03.12.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil15.09.2016

Geschäfts­inhaber mit öffentlichem WiFi-Netz haftet nicht für Urheberrechts­verletzungen seiner KundenZur Vorbeugung vor Rechts­ver­let­zungen kann Hotspot-Besitzer aber zur Sicherung des Zugangs verpflichtet werden

Ein Geschäfts­inhaber, der der Öffentlichkeit kostenlos ein WiFi-Netz zur Verfügung stellt, ist für Urheberrechts­verletzungen eines Nutzers nicht verantwortlich. Jedoch darf ihm durch eine Anordnung aufgegeben werden, sein Netz durch ein Passwort zu sichern, um diese Rechts­ver­let­zungen zu beenden oder ihnen vorzubeugen. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Herr Tobias Mc Fadden betreibt ein Geschäft für Licht- und Tontechnik, in dem er kostenlos ein öffentlich zugängliches WiFi-Netz bereitstellt, um die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden auf seine Waren und Dienst­leis­tungen zu lenken. Über dieses Netz wurde im Jahr 2010 ein musikalisches Werk, für das Sony die Rechte innehat, rechtswidrig zum Herunterladen angeboten. Das mit dem Rechtsstreit zwischen Sony und Herrn Mc Fadden befasste Landgericht München I ist der Ansicht, dass Herr Mc Fadden selbst die betreffenden Urheber­rechts­ver­let­zungen nicht begangen habe. Es hält jedoch seine mittelbare Haftung für diese Rechts­ver­letzung für denkbar, da er sein WiFi-Netz nicht gesichert habe. Da es Zweifel hat, ob die Richtlinie über den elektronischen Geschäfts­verkehr* einer solchen mittelbaren Haftung entgegensteht, hat es dem Gerichtshof eine Reihe von Fragen vorgelegt.

Die Haftung von Vermittlern, die Dienste der reinen Durchleitung von Daten anbieten, für eine von einem Dritten begangene rechtswidrige Handlung wird nämlich durch die Richtlinie beschränkt. Diese Haftungs­be­schränkung greift, wenn drei kumulative Voraussetzungen erfüllt sind: 1. Der Anbieter von Diensten hat die Übermittlung nicht veranlasst. 2. Er hat den Adressaten der Übertragung nicht ausgewählt. 3. Er hat die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert.

Geschäfts­inhaber mit öffentlichem WLAN erbringt "Dienst der Infor­ma­ti­o­ns­ge­sell­schaft" im Sinne der Richtlinie

In seinem Urteil stellt der Gerichtshof zunächst fest, dass ein Anbieter, der der Öffentlichkeit unentgeltlich ein WiFi-Netz zur Verfügung stellt, um die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden auf die Waren oder Dienst­leis­tungen eines Geschäfts zu lenken, damit einen "Dienst der Infor­ma­ti­o­ns­ge­sell­schaft" im Sinne der Richtlinie erbringt.

Urheber­rechts­inhaber hat gegen Anbieter von WLAN-Hotspot keinen Anspruch auf Schadensersatz

Der Gerichtshof bestätigt weiter, dass dann, wenn die drei genannten Voraussetzungen erfüllt sind, keine Haftung eines Anbieters bestehen kann, der wie Herr Mc Fadden Zugang zu einem Kommu­ni­ka­ti­o­nsnetz vermittelt. Daher hat der Urheber­rechts­inhaber gegen diesen Anbieter keinen Anspruch auf Schadensersatz, weil Dritte das WiFi-Netz zur Verletzung seiner Rechte benutzt haben. Da ein solcher Schaden­s­er­satz­an­spruch nicht besteht, kann der Urheber­rechts­inhaber auch keine Erstattung der für sein Schaden­s­er­satz­be­gehren aufgewendeten Abmahn- oder Gerichtskosten verlangen.

Hotspot-Anbieter können Maßnahmen zur Vorbeugung von Rechte­ver­let­zungen auferlegt werden

Hingegen läuft es der Richtlinie nicht zuwider, dass der Urheber­rechts­inhaber bei einer inner­staat­lichen Behörde oder einem inner­staat­lichen Gericht eine Anordnung beantragt, mit der dem Anbieter aufgegeben wird, jeder Urheberrechtsverletzung durch seine Kunden ein Ende zu setzen oder solchen Rechts­ver­let­zungen vorzubeugen.

Pflicht zur Sicherung des Inter­ne­t­an­schlusses durch ein Passwort zulässig

Der Gerichtshof stellt schließlich fest, dass eine Anordnung, mit der dem Anbieter die Sicherung des Inter­ne­t­an­schlusses durch ein Passwort aufgegeben wird, geeignet erscheint, ein Gleichgewicht zwischen den Rechten von Rechtsinhabern an ihrem geistigen Eigentum einerseits und dem Recht der Anbieter von Inter­net­zu­gangs­diensten auf unter­neh­me­rische Freiheit und dem Recht der Internetnutzer auf Infor­ma­ti­o­ns­freiheit andererseits herzustellen. Der Gerichtshof weist insbesondere darauf hin, dass eine solche Maßnahme dazu angetan ist, Nutzer eines Kommu­ni­ka­ti­o­ns­netzes von Urheber­rechts­ver­let­zungen abzuhalten. Um diesen Abschre­ckungs­effekt zu gewährleisten, ist es allerdings erforderlich, dass die Nutzer, um nicht anonym handeln zu können, ihre Identität offenbaren müssen, bevor sie das erforderliche Passwort erhalten.

Maßnahmen zur Überwachung der Kommunikation müssen nicht ergriffen werden

Dagegen schließt die Richtlinie ausdrücklich Maßnahmen aus, die auf eine Überwachung der durch ein Kommu­ni­ka­ti­o­nsnetz übermittelten Informationen abzielt. Auch eine Maßnahme, die in der vollständigen Abschaltung des Inter­ne­t­an­schlusses bestünde, ohne dass die unter­neh­me­rische Freiheit des Anbieters weniger beschränkende Maßnahmen in Betracht gezogen würden, wäre nicht geeignet, die einander wider­strei­tenden Rechte in Einklang zu bringen.

Erläuterungen

* Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Infor­ma­ti­o­ns­ge­sell­schaft, insbesondere des elektronischen Geschäfts­verkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäfts­verkehr“) (ABl. L 178, S. 1).

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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