24.11.2024
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Finanzgericht Hamburg Urteil24.09.2012

Zivil­pro­zess­kosten nicht ohne weiteres als außer­ge­wöhnliche Belastungen einkom­men­steu­erlich absetzbarFG Hamburg weicht von der seit 2011 geänderten Rechtsprechung des BFH zu Grundsätzen der Abzugsfähigkeit ab

Das Finanzgericht Hamburg hat entschieden, dass Kosten für einen Zivilprozess nicht ohne weiteres als außer­ge­wöhnliche Belastungen einkom­men­steu­erlich zu berücksichtigen sind. Nach Ansicht des Gerichts entstehen Prozesskosten dieser Art nicht zwangsläufig und lassen keinen Zusammenhang mit dem notwendigen Lebensbedarf erkennen.

Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls hatte 1993 die Gesell­schafts­anteile an einer in der ehemaligen DDR enteigneten Komman­dit­ge­sell­schaft erworben und sich Rücküber­tra­gungs­ansprüche abtreten lassen. Allerdings waren die Vermö­gens­ge­gen­stände der Gesellschaft bereits 1991 vom damaligen Betreiber veräußert worden. Seine Zivilklage gegen die Bundesanstalt für verei­ni­gungs­be­dingte Sonderaufgaben (BvS) auf Zahlung des Veräu­ße­rungs­erlöses und einer Entschädigung blieb erfolglos, weil der Kläger den von ihm behaupteten Verkehrswert des Unternehmens nicht nachweisen konnte. Weil das Finanzamt seine Prozesskosten von rund 5.000 Euro weder als Betrie­bs­ausgaben noch als außer­ge­wöhnliche Ausgaben berücksichtigte, zog er vor das Finanzgericht.

Bei Zivil­pro­zess­kosten handelt es sich nicht um Betrie­bs­ausgaben

Das Finanzgericht Hamburg wies seine Klage jedoch ab. Bei den Kosten handele es sich nicht um Betrie­bs­ausgaben. Der Zivilprozess sei nicht betrieblich veranlasst gewesen, weil eine Rückübertragung des Unternehmens von vornherein ausgeschlossen gewesen sei. Diese Kosten seien allerdings auch keine "außer­ge­wöhnliche Belastung" im Sinne des Einkom­men­steu­er­ge­setzes.

Zusammenhang zwischen Zivil­pro­zess­kosten und notwendigem Lebensbedarf des Klägers und seiner Familie nicht erkennbar

Außer­ge­wöhnliche Belastungen sind private Aufwendungen, die ausnahmsweise steuerlich zu berücksichtigen sind, weil sie zwangsläufig und notwendig sind. Nach Ansicht des Gerichts sind die Prozesskosten des Klägers nicht zwangsläufig gewesen. Er habe die Ansprüche gegen die BvS freiwillig erworben und damit auch freiwillig das Risiko übernommen, ob die Ansprüche durchgesetzt werden können, gegebenenfalls durch eine Klage. Ein Zusammenhang mit dem notwendigen Lebensbedarf des Klägers und seiner Familie sei nicht erkennbar.

FG Hamburg weicht von Rechtsprechung des BFH ab

Mit dieser Entscheidung weicht das Finanzgericht Hamburg ausdrücklich von der aktuellen Rechtsprechung des Bundes­fi­nanzhofs ab. Der Bundesfinanzhof hat seine frühere ständige Rechtsprechung, dass bei Kosten eines Zivilprozesses eine Vermutung gegen die Zwangs­läu­figkeit spreche, mit Urteil vom 12. Mai 2011 aufgegeben.

Recht­spre­chung­s­än­derung des BFH stößt auf geteiltes Echo

Zivil­pro­zess­kosten seien grundsätzlich zwangsläufig, weil der Bürger wegen des staatlichen Gewaltmonopols seine Ansprüche nicht selbst, sondern nur über die Einschaltung der Gerichte durchsetzen dürfe. Etwas anderes gelte nur für den, der sich mutwillig oder leichtfertig auf einen Prozess eingelassen habe. Diese Recht­spre­chung­s­än­derung ist auf geteiltes Echo gestoßen. Das Bundes­mi­nis­terium der Finanzen hat die Anwendung der Entscheidung des Bundes­fi­nanzhofs durch die Finanz­ver­waltung am 20. Dezember 2011 durch Erlass eines "Nicht­an­wen­dungs­er­lasses" unterbunden.

Auch Prozess auslösendes Ereignis für Zwangs­läu­figkeit eines Zivilprozesses entscheidend

Das Finanzgericht Hamburg ist der Auffassung, dass bei der Frage nach der Zwangs­läu­figkeit eines Zivilprozesses nicht außer Acht bleiben könne, ob auch das den Prozess auslösende Ereignis für den Steuer­pflichtigen zwangsläufig gewesen sei. Andernfalls würden Prozesskosten in höherem Maße berücksichtigt als andere privat veranlasste Aufwendungen. Außerdem hat das Gericht Bedenken, ob es angesichts der Vielge­stal­tigkeit und der möglichen rechtlichen und tatsächlichen Komplexität von Zivilprozessen überhaupt praktikabel ist, dass die Finanz­ver­waltung die Erfolgs­aus­sichten eines Zivilprozesses im Rahmen der Veranlagung überprüft.

Quelle: Finanzgericht Hamburg/ra-online

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