleihen versagt hatte. Den Verlust erklärte die Klägerin, da sie den gleichhohen Gewinn aus dem Verkauf von Anteilen an einer konzerneigenen Gesellschaft als steuerfrei nach § 8 b Abs. 2 Satz 1 des Körper­schaft­steu­er­ge­setzes (KStG) ansah. Den so erklärten Verlust hatte die Klägerin genutzt, um den bei ihr angefallenen Veräu­ße­rungs­gewinn in beträchtlicher Höhe aus dem Verkauf eines Flugzeugs steuerlich auszugleichen.

Wirtschaft­liches Nullsummenspiel

In dem gewählten Gestal­tungs­modell sollten durch gegenläufige wechselseitige Darlehens- und Wande­l­an­lei­he­ge­schäfte innerhalb des Konzerns, die sich im wirtschaft­lichen Ergebnis gegenseitig neutralisierten (wirtschaft­liches Nullsummenspiel), zum einen Betrie­bs­ausgaben durch einen Verlust aus dem Verkauf von Wandelanleihen und zum anderen ein gleichhoher nach § 8 b Abs. 2 KStG steuerfreier Gewinn aus Betei­li­gungs­ver­käufen generiert werden. Die Betrie­bs­ausgaben nutzte die Klägerin, um Veräußerungsgewinne aus dem Verkauf gebrauchter Flugzeuge in Millionenhöhe nach Ablauf der Leasingdauer auszugleichen und damit deren Besteuerung zu umgehen. Zuvor hatte die Klägerin zur Verhinderung der Besteuerung der zu erwartenden Veräu­ße­rungs­gewinne aus dem Verkauf der Flugzeuge bei der Leasing­ge­sell­schaft durch gesell­schafts­rechtliche Gestaltungen über einzelne Unter­ge­sell­schaften die Flugzeuge ohne Aufdeckung der stillen Reserven von der Leasing­ge­sell­schaft übernommen. Für die Übernahme ihrer zu erwartenden Steuerlast aus den Flugzeug­ver­käufen hatte die Leasing­ge­sell­schaft ein Entgelt entrichtet.

Verlust waren nicht steuermindernd zu berücksichtigen

Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen. Er hat die Gestaltung zur Umgehung der Besteuerung der Veräu­ße­rungs­gewinne aus den Flugzeug­ver­käufen steuerlich nicht anerkannt. Zum einen hat er in seiner rechtlichen Beurteilung den Verlust aus dem Verkauf der Wandelanleihen nicht steuermindernd bei der Gewin­n­er­mittlung der Gesellschaft berücksichtigt, sondern wegen eines vorrangigen Veran­las­sungs­zu­sam­menhangs zwischen den Darlehens- und den Wande­l­an­lei­he­ge­schäften als Veräu­ße­rungs­kosten nach § 8 b Abs. 2 S. 2 KStG mit den steuerfreien Gewinnen aus den Betei­li­gungs­ver­käufen verrechnet.

Gestal­tungs­miss­brauch bei gezielter Erwirkung von steuerlichem Verlust

Zum anderen hat der Senat das Urteil damit begründet, dass vorliegend eine als Gestaltungsmissbrauch nach § 42 der Abgabenordnung (AO) zu beurteilende unangemessene Gestaltung vorgelegen habe. Dies sei der Fall, wenn - wie im Streitfall - gegenläufige Geschäfte abgeschlossen würden, die ausgehend von einem vorherigen Gesamtplan nur dazu dienten, einen steuerlichen Verlust zu erwirken, sich in ihren wirtschaft­lichen und finanziellen Auswirkungen jedoch neutralisierten und somit lediglich als formale Maßnahmen darstellten (sog. wirtschaft­liches Nullsummenspiel). Ausgehend vom Leistungs­fä­hig­keits­prinzip setze die steuerliche Berück­sich­tigung von Betrie­bs­ausgaben nach den gesetz­ge­be­rischen Wertungen voraus, dass für das Unternehmen durch betrieblich veranlasste Maßnahmen eine wirtschaftliche Belastung eingetreten sei. Bei Vorliegen eines Gesamtplans müssten die diesem unterliegenden Geschäfte konzer­n­über­greifend zusammenfassend beurteilt werden.

Quelle: Hessisches Finanzgericht, ra-online (pm/aw)

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