Mit Entscheidung des Leiters der griechischen Polizei wurde ein Auswahlverfahren für die Zulassung zur griechischen Polizeischule für das akademische Jahr 2007/2008 bekannt gegeben. In dieser Bekanntmachung wurde eine Bestimmung des griechischen Rechts übernommen, wonach alle Bewerber unabhängig von ihrem Geschlecht mindestens 1,70 m groß sein müssen. Frau Maria-Eleni Kalliri wurde die Teilnahme an dem Auswahlverfahren für den Zugang zur Polizeischule verweigert, weil sie die vorgeschriebene Größe nicht erreichte.
Frau Kalliri war der Ansicht, dass sie aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert worden sei, und erhob gegen diese Entscheidung Klage beim Dioikitiko Efeteio Athinon (Verwaltungsberufungsgericht Athen). Das Dioikitiko Efeteio Athinon hob die Entscheidung auf und stellte fest, dass das griechische Gesetz den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichheit zwischen Männern und Frauen verletze.
Der Innenminister und der Minister für nationales Erziehungswesen und Religionsangelegenheiten legten gegen diese Entscheidung Berufung beim Symvoulio tis Epikrateias (Staatsrat, Griechenland) ein. Dieser fragt den Gerichtshof, ob das Unionsrecht* einer nationalen Regelung entgegensteht, die für alle Bewerber, männlichen oder weiblichen Geschlechts, für das Auswahlverfahren für die Zulassung zur Polizeischule eine einheitliche Mindestkörpergröße festsetzt.
In seinem Urteil stellte der Gerichtshof fest, dass die Festsetzung einer einheitlichen Mindestkörpergröße für alle Bewerber, männlichen oder weiblichen Geschlechts, zu einer mittelbaren Diskriminierung führt, da sie eine sehr viel höhere Zahl von Personen weiblichen Geschlechts als männlichen Geschlechts benachteiligt.
Eine solche Regelung stellt jedoch keine verbotene mittelbare Diskriminierung dar, wenn zwei Voraussetzungen, deren Vorliegen das nationale Gericht zu überprüfen hat, erfüllt sind:
1) Die Regelung muss durch ein rechtmäßiges Ziel, wie das Bemühen, die Einsatzbereitschaft und das ordnungsgemäße Funktionieren der Polizei zu gewährleisten, sachlich gerechtfertigt sein (vgl. Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil v. 13. November 2014 - C-416/13- und Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil v. 15.11.2016 - C-258/15 -) und
2) die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein.
Zwar können bestimmte Tätigkeiten der Polizei die Anwendung körperlicher Gewalt erfordern und besondere körperliche Fähigkeiten erforderlich machen, dennoch erfordern andere Polizeiaufgaben wie der Beistand für den Bürger und die Verkehrsregelung offenkundig keinen hohen körperlichen Einsatz.
Auch wenn im Übrigen angenommen werden sollte, dass alle von der griechischen Polizei ausgeübten Aufgaben eine besondere körperliche Eignung erfordern, ist eine solche Eignung nicht zwangsläufig mit dem Besitz einer Mindestkörpergröße verbunden. Das Ziel, die wirksame Erfüllung der Aufgabe der griechischen Polizei zu gewährleisten, könnte jedenfalls mit Maßnahmen erreicht werden, die für Frauen weniger nachteilig sind, wie eine Vorauswahl der Bewerber zur Überprüfung ihrer körperlichen Fähigkeiten.
Erläuterungen
* Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. 1976, L 39, S. 40) in der durch die Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 (ABl. 2003, L 269, S. 15) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 76/207). Vgl. außerdem die Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (ABl. 2006, L 204, S. 23) und die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16).
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 18.10.2017
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online