21.11.2024
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Urteil19.12.2012Finanzgericht Hamburg5 K 302/09
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Finanzgericht Hamburg Urteil19.12.2012

Finanzgericht Hamburg zum Vorsteuerabzug bei so genannter unregelmäßiger Einfuhrum­satz­steuerAuch Zollla­ge­r­inhaber kann zum Vorsteuerabzug von Einfuhrum­satz­steuer berechtigt sein

In Abkehr von der seit jeher in Deutschland geübten Praxis hat das Finanzgericht Hamburg entschieden, dass eine "Einfuhr für das Unternehmen" i.S.v. § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG nicht voraussetzt, dass der den Abzug der Einfuhrum­satz­steuer als Vorsteuer begehrende Unternehmer im Zeitpunkt der Einfuhr die Verfügungsmacht über den eingeführten Gegenstand innehat. Auch die gegenüber dem Inhaber eines Zolllagers nach Art. 203, 204 ZK i.V.m. § 21 Abs. 2 UStG wegen zollrechtlicher Pflicht­ver­let­zungen festgesetzte so genannte unregelmäßige Einfuhrum­satz­steuer kann bei diesem als Vorsteuer abzugsfähig sein.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Falls betrieb in den Streitjahren u.a. ein Zolllager Typ C. Neben der Lagerung der Waren übernahm sie für ihren Hauptkunden auch die zollrechtliche Abwicklung. Auftraggeber des Hauptkunden waren überwiegend Unternehmen aus Osteuropa, die die Waren in der Regel an Abnehmer aus osteuropäischen Staaten weiter­ver­kauften. An das Zollla­ger­ver­fahren schloss sich jeweils ein Versand­ver­fahren bzw. Verfahren Carnet TIR an. Die Zollanmeldungen erfolgten mittels eines Zolldeklaranten und nicht im Namen und für Rechnung der Klägerin. Eigentum an den von ihr eingelagerten Waren erlangte die Klägerin nicht.

Hauptzollamt erlässt verschiedene Einfuhr­ab­ga­ben­be­scheide zur Festsetzung von Einfuhrum­satz­steuer

Bei einer Prüfung stellte der Zoll Unregel­mä­ßig­keiten fest. Wegen Entziehung von einfuhr­ab­ga­be­pflichtigen Waren aus der zollamtlichen Überwachung i.S.v. Art. 203 Abs. 1 ZK und Verletzung von Pflichten aus der Inanspruchnahme des Zollla­ger­ver­fahrens i.S.v. Art. 204 Abs. 1 Buchst. a ZK erließ das Hauptzollamt verschiedene Einfuhr­ab­ga­ben­be­scheide, mit denen es u.a. Einfuhrum­satz­steuer festsetzte. Die Bescheide ergingen (ausschließlich) an die Klägerin als Schuldnerin der Einfuhrabgaben. Klagen gegen die Einfuhr­ab­ga­ben­be­scheide sind zum Teil noch anhängig. Einfuhrum­satz­steuer entrichtete die Klägerin bislang nur in rechtskräftig durch Urteile festgesetzter Höhe. Mit ihrer Umsatz­steu­e­r­er­klärung und ihrer Klage machte die Klägerin die festgesetzte Einfuhrum­satz­steuer als Vorsteuer geltend, deren Anerkennung der Beklagte verwehrte.

Recht zum Vorsteuerabzug setzt nicht Entrichtung der Einfuhrum­satz­steuer voraus

Das Finanzgericht Hamburg stellt in seinem Urteil zunächst fest, dass das Recht zum Vorsteuerabzug entgegen dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG nicht voraussetze, dass die Einfuhrum­satz­steuer entrichtet ist. Hinreichend sei, dass sie festgesetzt worden sei, wobei das Gericht ausdrücklich offen lässt, ob die Einfuhrum­satz­steuer tatsächlich entstanden ist. Soweit § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG die Entrichtung der Einfuhrum­satz­steuer voraussetze, stehe die Vorschrift nicht im Einklang mit Art. 168 Buchst. e und Art. 178 Buchst. e MwStSystRL und sei daher insoweit nicht anwendbar.

Entstehung der Einfuhrum­satz­steuer wird nicht durch Lieferung der Gegenstände, sondern durch deren Einfuhr ausgelöst

In Abweichung von Abschn. 15.8 Abs. 4 UStAE und von der bisherigen, nach Ansicht des Gerichts überholten Rechtsprechung kommt er zu dem Ergebnis, bei richt­li­ni­en­kon­former Anwendung und Auslegung von § 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG könne auch ein Zollla­ge­r­inhaber zum Vorsteuerabzug von Einfuhrum­satz­steuer berechtigt sein. Das Gericht stellt heraus, dass die Entstehung der Einfuhrum­satz­steuer - anders als für Umsatzsteuer nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG - nicht durch eine Lieferung der Gegenstände, sondern durch deren Einfuhr ausgelöst werde, nämlich der Verbringung eines Gegenstandes in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr eines Mitgliedstaats der Union. Dieser Vorgang sei unabhängig von der eigen­tü­mer­ähn­lichen Verfügungsmacht, wie eine Lieferung sie voraussetze, und von einem entsprechenden Herrschafts­willen des Handelnden. Weil die Gegenstände, für deren Einfuhr die hier streitige Mehrwertsteuer geschuldet werde, für das Unternehmen bzw. für Zwecke der besteuerten Umsätze der Klägerin verwendet worden seien - ohne die eingeführten Gegenstände hätte sie keine Lagerleistungen erbringen können -, gebiete der Grundsatz der steuerlichen Neutralität der Mehrwertsteuer auch bei ihr die Abzugsfähigkeit.

Quelle: Finanzgericht Hamburg/ra-online

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