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- Arbeitsgericht Köln, Urteil15.05.2009, 4 Sa 877/08
- 13 befristete Arbeitsverträge in 11 Jahren – BAG legt EuGH Frage zur Zulässigkeit befristeter Arbeitsverträge vorBundesarbeitsgericht, Beschluss17.11.2010, 7 AZR 443/09 (A)
Gerichtshof der Europäischen Union Urteil26.01.2012
EuGH erklärt mehrfache Befristung von Arbeitsverträgen für zulässigMehrfach befristeter Einsatz kann im Einzelfall im Hinblick auf Anzahl und Gesamtdauer der Befristung Missbrauchskontrolle unterzogen werden
Die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge kann auch dann durch einen Vertretungsbedarf gerechtfertigt sein, wenn sich dieser Bedarf als wiederkehrend oder sogar ständig erweist. Der Einsatz dieser aufeinanderfolgenden befristeten Verträge kann jedoch gegebenenfalls unter Berücksichtigung ihrer Zahl und Gesamtdauer einer Missbrauchskontrolle unterzogen werden. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.
Das Unionsrecht*, welches eine Rahmenvereinbarung der europäischen Sozialpartner über befristete Arbeitsverträge durchführt, betrachtet unbefristete Arbeitsverträge als die übliche Form der Beschäftigungsverhältnisse. Die Mitgliedstaaten sind daher verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um Missbräuche durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu vermeiden. Zu diesen Maßnahmen gehört insbesondere die Festlegung „sachlicher Gründe“, die die Verlängerung solcher Verträge rechtfertigen können. Nach deutschem Recht stellt die vorübergehende Vertretung eines Arbeitnehmers einen solchen sachlichen Grund dar, und zwar u. a. im Fall einer Vertretung aufgrund von Mutterschaftsurlaub oder Elternzeit.
Sachverhalt
Frau Kücük war über einen Zeitraum von elf Jahren auf der Grundlage von insgesamt 13 befristeten Arbeitsverträgen beim Land Nordrhein-Westfalen als Justizangestellte im Geschäftsstellenbereich des Amtsgerichts Köln tätig. Alle diese Verträge wurden zur Vertretung unbefristet eingestellter Justizangestellter geschlossen, die sich vorübergehend (beispielsweise im Rahmen der Elternzeit) hatten beurlauben lassen.
Klägerin bezweifelt vorrübergehenden Bedarf an Vertretungskräften bei 13 aneinander anschließenden befristeten Arbeitsverträgen
Vor dem Arbeitsgericht Köln hat Frau Kücük geltend gemacht, ihr letzter Arbeitsvertrag müsse als auf unbestimmte Zeit geschlossen gelten, da kein sachlicher Grund vorliege, der seine Befristung rechtfertige. Bei insgesamt 13 in einem Zeitraum von elf Jahren unmittelbar aneinander anschließenden befristeten Arbeitsverträgen könne nämlich nicht mehr von einem vorübergehenden Bedarf an Vertretungskräften ausgegangen werden. Das Bundesarbeitsgericht, das diesen Rechtsstreit in letzter Instanz zu entscheiden hat, fragt den Gerichtshof der Europäischen Union nach der Auslegung der einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts.
Vorübergehender Bedarf an Vertretungskräften stellt grundsätzlich sachlich gerechtfertigten Grund für Befristung dar
In seinem Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass der vorübergehende Bedarf an Vertretungskräften – wie im deutschem Recht vorgesehen – grundsätzlich einen sachlichen Grund im Sinne des Unionsrechts darstellen kann, der sowohl die Befristung der mit den Vertretungskräften geschlossenen Verträge als auch deren Verlängerung rechtfertigt.
Wiederholtes Zurückgreifen auf Befristung von Verträgen stellt vor allem bei kleineren Unternehmen keinen Missbrauch dar
Aus dem bloßen Umstand, dass ein Arbeitgeber gezwungen sein mag, wiederholt oder sogar dauerhaft auf befristete Vertretungen zurückzugreifen, und dass diese Vertretungen auch durch die Einstellung von Arbeitnehmern mit unbefristeten Arbeitsverträgen gedeckt werden könnten, folgt weder, dass kein solcher sachlicher Grund gegeben ist, noch das Vorliegen eines Missbrauchs. Automatisch den Abschluss unbefristeter Verträge zu verlangen, wenn die Größe des betroffenen Unternehmens oder der betroffenen Einrichtung und die Zusammensetzung des Personals darauf schließen lassen, dass der Arbeitgeber mit einem wiederholten oder ständigen Bedarf an Vertretungskräften konfrontiert ist, ginge nämlich über die Ziele hinaus, die mit der durch das Unionsrecht umgesetzten Rahmenvereinbarung der europäischen Sozialpartner verfolgt werden, und würde somit den Wertungsspielraum verletzen, der den Mitgliedstaaten und den Sozialpartnern eingeräumt wird.
Nationale Behörden müssen grundsätzlich Umstände des Einzelfalls detailliert berücksichtigen
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags im Einzelfall durch einen sachlichen Grund wie den vorübergehenden Bedarf an Vertretungskräften gerechtfertigt ist, müssen die nationalen Behörden jedoch alle Umstände dieses Einzelfalls einschließlich der Zahl und der Gesamtdauer der in der Vergangenheit mit demselben Arbeitgeber geschlossenen befristeten Verträge berücksichtigen.
Erläuterungen
* Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999, die die zwischen den allgemeinen branchenübergreifenden Organisationen (EGB, UNICE und CEEP) geschlossene Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge durchführt (ABl. L 175, S. 43).
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 26.01.2012
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online
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