18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen ein Formular für die Steuererklärung.
ergänzende Informationen

Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil06.10.2016

Finanzamt darf bestands­kräftige Steuer­fest­setzung bei mechanischem Versehen ändernFalsche Vorstellung über Verarbeitung eingegebener Daten berechtigt zur Korrektur der Steuer­fest­setzung zulasten des Steuer­pflichtigen

Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat entschieden, dass das Finanzamt berechtigt ist, eine bestands­kräftige Steuer­fest­setzung bei einer falschen Vorstellung über die Verarbeitung der eingegebenen Daten zulasten der Steuer­pflichtigen zu ändern.

Die Kläger, Eheleute, haben in ihrer Steuererklärung für 2011 unter Mitwirkung eines Steuerberaters in Anlage KAP Zeile 7 Kennzahl 10 die Summe der in den Steuer­be­schei­ni­gungen verschiedener Banken ausgewiesenen Kapitalerträge erklärt und in Kennzahl 20 irrtümlich nur den in der Steuer­be­schei­nigung einer Bank als unter Kennzahl 20 einzutragenden Betrag angegeben. Bei Durchführung der Veranlagung gab die Sachbe­a­r­beiterin die in Zeile 7 erklärten Beträge manuell in das automatische Daten­ver­a­r­bei­tungs­system ein. Dies führte bei der Erstellung des Einkom­men­steu­er­be­scheids dazu, dass nicht mehr die unter Kennzahl 10 erklärte Summe aller Kapitalerträge, sondern nur noch der in Kennzahl 20 erklärte Kapitalertrag als Einkünfte erfasst und der Besteuerung unterworfen worden ist. Die mit der Prüfberechnung ausgegebenen 25 Dokumen­ta­ti­o­ns­hinweise erledigte die Sachbe­a­r­beiterin mit "ok" und ihr Sachge­biets­leiter gab den Fall frei. Im Rahmen einer Sicher­heits­re­vision beim beklagten Finanzamt wurde festgestellt, dass die Eintragung in Zeile 7 Kennzahl 20 nicht den in den Steuer­be­schei­ni­gungen ausgewiesenen Einkünfte aus Kapitalvermögen entspreche und das Finanzamt diesen Fehler übernommen habe. Daraufhin änderte dieses den bestands­kräftigen Einkom­men­steu­er­be­scheid für 2011.

Berichtigung war verschul­den­su­n­ab­hängig und damit zulässig

Das Finanzgericht Baden-Württemberg entschied, dass das Finanzamt die bestands­kräftige Steuerfestsetzung nach § 129 Abgabenordnung ändern durfte. Ein mechanisches Versehen sei "eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit", wenn die Eintragung des falschen Werts auf einer Unkenntnis über die richtige Eingabe zutreffend beurteilter Auswirkungen oder des zutreffend beurteilten Sachverhalts beruhe, wie im Streitfall. Die Sachbe­a­r­beiterin habe über die Bedeutung von ihr eingegebener Schlüsselzahlen zur Daten­ver­a­r­beitung geirrt und unbeabsichtigt, unrichtige Werte eingegeben bzw. insoweit die fehlerhaften Angaben des Steuer­pflichtigen als eigene übernommen. Der technische Ablauf der Verarbeitung der erklärten bzw. eingegebenen Daten sei nicht bekannt gewesen. Die Sachbe­a­r­beiterin und ihr Sachge­biets­leiter hätten von den in Zeile 7 Kennzahl 20 einzutragenden Werten eine falsche Vorstellung gehabt. Damit sei die Übernahme des in der Steuererklärung angegebenen Betrags ein mechanischer Fehler, der auf einer irrigen Vorstellung des Ablaufs des Rechenprogramms und der nachgereichten Anlage KAP beruhe. Eine Berichtigung sei verschul­den­su­n­ab­hängig und damit zulässig, wenn sowohl die Sachbe­a­r­beiterin als auch ihr Sachge­biets­leiter oberflächlich gearbeitet haben, indem sie die Prüfberechnung nicht näher angeschaut und die dort ausgewiesenen Einkünfte aus Kapitalvermögen keiner Plausi­bi­li­täts­kon­trolle unterzogen haben.

Quelle: Finanzgericht Baden-Württemberg/ra-online

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil23814

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI