22.11.2024
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Dokument-Nr. 1704

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Urteil17.02.2005Gerichtshof der Europäischen UnionC-453/02
Urteil17.02.2005Gerichtshof der Europäischen UnionC-462/02
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil17.02.2005

Gerichtshof der Europäischen Union Urteil17.02.2005

Glückspiel: Auch private Glückss­piel­be­treiber müssen keine Mehrwertsteuer zahlenUrteil des Europäischen Gerichtshofes in den Rechtssachen C-453/02 und C-462/02

Die Veranstaltung oder der Betrieb von Glücksspielen oder Glückss­piel­geräten außerhalb zugelassener öffentlicher Spielbanken darf nicht der Mehrwertsteuer unterworfen werden, wenn diese Tätigkeit in solchen Spielbanken steuerfrei ist. Jeder Veranstalter oder Betreiber kann sich vor den nationalen Steuerbehörden unmittelbar auf diese Steuerbefreiung berufen.

Herr Linneweber betrieb in Deutschland Geldspiel­au­tomaten in Gaststätten und in ihm gehörenden Spielhallen. Herr Akritidis betrieb, ebenfalls in Deutschland, einen Spielsalon, in dem er Kartenspiele veranstaltete. Die zuständigen Steuerbehörden vertraten die Ansicht, dass die Umsätze aus dem Betrieb der Geldspiel­au­tomaten und aus der Veranstaltung der Kartenspiele der Mehrwertsteuer unterlägen, da das deutsche Recht eine Steuerbefreiung solcher Umsätze nur dann vorsehe, wenn sie aus dem Betrieb einer zugelassenen öffentlichen Spielbank stammten. Der Bundesfinanzhof, der in letzter Instanz mit den Rechtss­trei­tig­keiten befasst ist, die sich aus dieser steuerlichen Behandlung ergeben haben, hat dem Gerichtshof hierzu mehrere Fragen vorgelegt.

Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass nach dem Umsatz­steu­er­gesetz die Glücksspiele und Glückss­piel­geräte aller Art unabhängig von der Form oder den Modalitäten ihrer Veranstaltung und ihres Betriebes steuerfrei sind, wenn sie in einer zugelassenen öffentlichen Spielbank veranstaltet oder betrieben werden. Außerdem unterliegen in Deutschland die zugelassenen öffentlichen Spielbanken hinsichtlich der Form der Spiele und der Art der Geräte, die sie veranstalten oder betreiben dürfen, keiner Beschränkung.

Sodann erinnert der Gerichtshof daran, dass nach der Sechsten Richtlinie1 die Veranstaltung oder der Betrieb von Glücksspielen und Glückss­piel­geräten grundsätzlich von der Mehrwertsteuer zu befreien ist, wobei die Mitgliedstaaten aber dafür zuständig bleiben, die Bedingungen und Grenzen dieser Befreiung festzulegen. Allerdings – so betont der Gerichtshof – müssen die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Zuständigkeit den Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachten.

Dieser Grundsatz verlangt insbesondere, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Dienst­leis­tungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer gleich zu behandeln und auf sie einen einheitlichen Steuersatz anzuwenden. Für die Prüfung der Gleichartigkeit der Dienst­leis­tungen sind aber die Identität des Dienst­leis­tungs­er­bringers sowie die Rechtsform, in der dieser seine Tätigkeiten ausübt, grundsätzlich nicht von Bedeutung. Folglich dürfen die Mitgliedstaaten die Befreiung von der Mehrwertsteuer nicht von der Identität des Veranstalters oder Betreibers von Glücksspielen oder Glückss­piel­geräten abhängig machen.

Der Gerichtshof stellt daher fest, dass die Sechste Richtlinie nationalen Rechts­vor­schriften entgegensteht, wonach die Veranstaltung oder der Betrieb von Glücksspielen und Glückss­piel­geräten aller Art in zugelassenen öffentlichen Spielbanken steuerfrei ist, während diese Steuerbefreiung für die Ausübung der gleichen Tätigkeit durch Wirtschafts­teil­nehmer, die nicht Spiel­bank­be­treiber sind, nicht gilt.

Außerdem hat die einschlägige Bestimmung der Sechsten Richtlinie, die die Steuerbefreiung von Glückss­piel­geräten und Glücksspielen vorsieht, unmittelbare Wirkung in dem Sinne, dass sich ein Veranstalter oder Betreiber dieser Spiele und Geräte vor den nationalen Gerichten darauf berufen kann, um die Anwendung mit dieser Bestimmung unvereinbarer inner­staat­licher Rechts­vor­schriften zu verhindern.

Schließlich weist der Gerichtshof zu dem Ersuchen der deutschen Regierung, die zeitliche Wirkung seines Urteils zu beschränken, darauf hin, dass durch die Auslegung einer Vorschrift des Gemein­schafts­rechts, die der Gerichtshof vornimmt, erläutert und verdeutlicht wird, in welchem Sinne und mit welcher Tragweite diese Vorschrift seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre. Daraus folgt, dass die Gerichte die Vorschriften in dieser Auslegung auch auf Rechts­ver­hältnisse, die vor Erlass des auf das Ersuchen um Auslegung ergangenen Urteils entstanden sind, anwenden können und müssen, wenn alle sonstigen Voraussetzungen für die Anrufung der zuständigen Gerichte in einem die Anwendung dieser Vorschriften betreffenden Streit vorliegen. Die finanziellen Konsequenzen, die sich aus einer Vorab­ent­scheidung für einen Mitgliedstaat ergeben können, rechtfertigen für sich allein nicht die zeitliche Begrenzung der Wirkungen des betreffenden Urteils. Somit lehnt es der Gerichtshof ab, die zeitliche Wirkung des vorliegenden Urteils zu beschränken.

vgl. auch Nieder­säch­sisches Finanzgericht, Urtl. v. 07.12.2006: Keine Umsatz­steu­er­be­freiung für den Betrieb von Unter­hal­tungs­geräten (sog. "Fun-Games")

Quelle: ra-online Redaktion, Pressemitteilung 12/05 des EuGH vom 17.02.2005

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