15.11.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil17.06.2010

EuGH bestätigt hohe Geldbuße wegen wiederholten wettbe­wer­bs­widrigen VerhaltensErhöhung von Geldbußen zur Ahndung wiederholter Zuwider­hand­lungen eines Unternehmens gegen die Wettbe­wer­bs­regeln zulässig

Die gegen das Unternehmen Lafarge verhängte Geldbuße von 249,6 Millionen Euro wegen ihres wettbe­wer­bs­widrigen Verhaltens auf dem Gipsplat­tenmarkt ist zulässig. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften.

Mit Entscheidung vom 27. November 2002 verhängte die Kommission gegen die Unternehmen Lafarge, Gyproc, BPB und Knauf eine Geldbuße in Höhe von insgesamt 478 Millionen Euro wegen wettbe­wer­bs­widrigen Verhaltens auf dem Gipsplat­tenmarkt. Diese Unternehmen hatten an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung teilgenommen, die u. a. im Austausch von Informationen über die Verkaufsmengen, in Absprachen über Preiserhöhungen und in Zusammenkünften mit dem Ziel der Aufteilung oder Stabilisierung der Gipsplat­ten­märkte in Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Frankreich und den Benelux-Staaten zwischen 1992 und 1998 bestand.

Erhöhte Geldbuße aufgrund wiederholter Zuwiderhandlung

Aufgrund eines früheren Verstoßes von Lafarge gegen die Wettbe­wer­bs­regeln nahm die Kommission bei der Berechnung der Geldbuße insbesondere eine Erhöhung um 50 % wegen des erschwerenden Umstands der wiederholten Zuwiderhandlung vor.

Unternehmen will vor EuGH Aufhebung des Urteils oder Herabsetzung der Geldbuße erreichen

Das Gericht bestätigte mit Urteil vom 8. Juli 2008 die Entscheidung der Kommission in Bezug auf Lafarge. Das Unternehmen erhob daraufhin eine Klage vor dem Gerichtshof, mit der es entweder die Aufhebung dieses Urteils oder die Herabsetzung der verhängten Geldbuße erreichen wollte. Mit seinem heutigen Urteil weist der Gerichtshof das Vorbringen von Lafarge zurück.

Rechtsgrundlage für Berechnung eines Geldbuße im Wieder­ho­lungsfall vorhanden

Zur Anfechtung der Erhöhung der Geldbuße wegen wiederholter Zuwiderhandlung stellte der Gerichtshof zunächst fest, dass eine solche Erhöhung dem Erfordernis Rechnung trägt, wiederholte Zuwider­hand­lungen gegen die Wettbe­wer­bs­regeln durch dasselbe Unternehmen zu ahnden, und dass eine Rechtsgrundlage für die Berück­sich­tigung eines Wieder­ho­lungsfalls bei der Berechnung der Geldbuße besteht.

Erhöhung von Geldbußen wegen wiederholten Verstoßes muss mit Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit in Einklang stehen

Sodann weist er darauf hin, dass das Wettbe­wer­bsrecht der Union zwar keine vorbestimmte Frist enthält, nach deren Ablauf ein Wieder­ho­lungsfall nicht mehr berücksichtigt werden darf, dass das Unionsrecht die Kommission jedoch nicht berechtigt, einen solchen Wieder­ho­lungsfall zeitlich unbeschränkt zu berücksichtigen. Jede Erhöhung wegen eines wiederholten Verstoßes muss mit dem Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit in Einklang stehen. Dieser Grundsatz verlangt, dass die Zeit, die zwischen der fraglichen Zuwiderhandlung und einem früheren Verstoß gegen die Wettbe­wer­bs­regeln verstrichen ist, bei der Beurteilung der Neigung des Unternehmens zu Verstößen gegen diese Regeln berücksichtigt wird. Im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle der Handlungen der Kommission im Bereich des Wettbe­wer­bs­rechts können das Gericht und gegebenenfalls der Gerichtshof daher aufgefordert sein, zu überprüfen, ob die Kommission diesen Grundsatz bei der Erhöhung der verhängten Geldbuße wegen wiederholter Zuwiderhandlung beachtet hat und insbesondere, ob diese Erhöhung u. a. im Hinblick auf den zeitlichen Abstand zwischen der fraglichen Zuwiderhandlung und dem früheren Verstoß gegen Wettbe­wer­bs­regeln angezeigt war.

