21.11.2024
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Dokument-Nr. 7893

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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil19.05.2009

EuGH: Besitz und Betrieb von Apotheken bleibt ausschließlich Apothekern vorbehaltenItalienische und deutsche Rechts­vor­schriften sind durch das Ziel der angemessenen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln gerechtfertigt

Die Bestimmungen des EG-Vertrags zur Nieder­las­sungs­freiheit stehen den Vorschriften des deutschen und des italienischen Rechts, die vorsehen, dass nur Apotheker eine Apotheke besitzen und betreiben dürfen, nicht entgegen. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

In den Rechtssachen geht es hauptsächlich um die Frage, ob das Gemeinschaftsrecht den Vorschriften des italienischen und des deutschen Rechts entgegensteht, die vorsehen, dass nur Apotheker eine Apotheke besitzen und betreiben dürfen.

Die verbundenen Rechtssachen (Apothekerkammer des Saarlandes u. a.) gehen darauf zurück, dass das zuständige saarländische Ministerium der nieder­län­dischen Aktien­ge­sell­schaft DocMorris die Erlaubnis erteilt hat, ab dem 1. Juli 2006 eine Filialapotheke in Saarbrücken zu betreiben. Mehrere Apotheker und ihre Berufsverbände haben die Entscheidung des Ministeriums wegen Unvereinbarkeit mit dem deutschen Recht, das das Recht zum Besitz und Betrieb von Apotheken Apothekern vorbehält, vor dem Verwal­tungs­gericht des Saarlandes angefochten.

Das Verwal­tungs­gericht hat den Gerichtshof angerufen, um klären zu lassen, ob die Bestimmungen des Vertrags über die Niederlassungsfreiheit dahin auszulegen sind, dass sie einer derartigen Regelung entgegenstehen.

In der Rechtssache C-531/06 (Kommission / Italien) hat die Kommission unter anderem beantragt, festzustellen, dass Italien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus dem Gemein­schaftsrecht verstoßen hat, dass es den Besitz und den Betrieb privater Apotheken Apothekern vorbehält.

Ausschluss von Nichtapothekern stellt Beschränkung der Nieder­las­sungs­freiheit dar, stellt aber qualitativ hochwertige Arznei­mit­tel­ver­sorgung der Bevölkerung sicher

In seinen heutigen Urteilen stellt der Gerichtshof fest, dass der Ausschluss von Nichtapothekern vom Betrieb einer Apotheke oder vom Erwerb von Beteiligungen an Apotheken betreibenden Gesellschaften eine Beschränkung der Nieder­las­sungs­freiheit und des freien Kapitalverkehrs darstellt.

Diese Beschränkung lässt sich jedoch mit dem Ziel rechtfertigen, eine sichere und qualitativ hochwertige Arznei­mit­tel­ver­sorgung der Bevölkerung sicherzustellen.

Wenn eine Ungewissheit hinsichtlich des Vorliegens oder der Bedeutung von Gefahren für die menschliche Gesundheit bleibt, muss der Mitgliedstaat Schutzmaßnahmen treffen können, ohne warten zu müssen, bis der Beweis für das tatsächliche Bestehen dieser Gefahren vollständig erbracht ist. Außerdem kann der Mitgliedstaat diejenigen Maßnahmen treffen, die eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung, wozu im Einzelnen eine Gefahr für die sichere und qualitativ hochwertige Arznei­mit­tel­ver­sorgung der Bevölkerung gehört, weitestmöglich verringern.

In diesem Zusammenhang betont der Gerichtshof den ganz besonderen Charakter der Arzneimittel, deren therapeutische Wirkungen sie substanziell von den übrigen Waren unterscheiden.

Aufgrund dieser therapeutischen Wirkungen können Arzneimittel, wenn sie ohne Not oder falsch eingenommen werden, der Gesundheit schweren Schaden zufügen, ohne dass der Patient sich dessen bei ihrer Verabreichung bewusst sein kann.

