21.11.2024
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Dokument-Nr. 2291

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Bundesarbeitsgericht Urteil26.04.2006

Sachgrundlos befristete Arbeits­ver­hältnisse mit älteren Arbeitnehmern sind unwirksam§ 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG nicht anwendbar

Laut Gesetz ist die Befristung eines Arbeitsvertrags in der Regel nur zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Eine Ausnahme hiervon ist die Regelung, die die rot-grüne Regierung im Dezember 2002 erließ (Hartz-I-Reform). Das Alter von dem an befristete Arbeitsverträge auch ohne sachlichen Grund befristet werden können, wurde von 58 auf 52 Jahre herabgesetzt. Diese Neuerung hat der Europäische Gerichtshof allerdings als unzulässige Diskriminierung eingestuft. Dem hat sich das Bundes­a­r­beits­gericht angeschlossen und diese Regelung nun gekippt.

So ist unter anderem der Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags mit einem Arbeitnehmer, der bei Beginn des befristeten Arbeits­ver­hält­nisses das 58. Lebensjahr vollendet hat, ohne sachlichen Grund zulässig, wenn zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit demselben Arbeitgeber kein enger sachlicher Zusammenhang besteht (§ 14 Abs. 3 Satz 1 und 2 TzBfG).

Durch das Erste Gesetz für moderne Dienst­leis­tungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 ist die Altersgrenze für die sachgrundlose Befristung von älteren Arbeitnehmern bis zum 31.12.2006 auf 52 Jahre abgesenkt worden (§ 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG). Der Europäische Gerichtshof hat am 22. November 2005 entschieden, dass die nach § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG vorgesehene Befris­tungs­mög­lichkeit eine nach Gemein­schaftsrecht unzulässige Diskriminierung wegen des Alters darstellt und die Vorschrift von den nationalen Gerichten nicht angewendet werden darf. Der Siebte Senat des Bundes­a­r­beits­ge­richts hatte erstmals über die Wirksamkeit einer Befristung zu entscheiden, die von einem Arbeitgeber der Privat­wirt­schaft allein auf § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG gestützt wurde. Der 1950 geborene Kläger dieses Rechtsstreits war seit dem 12. Juli 1999 auf Grund mehrerer befristeter Arbeitsverträge bei der Beklagten als Aushilfe in der Produktion beschäftigt. Der zuletzt abgeschlossene Vertrag vom 18. Februar 2003 sah eine Befristung des Arbeits­ver­hält­nisses für die Zeit vom 19. Februar 2003 bis zum 31. März 2004 vor.

Die Vorinstanzen haben die Klage unter Berufung auf § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG abgewiesen. Der Siebte Senat hat der Befris­tungs­kon­trollklage des Klägers stattgegeben. In Folge der Entscheidung des Europäischen Gerichthofs sind allein auf § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG gestützte sachgrundlose Befristungen unwirksam. Der Arbeitgeber kann sich bei den bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs abgeschlossenen Verträgen auch nicht darauf berufen, auf die Gültigkeit der Vorschrift vertraut zu haben. Die Entscheidung über den sich aus dem Gemein­schaftsrecht ergebenden Vertrau­ens­schutz ist dem Europäischen Gerichtshof vorbehalten.

Dieser hat in der Entscheidung vom 22. November 2005 den Ausspruch über die Unanwendbarkeit von § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG in zeitlicher Hinsicht nicht begrenzt. Hieran sind die nationalen Gerichte gebunden. Die Beklagte konnte im Übrigen auch nach nationalem Recht keinen Vertrau­ens­schutz beanspruchen. Die Vereinbarkeit der Norm mit Gemein­schaftsrecht war im arbeits­recht­lichen Schrifttum bereits seit ihrem In-Kraft-Treten in Zweifel gezogen worden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 27/06 des BAG vom 26.04.2006

der Leitsatz

Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 22. November 2005 (- C-144/04 [Mangold] - ABl. EU 2006 Nr. C 36, 10) verstößt § 14 Abs. 3 Satz 4 TzBfG gegen Gemein­schaftsrecht und ist von den nationalen Gerichten nicht anzuwenden.

Der Europäische Gerichtshof hat mit dem auf den allgemeinen Grundsätzen des Gemein­schafts­rechts beruhenden Verbot der Alters­dis­kri­mi­nierung begründeten Unanwend­ba­r­keits­aus­spruch nicht die mit den deutschen Zustim­mungs­ge­setzen auf die Gemeinschaft übertragenen Kompetenzen überschritten.

Hat der Europäische Gerichtshof in einer die Unanwendbarkeit einer nationalen Norm aussprechenden Entscheidung die zeitliche Wirkung des Unanwend­ba­r­keits­aus­spruchs nicht eingeschränkt, dürfen die nationalen Gerichte die mit Gemein­schaftsrecht unvereinbare nationale Norm nicht zu Gunsten der auf ihre Gültigkeit vertrauenden Arbeits­ver­trags­partei anwenden.

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