21.11.2024
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Dokument-Nr. 9919

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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil08.07.2010

EuGH zu Verboten von Glücksspielen privater Veranstalter aus anderen Mitgliedstaaten im InternetAhndung der Förderung von Glücksspielen ohne Genehmigung darf im eigenen Mitgliedsstaat nicht anders behandelt werden als außerhalb des Mitgliedstaats

Die schwedische Regelung, die die Förderung von Glücksspielen verbietet, die im Internet von privaten Veranstaltern aus anderen Mitgliedstaaten zu Erwerbszwecken veranstaltet werden, steht im Einklang mit dem Gemein­schaftsrecht. Das Gemein­schaftsrecht steht jedoch einer nationalen Regelung entgegen, nach der die Förderung von Glücksspielen, die in Schweden ohne Genehmigung veranstaltet werden, anders geahndet wird als die Förderung von Glücksspielen, die außerhalb Schwedens veranstaltet werden.

Nach dem schwedischen Glückss­pielrecht ist die Förderung von Glücksspielen, die außerhalb Schwedens veranstaltet werden, in Schweden verboten und wird geahndet. Nach diesem Recht ist die Veranstaltung derartiger Spiele Veranstaltern vorbehalten, die gemeinnützige oder im Allge­mein­in­teresse liegende Ziele verfolgen.

Sachverhalt

Herr Sjöberg und Herr Gerdin waren Chefredakteure und verantwortliche Herausgeber der schwedischen Zeitungen Expressen und Aftonbladet. Zwischen November 2003 und August 2004 ließen sie im Sportteil ihrer Zeitungen Werbeanzeigen für Glücksspiele veröffentlichen, die von den in Malta und im Vereinigten Königreich nieder­ge­lassenen Unternehmen Expekt, Unibet, Ladbrokes und Centrebet auf ihren Internetseiten angeboten wurden. Für diese Handlungen, die nach dem schwedischen Glückss­pielrecht als Straftat eingestuft wurden, wurden sie in erster Instanz zu einer Geldstrafe von jeweils 50 000 SEK (etwa 5 200 Euro) verurteilt.

Nationales Gericht legt EuGH Frage zur Vereinbarkeit der Rechts­vor­schriften mit dem Gemein­schaftsrecht vor

Das Svea Hovrätt, das für die von Herrn Sjöberg und Herrn Gerdin eingelegte Berufung zuständige höhere Gericht in Stockholm, möchte klären lassen, ob die angewandten Rechts­vor­schriften, insbesondere soweit sie für die in Schweden stattfindende Förderung von im Ausland veranstalteten Lotterien bestimmte Strafen festlegen, mit dem Gemein­schaftsrecht in Einklang stehen.

Gemein­schaftsrecht kann Aufhebung jeder Beschränkung des freien Dienst­leis­tungs­verkehrs verlangen

In seinem Urteil weist der Gerichtshof zunächst darauf hin, dass das Gemein­schaftsrecht die Aufhebung jeder Beschränkung des freien Dienst­leis­tungs­verkehrs verlangt – selbst wenn sie unterschiedslos für inländische Dienstleistende wie für solche aus den anderen Mitgliedstaaten gilt –, sofern sie geeignet ist, die Tätigkeiten des Dienst­leis­tenden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, in dem er rechtmäßig ähnliche Dienst­leis­tungen erbringt, zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen.

Schwedische Regelung hat Beschränkung der Teilnahme schwedischer Verbraucher an Glücksspielen zur Folge

Der Gerichtshof stellt fest, dass die schwedische Regelung, die bewirkt, dass sowohl die Förderung von Glücksspielen, die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig veranstaltet werden, als auch von solchen, die in Schweden ohne Genehmigung veranstaltet werden, verboten ist, eine Beschränkung der Teilnahme schwedischer Verbraucher an diesen Spielen zur Folge hat.

Mitgliedstaaten steht frei, Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele festzulegen und genau zu bestimmen

Das Gemein­schaftsrecht lässt jedoch Beschränkungen zu, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind. In Ermangelung einer Harmonisierung auf Unionsebene in Bezug auf Glücksspiele ist es Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, in diesem Bereich im Einklang mit ihrer eigenen Wertordnung zu beurteilen, wie die betroffenen Interessen zu schützen sind. Somit steht es den Mitgliedstaaten frei, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele festzulegen und gegebenenfalls das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen. Die von ihnen vorge­schriebenen Beschränkungen müssen jedoch den Anforderungen an ihre Verhält­nis­mä­ßigkeit genügen, die sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergeben. Insbesondere ist zu prüfen, ob die schwedische Regelung geeignet ist, die Verwirklichung eines oder mehrerer der von diesem Mitgliedstaat geltend gemachten legitimen Ziele zu gewährleisten, und ob sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

Ausschluss privater Erwer­b­s­in­teressen vom Glückss­piel­sektor ist grundlegendes Prinzip der schwedischen Gesetzgebung auf diesem Gebiet

Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts steht fest, dass der Ausschluss privater Erwer­b­s­in­teressen vom Glückss­piel­sektor ein grundlegendes Prinzip der schwedischen Gesetzgebung auf diesem Gebiet ist. Diese Tätigkeiten sind in Schweden Einrichtungen vorbehalten, die gemeinnützige oder im Allge­mein­in­teresse liegende Ziele verfolgen, und Genehmigungen für die Veranstaltung von Glücksspielen sind ausschließlich öffentlichen oder karitativen Einrichtungen erteilt worden.

