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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil24.05.2012
Von MasterCard angewandte multilaterale Interbankenentgelte sind wettbewerbswidrigMultilaterale Interbankenentgelte für Funktionieren des MasterCard-Systems nicht objektiv notwendig
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat eine Entscheidung der Europäischen Kommission bestätigt, mit der diese die von MasterCard angewandten multilateralen Interbankenentgelte verboten hat.
Die Europäische Kommission erklärte mit Entscheidung vom 19. Dezember 2007* die innerhalb des Kartenzahlungssystems MasterCard angewandten multilateralen Interbankenentgelte (MIF) für wettbewerbswidrig.
Hintergrund
Die MIF entsprechen einem Teil des Preises eines mit Zahlungskarte getätigten Geschäfts, der von der Bank, die die Karte ausgibt (Issuing-Bank), einbehalten wird. Die Kosten der MIF werden den Händlern im allgemeineren Rahmen der Aufwendungen, die ihnen von dem Finanzinstitut, das ihre Geschäfte führt, in Rechnung gestellt werden, für die Nutzung der Zahlungskarten auferlegt. Von der Entscheidung der Kommission betroffen waren nur die im Europäischen Wirtschaftsraum oder in der Euro-Zone anwendbaren MIF, die mangels bilateral zwischen Finanzinstituten oder gemeinsam auf nationaler Ebene festgelegten Interbankenentgelten gelten.
Europäische Kommission rügt Beschränkung des Preiswettbewerbs zu Lasten der Händler
Die Kommission stellte fest, dass die MIF zur Festlegung einer Mindesthöhe der den Händlern berechneten Kosten führten und daher eine Beschränkung des Preiswettbewerbs zu deren Lasten darstellten. Es sei u. a. nicht nachgewiesen, dass die MIF Effizienzsteigerungen mit sich bringen könnten, die ihre wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen rechtfertigen könnten. Der Zahlungsorganisation MasterCard und den Gesellschaften, die sie vertreten (MasterCard Inc. und ihre Tochtergesellschaften MasterCard Europe und MasterCard International Inc.), wurde daher aufgegeben, den festgestellten Verstoß dadurch zu beenden, dass die MIF binnen sechs Monaten förmlich aufgehoben würden. Andernfalls werde gegen sie ein Zwangsgeld von 3,5 % des täglichen konsolidierten Gesamtumsatzes verhängt.
Gesellschaften erheben Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission
Die Gesellschaften, die MasterCard vertreten, haben beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission erhoben. Mehrere Finanzinstitute sind dem Rechtsstreit als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge dieser Gesellschaften beigetreten (Banco Santander, SA, Royal Bank of Scotland plc, HSBC Bank plc, Bank of Scotland plc, Lloyds TSB Bank plc, MBNA Europe Bank Ltd). Das Vereinigte Königreich und zwei Händlerverbände (British Retail Consortium und EuroCommerce AISBL) sind dem Rechtsstreit ebenfalls als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission beigetreten.
Reduzierung oder Einstellung der Vergabe von MasterCard-Karten ohne MIF seitens der Banken nicht zu erwarten
In seinem Urteil weist das Gericht diese Klage ab und bestätigt die Entscheidung der Kommission. Das Gericht folgt damit nicht der Argumentation, dass die MIF für das Funktionieren des Zahlungssystems MasterCard objektiv notwendig seien. Es wurde u. a. geltend gemacht, dass die Finanzinstitute, wenn keine MIF erhoben würden, ihren Kunden andere Arten von Zahlungskarten anbieten oder die Vorteile, die den Karteninhabern gewährt würden, einschränken müssten, was das Fortbestehen des MasterCard-Systems in Frage stellen würde. Unter Hinweis vor allem auf die Bedeutung der anderen Einkünfte und Geschäftsvorteile als die MIF, die die Finanzinstitute aus der Ausgabe von Zahlungskarten ziehen, befindet das Gericht, dass kaum anzunehmen ist, dass ein nennenswerter Teil der Banken die Ausgabe der MasterCard-Karten ohne MIF einstellen oder erheblich reduzieren oder er die Ausgabebedingungen in einer Weise ändern würde, dass Karteninhaber andere Zahlungsarten oder -karten vorzögen.
