21.11.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil23.04.2015

Tierschutz beim Transport endet nicht an den Außengrenzen der UnionEinhaltung von Zeitabständen für Tränken und Füttern sowie Beförderungs- und Ruhezeiten müssen auch außerhalb der EU sichergestellt werden

Der im Unionsrecht vorgesehene Schutz von Tieren beim Transport endet nicht an den Außengrenzen der Union. Die Anforderungen an die Zeitabstände für das Füttern und Tränken sowie an die Beförderungs- und Ruhezeiten gelten auch für den Teil der Beförderung, der außerhalb der Union stattfindet. Dies geht aus einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union hervor.

Nach den Unionsverträgen tragen die Union und die Mitgliedstaaten den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere als fühlende Wesen in vollem Umfang Rechnung. Zu diesem Zweck hat der Unions­ge­setzgeber den Schutz von Tieren beim Transport in einer Verordnung detailliert geregelt*. Diese Verordnung beruht zum einen auf dem Grundsatz, dass ein Transport von Tieren nicht durchgeführt werden darf, wenn den Tieren dabei Verletzungen oder unnötige Leiden zugefügt werden könnten, und zum anderen auf der Erwägung, dass das Wohlergehen der Tiere es erfordert, lange Beförderungen auf ein Mindestmaß zu begrenzen.

Bayerischer VGH erbittet Vorab­ent­scheidung des EuGH zu den Anforderungen an das Fahrtenbuch

Der Bayerische Verwal­tungs­ge­richtshof** möchte wissen, ob die Anforderungen an das Fahrtenbuch und die Befugnis der zuständigen Behörde des Versandorts, gegebenenfalls Änderungen der Planung zu verlangen, bei einem Transport von einem Mitgliedstaat in einen Drittstaat auch für den außerhalb der Union stattfindenden Beför­de­rungs­ab­schnitt gelten.

Fahrtenbuch muss Einhaltung von Zeitabständen für Tränken und Füttern sowie Beförderungs- und Ruhezeiten belegen

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat diese Frage. Die Genehmigung eines Transports, der mit einer langen Beförderung von Pferden, Rindern, Schweinen, Schafen oder Ziegen verbunden ist, durch die zuständige Behörde des Versandorts setzt daher voraus, dass der Organisator des Transports ein Fahrtenbuch vorlegt, das wirklich­keitsnahe Angaben enthält und darauf schließen lässt, dass die Bestimmungen der Verordnung auch für den außerhalb der Union stattfindenden Beför­de­rungs­ab­schnitt eingehalten werden. Die sich aus dem Fahrtenbuch ergebende Beför­de­rungs­planung muss erkennen lassen, dass der vorgesehene Transport u. a. die technischen Vorschriften über die Zeitabstände für das Tränken und Füttern sowie über die Beförderungs- und Ruhezeiten einhalten wird***. Erfüllt das Fahrtenbuch diese Anforderungen nicht, darf die Behörde eine Änderung der Planung verlangen.

Fahrtenbuch muss auch Eintragungen zu Beför­de­rungs­ab­schnitten bei Trans­port­ab­schnitten in Drittländern beinhalten

Die Verordnung unterwirft nämlich Tiertransporte aus dem Unionsgebiet in Drittländer keiner besonderen Geneh­mi­gungs­re­gelung, die sich von der Regelung für Transporte innerhalb der Union unterschiede. Der Organisator einer langen Beförderung ist verpflichtet, der zuständigen Behörde des Versandorts eine Kopie des die Beför­de­rungs­planung betreffenden Abschnitts 1 des Fahrtenbuchs mit den ordnungsgemäßen Eintragungen zu übermitteln. Die Angaben in Abschnitt 1, die u. a. die voraus­sicht­lichen Ruhe-, Umlade- oder Ausgangsorte betreffen, müssen den gesamten vorgesehenen Trans­port­vorgang vom Versand- bis zum Bestimmungsort umfassen. Somit muss das Fahrtenbuch bei langen Beförderungen in Drittländer die erforderlichen Angaben zu den Zeitabständen für das Tränken und Füttern sowie zu den Beförderungs- und Ruhezeiten sowohl für den Beför­de­rungs­ab­schnitt enthalten, der im Unionsgebiet stattfindet, als auch für den in Drittländern stattfindenden Abschnitt.

