23.11.2024
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Dokument-Nr. 27569

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Urteil26.06.2019Gerichtshof der Europäischen UnionC-723/17
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil26.06.2019

Messung der Luftqualität: EuGH setzt strenge Maßstäbe festVerschmut­zungsgrad an jeder einzelnen Probe­nah­me­stelle bei Überprüfung der Einhaltung von Grenzwerten entscheidend

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass die nationalen Gerichte befugt sind, die Wahl der Standorte von Stationen zur Messung der Luftqualität zu überprüfen und gegenüber der betreffenden nationalen Behörde alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Bei der Beurteilung, ob die Grenzwerte eingehalten werden, ist der Verschmut­zungsgrad an jeder einzelnen Probe­nah­me­stelle zu berücksichtigen.

Mehrere Einwohner der belgischen Region Brüssel-Hauptstadt sowie die Umwelt­or­ga­ni­sation ClientEarth stritten vor der Neder­land­s­talige rechtbank van eerste aanleg Brussel (dem nieder­län­disch­spra­chigen Gericht erster Instanz Brüssel) mit der Region Brüssel-Hauptstadt und dem Brüsseler Institut für Umwelt­ma­na­gement darüber, ob für das Gebiet von Brüssel ein ausreichender Luftqua­li­tätsplan erstellt wurde.

Nationales Gericht erbittet Vorab­ent­scheidung des EuGH

Das nieder­län­disch­sprachige Gericht erster Instanz Brüssel ersuchte den Gerichtshof der Europäischen Union in diesem Kontext um die Auslegung des einschlägigen Unionsrechts, insbesondere der Richtlinie über Luftqualität und saubere Luft für Europa*. Es möchte erstens wissen, inwieweit die inner­staat­lichen Gerichte die Wahl der Standorte von Probe­nah­me­stellen (Messstationen) überprüfen können, und zweitens, ob aus den Ergebnissen verschiedener Messstationen ein Mittelwert gebildet werden darf, um die Einhaltung der Grenzwerte zu beurteilen.

Nationalen Gerichte müssen Einhaltung von Verpflichtungen zur Errichtung von Probe­nah­men­stel­lungen und Messung von Luftqualität überprüfen

In seinem Urteil stellte der Gerichtshof zunächst fest, dass die Richtlinie detaillierte Regelungen für die Einrichtung und die Standorte von Probe­nah­me­stellen zur Messung der Luftqualität in den Gebieten und Ballungsräumen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten enthält. Der Gerichtshof führte aus, dass einige dieser Regelungen klare, präzise und nicht an Bedingungen geknüpfte Verpflichtungen vorsehen, so dass sich Einzelpersonen gegenüber dem Staat auf sie berufen könnten. Dies gelte insbesondere für die Verpflichtung, Probe­nah­me­stellen so einzurichten, dass sie Informationen über die am stärksten belasteten Orte liefern, sowie die Verpflichtung, eine Mindestzahl von Probe­nah­me­stellen einzurichten. Es sei Sache der nationalen Gerichte, die Einhaltung dieser Verpflichtungen zu überprüfen.

Standort der Probe­nah­me­stellen spielt bei System zur Beurteilung und Verbesserung der Luftqualität entscheidende Rolle

Der Gerichtshof erkennt zwar an, dass die zuständigen nationalen Behörden bei der Festlegung der konkreten Standorte von Probe­nah­me­stellen über ein Ermessen verfügen, dieses Ermessen der gerichtlichen Kontrolle aber nicht entzogen sei. In diesem Zusammenhang weist der Gerichtshof darauf hin, dass der Standort der Probe­nah­me­stellen bei dem System zur Beurteilung und Verbesserung der Luftqualität eine entscheidende Rolle spiele, insbesondere wenn der Verschmut­zungsgrad eine bestimmte Schwelle überschreite. Daraus folge, dass der Zweck der Richtlinie gefährdet wäre, wenn Probe­nah­me­stellen, die sich in einem bestimmten Gebiet oder Ballungsraum befänden, nicht im Einklang mit den von ihr aufgestellten Kriterien eingerichtet würden.

Standort der Probe­nah­me­stellen muss Gefahr unbemerkter Überschrei­tungen von Grenzwerten minimieren

Daher müssten die zuständigen nationalen Behörden den Standort der Probe­nah­me­stellen so wählen, dass die Gefahr unbemerkter Überschrei­tungen von Grenzwerten minimiert werde. In diesem Rahmen seien sie verpflichtet, ihre Entscheidungen auf fundierte wissen­schaftliche Daten zu stützen und eine vollständige Dokumentation zu erstellen, die die Gesichtspunkte für die Wahl des Standorts jeder Messstelle enthalte. Diese Dokumentation müsse regelmäßig aktualisiert werden, um sicherzustellen, dass die Auswahl­kri­terien weiterhin Gültigkeit haben.

Da der Einzelne das Recht habe, von einem Gericht überprüfen zu lassen, ob die nationalen Rechts­vor­schriften und ihre Anwendung innerhalb des in der Richtlinie vorgesehenen Ermes­sens­spielraums bei der Wahl des Standorts der Probe­nah­me­stellen geblieben seien, sei dieses Gericht überdies befugt, gegenüber der betreffenden nationalen Behörde alle erforderlichen Maßnahmen, wie beispielsweise Anordnungen, zu ergreifen, um sicherzustellen, dass diese Stellen nach den in der Richtlinie festgelegten Kriterien eingerichtet werden.

Mittelwert der Messergebnisse würde keinen zweckdienlichen Hinweis auf Schad­s­tof­f­ex­po­sition der Bevölkerung liefern

Zu der Frage, ob zur Beurteilung der Einhaltung der Grenzwerte ein Mittelwert aus den Ergebnissen verschiedener Messstellen gebildet werden könne, führte der Gerichtshof aus, dass die Bestimmung des Mittelwerts der Messergebnisse aller Probe­nah­me­stellen in einem Gebiet oder Ballungsraum keinen zweckdienlichen Hinweis auf die Schad­s­tof­f­ex­po­sition der Bevölkerung liefere. Insbesondere erlaube es ein solcher Mittelwert nicht, die Höhe der Exposition der Bevölkerung allgemein zu bestimmen. Sie werde nämlich mittels spezieller Probe­nah­me­stellen gemessen, deren Standort an diesem Zweck ausgerichtet wurde.

Gemessener Verschmut­zungsgrad an jeder einzelnen Probe­nah­me­stelle entscheidend

Daher stellte der Gerichtshof fest, dass bei der Beurteilung, ob die Mitgliedstaaten die Grenzwerte eingehalten haben, der an jeder einzelnen Probe­nah­me­stelle gemessene Verschmut­zungsgrad entscheidend sei. Für die Feststellung, dass ein Grenzwert im Mitte­lungs­zeitraum eines Kalenderjahrs überschritten wurde, genüge es daher, wenn an nur einer Probe­nah­me­stelle ein über diesem Wert liegender Verschmut­zungsgrad gemessen werde.

Erläuterungen

* Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über die Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. 2008, L 152, 1 in der Fassung der Richtlinie (EU) 2015/1480 der Kommission vom 28. August 2015 (ABl. 2015, L 226, 4)

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online (pm/kg)

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