Entscheidung der Kommission uneingeschränkt wirksam, sofern Gericht oder Gerichtshof nicht etwas anderes bestimmt

Lafarge hat außerdem vorgetragen, die Kommission habe den Wieder­ho­lungsfall nicht berücksichtigen dürfen, da die Entscheidung, mit der die frühere Zuwiderhandlung festgestellt worden sei, zu diesem Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig gewesen sei. Lafarge war mit einer Entscheidung der Kommission aus dem Jahr 1994 wegen Beteiligung am Zementkartell sanktioniert worden, und das Gericht hat diese Entscheidung erst 2000 bestätigt4, während die Zuwiderhandlung auf dem Gipsplat­tenmarkt 1998 geendet hatte. Zu diesem Zeitpunkt war eine Zuwiderhandlung durch Lafarge somit noch nicht rechtskräftig festgestellt, da das Urteil des Gerichts über die Nichtig­keitsklage gegen die Entscheidung von 1994 noch nicht erlassen war. In diesem Zusammenhang weist der Gerichtshof darauf hin, dass für Entscheidungen der Kommission die Vermutung der Rechtmäßigkeit spricht, solange sie nicht aufgehoben oder zurückgenommen worden sind. Darüber hinaus haben Klagen, die vor dem Gerichtshof gegen diese Entscheidungen erhoben werden, keine aufschiebende Wirkung. Folglich ist eine Entscheidung der Kommission, selbst wenn sie noch gerichtlicher Kontrolle unterliegt, uneingeschränkt wirksam, sofern das Gericht oder der Gerichtshof nicht etwas anderes bestimmt. Wird eine Entscheidung, mit der eine frühere Zuwiderhandlung festgestellt wurde, nach dem Erlass einer späteren Entscheidung, in der die Geldbuße wegen wiederholter Zuwiderhandlung auf der Grundlage der ersten Entscheidung erhöht wurde, durch den Richter der Europäischen Union für nichtig erklärt, hat die Kommission die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs ergebenden Maßnahmen zu ergreifen. Sie muss die spätere Entscheidung daher gegebenenfalls abändern, soweit diese eine Erhöhung der Geldbuße wegen wiederholter Zuwiderhandlung enthält, und zwar selbst dann, wenn das betroffene Unternehmen keinen dement­spre­chenden Antrag gestellt hat.

Eingeräumtes Ermessen der Kommission im Bereich des Wettbe­wer­bs­rechts ist durch objektive Kriterien begrenzt

Schließlich erinnert der Gerichtshof daran, dass der allgemeine Grundsatz der gesetzlichen Bestimmtheit von Strafe verlangt, dass das Gesetz die Straftaten und die für sie angedrohten Strafen klar definieren muss. Die Tatsache, dass ein Gesetz ein Ermessen verleiht, verletzt als solche nicht das Erfordernis der Vorher­seh­barkeit, sofern der Umfang und die Modalitäten der Ausübung eines solchen Ermessens im Hinblick auf das in Rede stehende legitime Ziel hinreichend deutlich festgelegt sind, um dem Einzelnen angemessenen Schutz vor Willkür zu gewähren. Das Ermessen, das der Kommission im Bereich des Wettbe­wer­bs­rechts eingeräumt ist, ist durch objektive Kriterien begrenzt, an die sich die Kommission zu halten hat. Somit kann ein verständiger Wirtschafts­teil­nehmer in hinreichend genauer Weise die Methode der Berechnung und die Größenordnung der Geldbußen vorhersehen, die ihm bei einem bestimmten Verhalten drohen. Dass dieser Wirtschafts­teil­nehmer das Niveau der Geldbußen, die die Kommission in jedem Einzelfall verhängen wird, nicht im Voraus genau erkennen kann, stellt keine Verletzung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Strafen dar.

Daher bestätigt der Gerichtshof das Urteil des Gerichts und erhält somit die gegen Lafarge verhängte Geldbuße von 249,6 Millionen Euro aufrecht.

Quelle: ra-online, EuGH

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