Behörden dürfen bei schwieriger Verwal­tung­s­praxis eines Drittlands wirklich­keitsnahe Trans­port­planung akzeptieren

Nach Ansicht des Gerichtshofs verfügt die zuständige Behörde im Rahmen der Kontrolle des Fahrtenbuchs vor der Durchführung der Beförderung über ein gewisses Ermessen, das es ihr ermöglicht, den Unwägbarkeiten, die eine zum Teil in Drittländern stattfindende lange Beförderung mit sich bringt, angemessen Rechnung zu tragen. Sollten das Recht oder die Verwal­tung­s­praxis eines zu durchquerenden Drittlands in nachprüfbarer und definitiver Weise der vollständigen Einhaltung bestimmter technischer Vorschriften der Verordnung entgegenstehen, darf die zuständige Behörde des Versandorts im Rahmen ihres Ermessens auch eine wirklich­keitsnahe Trans­port­planung akzeptieren, die insbesondere unter Berück­sich­tigung der Ausstattung der Transportmittel und der vorgesehenen Organisation der Beförderung darauf schließen lässt, dass der geplante Transport das Wohlergehen der Tiere in gleichem Maß gewährleisten wird wie die fraglichen technischen Vorschriften.

Behörde darf zur Sicherung des Tierschutzes Änderung der Trans­port­planung veranlassen

Die Behörde ist jedenfalls berechtigt, u. a. eine Änderung der Planung des betreffenden Transports zu verlangen, die gewährleistet, dass er eine ausreichende Zahl von Ruhe- und Umladeorten passieren wird, so dass angenommen werden kann, dass er die Anforderungen an die Zeitabstände für das Tränken und Füttern sowie an die Beförderungs- und Ruhezeiten erfüllen wird.

Erläuterungen

* Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates vom 22. Dezember 2004 über den Schutz von Tieren beim Transport und damit zusam­men­hän­genden Vorgängen sowie zur Änderung der Richtlinien 64/432/EWG und 93/119/EG und der Verordnung (EG) Nr. 1255/97 (ABl. 2005, L 3, S. 1, berichtigt im ABl. 2011, L 336, S. 86).

** Der Bayerische Verwal­tungs­ge­richtshof ist mit einem Rechtsstreit zwischen dem deutschen Unternehmen Zuchtvieh-Export GmbH und der Stadt Kempten befasst, die als zuständige Behörde des Versandorts die Abfertigung eines Straßen­transports von Rindern, der von Kempten nach Andijan (Usbekistan) durchgeführt werden sollte, verweigerte und eine Änderung der Beför­de­rungs­planung verlangte. Sie war nämlich der Auffassung, das Fahrtenbuch für diese Strecke von 7 000 km (über Polen, Weißrussland, Russland und Kasachstan) erfülle nicht die Anforderungen der Verordnung, da darin keine Ruhe- oder Umladeorte für den etwa 146 Stunden dauernden Beför­de­rungs­ab­schnitt in Drittländern, zwischen den Orten Brest (Weißrussland) und Karaganda (Kasachstan), vorgesehen seien.

*** So dürfen lange Straßen­be­för­de­rungen von Rindern unter bestimmten Voraussetzungen bis zu 14 Stunden dauern. Im Anschluss muss eine mindestens einstündige Ruhepause eingehalten werden, während der die Rinder getränkt und nötigenfalls gefüttert werden müssen. Danach kann die Beförderung für bis zu 14 Stunden fortgesetzt werden. Anschließend müssen die Tiere entladen, gefüttert und getränkt werden und eine Ruhezeit von mindestens 24 Stunden erhalten.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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