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Dokument-Nr. 1322

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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil22.11.2005

EuGH festigt Schutz älterer Arbeitnehmer - Hartz-Gesetz insoweit nichtigÄltere Arbeitnehmer dürfen nicht unbegrenzt mit befristeten Verträgen beschäftigt werden

Das Ziel, die berufliche Eingliederung arbeitsloser älterer Arbeitnehmer zu fordern, rechtfertigt nicht nationale Rechts­vor­schriften, die uneingeschränkt den Abschluss befristeter Arbeitsverträge mit allen Arbeitnehmern zulassen, die das 52. Lebensjahr vollendet haben.

Das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters ist ein allgemeiner Grundsatz des Gemein­schafts­rechts. In diesem Zusammenhang soll mit der Richtlinie 2000/78* ein allgemeiner Rahmen zur Bekämpfung bestimmter Formen der Diskriminierung - u. a. wegen des Alters - in Beschäftigung und Beruf geschaffen werden. Eine unmittelbar auf das Alter gestützte Ungleich­be­handlung stellt grundsätzlich eine gemein­schafts­rechtlich verbotene Diskriminierung dar. Die Richtlinie lässt jedoch zu, dass die Mitgliedstaaten eine solche Ungleich­be­handlung vorsehen, und halt sie für nicht diskriminierend, wenn sie im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäf­ti­gungs­politik und Arbeitsmarkt, objektiv und angemessen gerechtfertigt ist. Daruber hinaus müssen die Mittel zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich sein.

Das Arbeitsgericht München hat dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Rahmen eines Rechtsstreits, bei dem es um das Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeits­ver­träge² (TzBfG) geht, mehrere Fragen zur Vorab­ent­scheidung vorgelegt, u. a. nach der Auslegung der Richtlinie 2000/78. Nach dem TzBfG ist der Abschluss befristeter Arbeitsverträge mit Arbeitnehmern, die das 52. Lebensjahr vollendet haben, uneingeschränkt zulässig, außer in einem spezifischen Fall eines fortbestehenden Arbeits­ver­hält­nisses.

Der Gerichtshof stellt fest, dass diese Rechts­vor­schriften klar bezwecken, die berufliche Eingliederung arbeitsloser älterer Arbeitnehmer zu fordern, weil diese erhebliche Schwierigkeiten haben, wieder einen Arbeitsplatz zu finden. Ein derartiges Ziel ist grundsätzlich eine "objektive und angemessene" Rechtfertigung einer Ungleich­be­handlung wegen des Alters.

Nationale Rechts­vor­schriften wie die des TzBfG gehen jedoch über das hinaus, was zur Erreichung des verfolgten legitimen Zieles angemessen und erforderlich ist.

Die Mitgliedstaaten verfügen zwar unbestreitbar über einen weiten Ermes­sens­spielraum bei der Wahl der Maßnahmen zur Erreichung ihrer Ziele im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik. Die Anwendung der in Rede stehenden nationalen Rechts­vor­schriften läuft nach Ansicht des Gerichtshofes jedoch darauf hinaus, dass allen Arbeitnehmern, die das 52. Lebensjahr vollendet haben, unterschiedslos- gleichgültig, ob und wie lange sie vor Abschluss des Arbeitsvertrags arbeitslos waren - bis zum Ruhestand befristete, unbegrenzt häufig verlängerbare Arbeitsverträge angeboten werden konnen. Diese große, ausschließlich nach dem Lebensalter definierte Gruppe von Arbeitnehmern läuft damit während eines erheblichen Teils ihres Berufslebens Gefahr, von festen Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nissen ausgeschlossen zu sein, die doch einen wichtigen Aspekt des Arbeit­neh­mer­schutzes darstellen. In der vorliegenden Rechtssache ist nicht nachgewiesen worden, dass die Festlegung einer Altersgrenze als solche unabhängig von anderen Erwägungen im Zusammenhang mit der Struktur des jeweiligen Arbeitsmarkts und der persönlichen Situation des Betroffenen zur Erreichung des Zieles der beruflichen Eingliederung arbeitsloser älterer Arbeitnehmer objektiv erforderlich ist.

Erläuterungen

*Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens fur die Verwirklichung der Gleich­be­handlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16).

²Gesetz uber Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge und zur Änderung und Aufhebung arbeits­recht­licher Bestimmungen vom 21. Dezember 2000 (BGBl. 2000 I S. 1966).

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 99/05 des EuGH vom 22.11.2005

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