Händler könnten ohne MIF stärkeren Wettbewerbsdruck ausüben
Da die MIF für das Funktionieren des MasterCard-Systems nicht objektiv notwendig sind, durfte die Kommission ihre Wirkungen auf den Wettbewerb selbständig und unabhängig von denen des MasterCard-Systems prüfen, mit dem sie verbunden sind. Das Gericht heißt diese Untersuchung der Auswirkungen der MIF auf den Wettbewerb ebenfalls gut, da die Kommission zu Recht zu dem Schluss gelangen konnte, dass die Händler ohne die MIF einen stärkeren Wettbewerbsdruck auf die Höhe der ihnen für die Verwendung von Zahlungskarten in Rechnung gestellten Kosten hätten ausüben können.
Kommission durfte zurecht Beschlüsse in Bezug auf die MIF als Beschlüsse einer Unternehmensvereinigung einstufen
Zudem wurde der Kommission vorgeworfen, an ihrer Einstufung der Beschlüsse in Bezug auf die MIF als Beschlüsse einer Unternehmensvereinigung festgehalten zu haben, obwohl MasterCard Inc. seit ihrem Börsengang am 25. Mai 2006 nicht mehr von den am MasterCard-System teilnehmenden Finanzinstituten kontrolliert werde und diese bei der Festsetzung der MIF keine Rolle spielten. Hierzu stellt das Gericht fest, dass die Finanzinstitute weiter gemeinsam über die wesentlichen Aspekte des Funktionierens der Zahlungsorganisation MasterCard sowohl auf nationaler Ebene als auch auf europäischer Ebene entschieden haben. Außerdem weist es darauf hin, dass ein gemeinsames Interesse der Zahlungsorganisation MasterCard und der Finanzinstitute an der Festlegung von MIF auf hohem Niveau besteht. Das Gericht schließt daraus, dass die Zahlungsorganisation MasterCard trotz der Änderungen durch den Börsengang der MasterCard Inc. eine institutionalisierte Form der Verhaltensabstimmung der teilnehmenden Finanzinstitute geblieben ist. Folglich konnte die Kommission an der Einstufung der Beschlüsse in Bezug auf die MIF als Beschlüsse einer Unternehmensvereinigung zu Recht festhalten.
Vorbringen von Hinweisen auf Beitrag des MasterCard-Systems zum technischen und wirtschaftlichen Fortschritt erfolglos
Unter Hinweis auf den Beitrag des MasterCard-Systems zum technischen und wirtschaftlichen Fortschritt – und insbesondere auf die objektiven Vorteile, die die MasterCard-Karten für ihre Inhaber und die Händler darstellten (Zahlungsgarantie, schnelle Abwicklung des Geschäfts, Steigerung des Umsatzes …) – machten die Gesellschaften, die MasterCard vertreten, und einige Finanzinstitute schließlich geltend, dass die Kommission die MIF hätte freistellen müssen. Das Gericht weist auch dieses Vorbringen zurück, da durch die Methoden zur Festlegung der Höhe der MIF in der Regel zum einen die von den Finanzinstituten bei der Ausgabe der Zahlungskarten entstehenden Kosten zu hoch angesetzt und zum anderen die Vorteile, die die Händler aus dieser Zahlungsart ziehen, unzureichend bewertet wurden.
Erläuterungen
* Entscheidung K (2007) 6474 endg. vom 19. Dezember 2007 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sachen COMP/34.579 – MasterCard, COMP/36.518 – EuroCommerce, COMP/38.580 – Commercial Cards).© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 24.05.2012
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online
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