Mitgliedstaat darf Veranstaltung von Glücksspielen zu beschränken und sie öffentlichen oder karitativen Einrichtungen anvertrauen

Hierzu stellt der Gerichtshof fest, dass kulturelle, sittliche oder religiöse Erwägungen Beschränkungen der Dienst­leis­tungs­freiheit von Glückss­piel­ver­an­staltern rechtfertigen können, da es insbesondere als inakzeptabel angesehen werden könnte, zuzulassen, dass durch die Ausnutzung eines sozialen Übels oder der Schwäche und des Unglücks der Spieler private Gewinne erzielt werden. Nach der jedem Mitgliedstaat eigenen Wertordnung und im Hinblick auf den Ermes­sens­spielraum, über den die Mitgliedstaaten verfügen, steht es einem Mitgliedstaat frei, die Veranstaltung von Glücksspielen zu beschränken und sie öffentlichen oder karitativen Einrichtungen anzuvertrauen.

Nationale Regelung wird Ziel gerecht, private Erwer­b­s­in­teressen vom Glückss­piel­sektor auszuschließen und ist somit gerechtfertigt

Da es sich bei den Veranstaltern, die die Anzeigen schalten ließen, die zu den in den Ausgangs­ver­fahren in Rede stehenden Straf­ver­fol­gungen geführt haben, um private Unternehmen handelt, die Erwerbszwecke verfolgen und die nach schwedischem Recht niemals eine Genehmigung für die Veranstaltung von Glücksspielen hätten erhalten können, gelangt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass die schwedische Regelung dem Ziel gerecht wird, private Erwer­b­s­in­teressen vom Glückss­piel­sektor auszuschließen, und dass sie als zur Erreichung dieses Ziels erforderlich angesehen werden kann. Das Gemein­schaftsrecht steht dieser Regelung daher nicht entgegen.

Schwedisches Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen nur für Förderung von Glücksspielen vor, die in anderen Mitgliedstaaten veranstaltet werden

Ferner stellt der Gerichtshof fest, dass das vom Svea hovrätt angeführte schwedische Gesetz strafrechtliche Sanktionen nur für die Förderung von Glücksspielen vorsieht, die in anderen Mitgliedstaaten veranstaltet werden, während es auf die Förderung von Glücksspielen, die in Schweden ohne Genehmigung veranstaltet werden, keine Anwendung findet und letztgenannter Verstoß nur mit einer Geldbuße geahndet wird. Jedoch besteht zwischen der schwedischen Regierung einerseits und Herrn Sjöberg und Herrn Gerdin andererseits Uneinigkeit darüber, ob ein anderes schwedisches Gesetz für die Förderung von Glücksspielen, die in Schweden ohne Genehmigung veranstaltet werden, entsprechende Sanktionen vorsieht wie für die Förderung von Glücksspielen, die in einem anderen Mitgliedstaat veranstaltet werden.

Nationales Gericht muss prüfen, ob die unter verschiedene Gesetze fallenden Rechtssachen dennoch gleichbehandelt werden können

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass die Auslegung der nationalen Vorschriften im Rahmen des vorliegenden Verfahrens Sache der Gerichte der Mitgliedstaaten und nicht des Gerichtshofs ist. Daher hat das vorlegende Gericht zu prüfen, ob die beiden in Rede stehenden Vergehen, obwohl sie unter verschiedene Gesetze fallen, dennoch gleichbehandelt werden. Es wird insbesondere prüfen müssen, ob sie von den zuständigen Behörden in der Praxis mit der gleichen Sorgfalt verfolgt werden und zur Verhängung vergleichbarer Strafen durch die zuständigen Gerichte führen.

Schwedische Regelung enthält möglicherweise Diskri­mi­nie­rungen, die Gemein­schaftsrecht zuwiderlaufen

Daher kann die nationale Regelung, wenn beide Vergehen gleichbehandelt werden, nicht als diskriminierend angesehen werden. Setzen sich dagegen Personen, die in Schweden ohne Genehmigung veranstaltete Glücksspiele fördern, weniger strengen Sanktionen aus als Personen, die im Ausland veranstaltete Glücksspiele bewerben, enthält die schwedische Regelung eine Diskriminierung die dem Gemein­schaftsrecht zuwiderläuft.

Quelle: ra-online, EuGH

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