18.10.2024
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Dokument-Nr. 10247

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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil09.09.2010

EuGH: Österreichs Beschränkungen von Spiel­bank­kon­zes­sionen auf Gesellschaften mit Sitz im Inland verstößt gegen EU-RechtKategorischer Ausschluss von Wirtschafts­teil­nehmern mit Sitz in anderen Mitgliedstaat zur Bekämpfung von Kriminalität unver­hält­nismäßig

Die öster­rei­chischen Rechts­vor­schriften, die das Recht zum Betrieb von Spielbanken Gesellschaften mit Sitz in Österreich vorbehalten, verstoßen gegen das Unionsrecht. Die Vergabe der Konzessionen an Casinos Austria stand nicht im Einklang mit dem Unionsrecht. Die entschied der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften.

Das österreichische Recht sieht ein staatliches Monopol im Bereich der Glücksspiele in der Weise vor, dass die Berechtigung, Glücksspiele zu veranstalten und zu betreiben, grundsätzlich dem Staat vorbehalten ist. Mit dem geltenden Bundesgesetz wird insbesondere der Zweck verfolgt, die Glücksspiele zu regulieren, um ihre Ausübung einzuschränken und dem Staat möglichst hohe Einnahmen aus ihnen zu sichern.

Konzessionär muss Aktien­ge­sell­schaft mit Sitz in Österreich sein

Der Bundesminister für Finanzen kann insgesamt zwölf Konzessionen erteilen, die Wirtschafts­teil­nehmer zur Veranstaltung von Glücksspielen und zum Betrieb von Spielbanken berechtigen. Der Konzessionär muss eine Aktien­ge­sell­schaft mit Sitz in Österreich sein und untersteht der Aufsicht des Ministeriums. Die Veranstaltung von Glücksspielen ohne Genehmigung wird strafrechtlich verfolgt. Inhaberin der zwölf Konzessionen ist derzeit eine einzige Gesellschaft, die Casinos Austria AG. Die Konzessionen wurden ohne vorherige öffentliche Ausschreibung erteilt und erneuert.

Landesgericht Linz legt EuGH Frage zur Vereinbarkeit des öster­rei­chischen Glückss­piel­rechts mit EU-Recht vor

Ernst Engelmann, der deutscher Staats­an­ge­höriger ist, betrieb zwei Spielbanken in Österreich, ohne sich vorher bei den öster­rei­chischen Behörden um eine Konzession beworben zu haben. Mit einem ersten Urteil wurde er für schuldig erkannt, unerlaubt Glücksspiele veranstaltet zu haben, und zur Zahlung einer Geldstrafe von 2.000 Euro verurteilt. In diesem Zusammenhang hat das Landesgericht Linz, bei dem die Berufung anhängig ist, dem Gerichtshof Fragen nach der Vereinbarkeit der öster­rei­chischen Rechts­vor­schriften über Glücksspiele mit der Niederlassungs- und der Dienst­leis­tungs­freiheit zur Vorab­ent­scheidung vorgelegt.

Pflicht zum Inlandssitz stellt Beschränkung der Nieder­las­sungs­freiheit dar

Zunächst stellt der Gerichtshof fest, dass die Verpflichtung der Inhaber von Spiel­bank­kon­zes­sionen, ihren Sitz im Inland zu haben, eine Beschränkung der Nieder­las­sungs­freiheit darstellt. Diese Verpflichtung diskriminiert nämlich Gesellschaften, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat haben, und hindert diese daran, über eine Agentur, Tochter­ge­sell­schaft oder Zweignie­der­lassung Spielbanken in Österreich zu betreiben.

Zur Kontrolle der Tätigkeit und der Konten von Wirtschafts­teil­nehmer anderer Mitglieds­s­taaten stehen mildere Mittel als kategorischer Ausschluss zur Verfügung

Hinsichtlich der Möglichkeit, die Beschränkung mit dem Interesse zu rechtfertigen, einer Ausnutzung dieser Tätigkeiten zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken vorzubeugen, stellt der Gerichtshof fest, dass der kategorische Ausschluss von Wirtschafts­teil­nehmern, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat haben, als unver­hält­nismäßig anzusehen ist, da er über das hinausgeht, was zur Bekämpfung der Kriminalität erforderlich ist. Es gibt nämlich mehrere mildere Mittel, die Tätigkeit und die Konten dieser Wirtschafts­teil­nehmer zu kontrollieren. Außerdem kann jedes in einem Mitgliedstaat niedergelassene Unternehmen unabhängig vom Wohnsitz seiner Führungskräfte kontrolliert und Sanktionen unterworfen werden. Darüber hinaus steht nichts einer Überprüfung in den Räumlichkeiten der Spielbanken entgegen, um u. a. betrügerischen Handlungen der Betreiber zum Nachteil der Verbraucher vorzubeugen.

Begrenzung der Zahl der Konzessionen an sich gerechtfertigt

Was ferner die Vergabe der Konzessionen betrifft, kann die Begrenzung der Zahl der Konzessionen nach Ansicht des Gerichtshofs mit dem Erfordernis gerechtfertigt werden, die Gelegenheiten zum Spiel einzuschränken. Eine Konzes­si­onsdauer von 15 Jahren kann im Hinblick darauf, dass der Konzessionär ausreichend Zeit benötigt, um seine Investitionen zu amortisieren, ebenfalls gerechtfertigt sein.

Konzes­si­ons­vergabe ohne Transparenz stellt Ungleich­be­handlung dar und verstößt gegen Gleich­be­hand­lungs­grundsatz und Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staats­an­ge­hö­rigkeit

Gleichwohl steht es nicht mit der Nieder­las­sungs­freiheit und der Dienst­leis­tungs­freiheit im Einklang, dass bei der Vergabe der Konzessionen an die Casinos Austria AG keine Ausschreibung stattgefunden hat. Das Transparenzgebot verpflichtet die konzes­si­ons­er­teilende Stelle, einen angemessenen Grad an Öffentlichkeit sicherzustellen, der eine Öffnung der Dienst­leis­tungs­kon­zes­sionen für den Wettbewerb und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Verga­be­ver­fahren unparteiisch durchgeführt worden sind. Dieses Gebot ist eine zwingende Vorbedingung des Rechts eines Mitgliedstaats, Genehmigungen für den Betrieb von Spielbanken zu erteilen, unabhängig davon, wie die Betreiber ausgewählt werden. Die ohne jede Transparenz erfolgende Vergabe einer Konzession an einen Wirtschafts­teil­nehmer, der in dem Mitgliedstaat niedergelassen ist, dem der öffentliche Auftraggeber zugehört, stellt eine Ungleichbehandlung zum Nachteil von in anderen Mitgliedstaaten nieder­ge­lassenen Wirtschafts­teil­nehmern dar, die keine reale Möglichkeit haben, ihr Interesse an der fraglichen Konzession zu bekunden. Eine derartige Ungleich­be­handlung verstößt gegen den Gleich­be­hand­lungs­grundsatz und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staats­an­ge­hö­rigkeit und stellt eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staats­an­ge­hö­rigkeit dar, die nach dem Unionsrecht verboten ist.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH)/ra-online

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