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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil08.09.2010

Wettbe­wer­bs­widriges Verhaltens auf spanischem Rohtabakmarkt – Geldbuße gegen Deltafina herabgesetztUnternehmen kann Anführerrolle im Kartell nicht nachgewiesen werden

Da die Kommission die Anführerrolle des Unternehmens Deltafina in einem Kartell nicht nachweisen konnte, hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die gegen Deltafina wegen ihres wettbe­wer­bs­widrigen Verhaltens auf dem spanischen Rohtabakmarkt ursprünglich verhängte Geldbuße von 11,88 Mio. Euro auf 6,12 Mio. Euro herabgesetzt.

Im zugrunde liegenden Fall verhängte die Kommission mit Entscheidung vom 20. Oktober 2004 Geldbußen in Höhe von insgesamt 20 Mio. Euro gegen die fünf Gesellschaften Compañia española de tabaco en rama (Cetarsa), Agroexpansión, World Wide Tobacco España (WWTE), Tabacos Españoles und Deltafina wegen Beteiligung an einem Kartell auf dem spanischen Rohtabakmarkt zwischen 1996 und 2001. Das Kartell betraf im Wesentlichen die Festsetzung der den Tabakerzeugern gezahlten Preise und die Aufteilung der bei diesen gekauften Mengen.

Deltafina erhält aufgrund der angeblichen Anführerrolle im Kartell die höchste Geldbuße

Deltafina, eine zu 100 % im Besitz der amerikanischen Gesellschaft Universal Corp. stehende italienische Gesellschaft, deren Haupt­tä­tig­keiten in der Verarbeitung von Rohtabak und der Vermarktung von verarbeitetem Tabak bestehen, wurde mit der höchsten Geldbuße belegt (11,88 Mio. Euro). Da die Kommission die Auffassung vertrat, dass Deltafina die Anführerrolle in dem Kartell gespielt habe, erhöhte sie den Grundbetrag der Geldbuße wegen erschwerender Umstände um 50 %.

Deltafina beantragt Herabsetzung der Geldbuße

Deltafina beantragte beim Gericht der Europäischen Union, die Entscheidung der Kommission für nichtig zu erklären oder die Geldbuße herabzusetzen.

Gericht weist Vorbringen von Deltafina zur Nichti­g­er­klärung der Entscheidung zurück

Mit seinem Urteil weist das Gericht das Vorbringen von Deltafina zur Nichti­g­er­klärung der Entscheidung zurück und befindet insbesondere, dass Deltafina die Verletzung des Verbots wettbe­wer­bs­be­schrän­kender Vereinbarungen insgesamt zur Last gelegt werden kann.

Mit anderen Unternehmen koordiniertes Verhalten bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs auf dem Markt

Hierzu stellt das Gericht zunächst fest, dass es der Auferlegung einer Sanktion wegen der Verletzung des Verbots wettbe­wer­bs­be­schrän­kender Kartelle nicht entgegenstand, dass Deltafina auf dem relevanten Markt, d. h. dem spanischen Markt für den Einkauf und die Erstver­a­r­beitung von Rohtabak, nicht tätig war. Ihr mit dem anderer Unternehmen koordiniertes Verhalten bezweckte tatsächlich die Einschränkung des Wettbewerbs auf dem Markt. Das Gericht stellt ferner fest, dass Deltafina als Hauptabnehmer der Tabak­ver­a­r­beiter auf einem Markt in Spanien tätig war, der demjenigen unmittelbar nachgeschaltet ist, auf dem die umstrittenen Handel­s­praktiken ausgeübt wurden.

Gericht weist auf vorsätzliche Durchführung des Kartells seitens Deltafina hin

Das Gericht weist sodann darauf hin, dass Deltafina aktiv und unmittelbar sowie in voller Kenntnis der Umstände vorsätzlich zur Durchführung des Kartells beigetragen hat. Deltafina konnte sich nämlich über den wettbe­wer­bs­widrigen und rechtswidrigen Zweck dieses Kartells nicht im Unklaren sein. Zudem besaß sie angesichts der wichtigen Rolle, die sie auf dem Einkaufsmarkt für verarbeiteten spanischen Tabak einnahm, und ihrer Rolle als Verant­wort­licher für die Koordinierung und Überwachung der Handel­s­tä­tig­keiten der Universal-Gruppe in Europa ein Interesse daran, dass die fraglichen wettbe­wer­bs­widrigen Praktiken durchgeführt würden. Im Rahmen der Prüfung der Anträge auf Herabsetzung der Geldbuße befindet das Gericht jedoch, dass die Kommission rechts­feh­lerhaft festgestellt hat, dass Deltafina in dem Kartell eine Anführerrolle spielte.

Um als Anführer angesehen zu werden, muss das fragliche Unternehmen eine wichtige Antriebskraft für das Kartell gewesen sein und eine besondere und konkrete Verantwortung für dessen Funktionieren tragen.

Angeführte Umstände sind kein ausreichender Nachweis für Anführerrolle Deltafinas

Die von der Kommission angeführten Umstände sind jedoch kein ausreichender Nachweis dafür, dass diese Gesellschaft eine bedeutende Antriebskraft für dieses Kartell darstellte oder ihre Rolle wichtiger war als die aller anderen spanischen Verarbeiter. Das Gericht stellt fest, dass Deltafina im Lauf eines Zeitraums von mehr als fünf Jahren nur an einer sehr begrenzten Anzahl von Treffen teilgenommen hat, bei denen die rechtswidrigen Abkommen geschlossen wurden, und dass sie nur in verhältnismäßig beschränktem Umfang an dem Schriftwechsel und Infor­ma­ti­o­ns­aus­tausch zwischen den Mitgliedern dieses Kartells beteiligt war. Zudem weist in den Akten weder etwas darauf hin, dass Deltafina irgendeine Initiative ergriffen hätte, um dieses Kartell zu errichten oder spanische Verarbeiter zum Beitritt zu bewegen, noch, dass sie Tätigkeiten übernommen hat, die normalerweise mit der Rolle des Anführers eines Kartells verbunden sind, wie beispielsweise den Vorsitz bei den Treffen oder die Zentralisierung und Verteilung bestimmter Informationen.

Gericht setzt Geldbuße gegen Deltafina herab

Die Kommission durfte demnach weder den Grundbetrag der Geldbuße um 50 % erhöhen noch diese angebliche Rolle berücksichtigen, um die Geldbuße aufgrund der Kooperation nur um 10 % herabzusetzen. Das Gericht ist der Auffassung, dass die Ermäßigung der Geldbuße in Anbetracht der Kooperation von Deltafina auf 15 % festzusetzen ist. Der Endbetrag der gegen Deltafina zu verhängenden Geldbuße wird daher auf 6,12 Mio. Euro festgesetzt.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH)/ra-online

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