21.11.2024
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Sie sehen einen Gerichtshammer, der auf verschiedenen Geldscheinen liegt.

Dokument-Nr. 33709

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Finanzgericht Hamburg Urteil09.11.2023

Rückforderung von angerechneter Kapita­l­er­trag­steuer im „Cum/Ex-Verfahren“ ist rechtmäßigKlage im "Cum/Ex-Verfahren" abgewiesen

Bereits im November 2023 hatte das Finanzgericht Hamburg die Klage in einem sog. „Cum/Ex-Verfahren“ abgewiesen. Inzwischen liegt die Begründung der Entscheidung vor.

Eine Bank, die Organ­ge­sell­schaft der Klägerin war, führte in den Streitjahren 2007 bis 2009 außerbörsliche Aktiengeschäfte rund um den Dividen­den­stichtag durch. Herangetragen an die Bank wurden die maßgeblichen Aktiengeschäfte von zwei Rechtsanwälten. Die entsprechenden Aktienpakete wurden von Anlageberatern, die nicht zur Bank gehörten, zusam­men­ge­stellt. In den Streitjahren erwarb und veräußerte die Bank im Rahmen dieser Aktiengeschäfte jeweils mehrere Millionen an Aktien inländischer Unternehmen. Sie erzielte dadurch Kapitalerträge im mehrstelligen Milli­o­nen­bereich. Diese wurden der Klägerin als Organträgerin der Bank steuerlich zugerechnet. Das beklagte Finanzamt rechnete ursprünglich mit den Körper­schaft­steu­er­be­scheiden für die Streitjahre aufgrund der Aktiengeschäfte Kapita­l­er­trag­steuern und Solida­ri­täts­zu­schlag im zweistelligen Milli­o­nen­bereich auf die Steuerlast an. Im April 2020 änderte das Finanzamt die Körper­schaft­steu­er­fest­set­zungen und nahm die Anrechnungen zurück. Es begehrte nunmehr die Erstattung der angerechneten Beträge nebst Zinsen. Kurz vorher, im März 2020, waren zwei der Anlageberater wegen Steuer­hin­ter­ziehung und Beihilfe zur Steuer­hin­ter­ziehung zugunsten der Bank im Zusammenhang mit den streit­ge­gen­ständ­lichen Aktien­ge­schäften verurteilt worden. Das Urteil wurde später rechtskräftig. Ein führender Mitarbeiter der Bank und einer der Rechtsanwälte, die die Geschäfte an die Bank herangetragen hatten, wurden ebenfalls rechtskräftig wegen Steuer­hin­ter­ziehung zugunsten der Bank verurteilt Die Klägerin legte erfolglos gegen die Änderungs- und Rücknah­me­be­scheide des Finanzamtes Einspruch ein. Im anschließenden Klageverfahren vor dem FG Hamburg machte sie im Kern geltend, dass die Urteils­fest­stel­lungen in den Strafverfahren nicht verwertet werden dürften, weil sie unter schweren Mängeln litten. Die Verant­wort­lichen der Bank hätten keinen Vorsatz hinsichtlich einer Steuer­hin­ter­ziehung gehabt. Auch wenn die Kapita­l­er­trag­steuer auf die streit­ge­gen­ständ­lichen Dividen­de­n­erträge nicht erhoben und abgeführt worden sei, lägen die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Anrechnungen nicht vor. Zudem habe das Finanzamt sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt und die Frist für die Rücknahme sei abgelaufen gewesen. Ferner hätten die Rücknah­me­be­scheide wegen eingetretener Zahlungs­ver­jährung nicht erlassen werden dürfen.

Änderung der Bescheide aufgrund neuer Tatsachen zulässig

Das FG ist den Argumenten der Klägerin nicht gefolgt: Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Das Finanzamt habe die Körper­schaft­steu­er­be­scheide ändern und die Anrech­nungs­ver­fü­gungen zurücknehmen dürfen. Die Körper­schaft­steu­er­be­scheide hätten formell und materiell geändert werden dürfen. Die Festset­zungsfrist sei in allen Streitjahren nicht abgelaufen gewesen, weil sie wegen einer Steuer­hin­ter­ziehung zugunsten der Bank jeweils 10 Jahre betragen habe (§ 169 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung - AO -). Das Gericht mache sich insoweit die Feststellungen in den rechtskräftigen Urteilen gegen den Rechtsanwalt und gegen die beiden Anlageberater zu eigen. Diese Feststellungen seien von der Klägerin nicht angegriffen worden, sodass insoweit keine eigene Beweisaufnahme des Finanzgerichts erforderlich sei. Die Bescheide hätten auf der Grundlage von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO (für 2007) und § 164 Abs. 2 Satz 1 AO (für 2008 und 2009) geändert werden dürfen. Es hätten neue Tatsachen vorgelegen: Es sei erst nachträglich bekanntgeworden, dass die angerechnete Kapita­l­er­trag­steuer und der Solida­ri­täts­zu­schlag nicht erhoben worden seien. Die Bank habe sich selbst insoweit inhaltlich unzutreffende Steuer­be­schei­ni­gungen ausgestellt, deren Beweiskraft erschüttert sei.

Auch Rücknahme der Anrech­nungs­ver­fü­gungen wegen arglistige Täuschungen gerechtfertigt

Auch die Rücknahme der Anrech­nungs­ver­fü­gungen sei zu Recht erfolgt. Es lägen mit § 130 Abs. 2 Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 4 AO drei Rücknah­me­tat­be­stände vor. Die Anrechnungen seien unter anderem durch arglistige Täuschungen des rechtskräftig verurteilten Rechtsanwalts und der ebenso verurteilten Anlageberater erwirkt worden (§ 130 Abs. 2 Nr. 2 AO). Diese Täuschungen seien der Klägerin im Rahmen der Ermes­sen­s­ent­scheidung des Finanzamtes zu Recht zugerechnet worden. Das Finanzamt sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Verant­wort­lichen der Bank jedenfalls grob fahrlässig gehandelt hätten und die Unrichtigkeit der selbst ausgestellten Steuer­be­schei­ni­gungen hätten erkennen müssen. Die Jahresfrist für die Rücknahme der ursprünglichen Anrech­nungs­ver­fü­gungen (§ 130 Abs. 3 Satz 1 AO) sei – soweit es auf sie ankam – jeweils eingehalten worden und es liege auch keine Zahlungs­ver­jährung vor. Letztere habe mit jeder zwischen­zeit­lichen Änderung der Körper­schaft­steu­er­fest­set­zungen neu zu laufen begonnen. Auch die Änderungen der jeweiligen Zinsfest­set­zungen seien rechtmäßig. Sie seien eine gesetzliche Folge der Rücknahmen der Anrech­nungs­ver­fü­gungen (§ 233 a Abs. 5 Satz 1 AO). Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

Quelle: Finanzgericht Hamburg, ra-online (pm/ab)

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