Eine übermäßige Einnahme oder falsche Verwendung von Arzneimitteln führt außerdem zu einer Verschwendung finanzieller Mittel, die umso schädlicher ist, als der Pharmabereich erhebliche Kosten verursacht und wachsenden Bedürfnissen entsprechen muss, während die finanziellen Mittel, die für die Gesund­heits­pflege bereitgestellt werden können, unabhängig von der Art und Weise der Finanzierung nicht unbegrenzt sind.

Da die Mitgliedstaaten befugt sind, über das Niveau des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung zu entscheiden, können sie verlangen, dass Arzneimittel von Apothekern vertrieben werden, die über tatsächliche berufliche Unabhängigkeit verfügen.

Apotheker betreiben Geschäft nicht nur aus wirtschaft­lichen Zwecken

Es lässt sich nicht leugnen, dass ein Apotheker ebenso wie andere Personen das Ziel verfolgt, Gewinne zu erwirtschaften. Als Berufsapotheker ist bei ihm aber davon auszugehen, dass er die Apotheke nicht nur aus rein wirtschaft­lichen Zwecken betreibt, sondern auch unter einem beruflich-fachlichen Blickwinkel. Sein privates Interesse an Gewinnerzielung wird somit durch seine Ausbildung, seine berufliche Erfahrung und die ihm obliegende Verantwortung gezügelt, da ein etwaiger Verstoß gegen Rechts­vor­schriften oder berufs­rechtliche Regeln nicht nur den Wert seiner Investition, sondern auch seine eigene berufliche Existenz erschüttert.

Nichtapotheker unterscheiden sich von Apothekern dadurch, dass sie defini­ti­o­nsgemäß keine derjenigen der Apotheker entsprechende Ausbildung, Erfahrung und Verantwortung haben. Demnach bieten sie nicht die gleichen Garantien wie Apotheker.

Betrieb durch einen Nichtapotheker kann Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung darstellen

Folglich kann ein Mitgliedstaat im Rahmen seines Wertungs­spielraums der Ansicht sein, dass der Betrieb einer Apotheke durch einen Nichtapotheker eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung, insbesondere für die Sicherheit und Qualität des Einzel­han­dels­ver­triebs der Arzneimittel, darstellen kann.

Es ist auch nicht erwiesen, dass eine weniger beschränkende Maßnahme als der Ausschluss von Nichtapothekern es erlauben würde, ebenso wirksam das sich aus der Anwendung dieser Regel ergebende Niveau der Sicherheit und Qualität der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen.

Aufgrund seines Wertungs­spielraums kann ein Mitgliedstaat der Ansicht sein, dass die Gefahr besteht, dass in der Praxis gegen weniger beschränkende Regeln zur Sicherstellung der beruflichen Unabhängigkeit der Apotheker, wie etwa ein Kontroll- und Sanktionssystem, verstoßen wird, weil das Interesse eines Nichtapothekers an der Erzielung von Gewinnen nicht entsprechend dem der selbständigen Apotheker gemäßigt würde und die Unterstellung von Apothekern als Angestellte unter einen Betreiber es für sie schwierig machen könnte, sich den von diesem Betreiber erteilten Anweisungen zu widersetzen.

Der Gerichtshof gelangt zu dem Ergebnis, dass die Nieder­las­sungs­freiheit und der freie Kapitalverkehr einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die Personen, die keine Apotheker sind, den Besitz und den Betrieb von Apotheken verwehrt.

Der Gerichtshof weist auch die Klage wegen Vertrags­ver­letzung, die die Kommission gegen Italien erhoben hat, ab und stellt fest, dass nicht nur der Ausschluss der Nichtapotheker vom Betrieb einer privaten Apotheke gerechtfertigt sein kann, sondern auch das die Vertrie­bs­un­ter­nehmen pharma­zeu­tischer Produkte treffende Verbot, sich an kommunalen Apotheken zu beteiligen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 44/09 des EuGH vom 19.05.2009

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