15.11.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil18.10.2017

Festlegung einer Mindest­kör­pergröße unabhängig vom Geschlecht für Zulassung zur Polizeischule in Griechenland diskriminierendVorschrift zum ordnungsgemäßen Funktionieren der Polizei voraussichtlich nicht notwendig

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass eine Regelung, die als Kriterium für die Zulassung zu einer Polizeischule unabhängig vom Geschlecht eine Mindest­kör­pergröße vorsieht, eine unerlaubte Diskriminierung von Frauen darstellen kann. Eine solche Maßnahme ist unter Umständen nicht notwendig, um das ordnungsgemäße Funktionieren der Polizei zu gewährleisten.

Mit Entscheidung des Leiters der griechischen Polizei wurde ein Auswahl­ver­fahren für die Zulassung zur griechischen Polizeischule für das akademische Jahr 2007/2008 bekannt gegeben. In dieser Bekanntmachung wurde eine Bestimmung des griechischen Rechts übernommen, wonach alle Bewerber unabhängig von ihrem Geschlecht mindestens 1,70 m groß sein müssen. Frau Maria-Eleni Kalliri wurde die Teilnahme an dem Auswahl­ver­fahren für den Zugang zur Polizeischule verweigert, weil sie die vorgeschriebene Größe nicht erreichte.

Klägerin fühlt sich durch Vorgaben diskriminiert

Frau Kalliri war der Ansicht, dass sie aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert worden sei, und erhob gegen diese Entscheidung Klage beim Dioikitiko Efeteio Athinon (Verwal­tungs­be­ru­fungs­gericht Athen). Das Dioikitiko Efeteio Athinon hob die Entscheidung auf und stellte fest, dass das griechische Gesetz den verfas­sungs­recht­lichen Grundsatz der Gleichheit zwischen Männern und Frauen verletze.

Nationales Gericht erbittet Vorab­ent­scheidung des EuGH zur Vereinbarkeit der Vorschrift mit EU-Recht

Der Innenminister und der Minister für nationales Erziehungswesen und Religi­o­ns­an­ge­le­gen­heiten legten gegen diese Entscheidung Berufung beim Symvoulio tis Epikrateias (Staatsrat, Griechenland) ein. Dieser fragt den Gerichtshof, ob das Unionsrecht* einer nationalen Regelung entgegensteht, die für alle Bewerber, männlichen oder weiblichen Geschlechts, für das Auswahl­ver­fahren für die Zulassung zur Polizeischule eine einheitliche Mindest­kör­pergröße festsetzt.

EuGH: Festsetzung einer einheitlichen Mindest­kör­pergröße führt zu mittelbarer Diskriminierung

In seinem Urteil stellte der Gerichtshof fest, dass die Festsetzung einer einheitlichen Mindest­kör­pergröße für alle Bewerber, männlichen oder weiblichen Geschlechts, zu einer mittelbaren Diskriminierung führt, da sie eine sehr viel höhere Zahl von Personen weiblichen Geschlechts als männlichen Geschlechts benachteiligt.

Keine verbotene mittelbare Diskriminierung bei Erfüllung bestimmter Voraussetzung

Eine solche Regelung stellt jedoch keine verbotene mittelbare Diskriminierung dar, wenn zwei Voraussetzungen, deren Vorliegen das nationale Gericht zu überprüfen hat, erfüllt sind:

1) Die Regelung muss durch ein rechtmäßiges Ziel, wie das Bemühen, die Einsatz­be­reit­schaft und das ordnungsgemäße Funktionieren der Polizei zu gewährleisten, sachlich gerechtfertigt sein (vgl. Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil v. 13. November 2014 - C-416/13- und Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil v. 15.11.2016 - C-258/15 -) und

2) die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein.

Zwar können bestimmte Tätigkeiten der Polizei die Anwendung körperlicher Gewalt erfordern und besondere körperliche Fähigkeiten erforderlich machen, dennoch erfordern andere Polizeiaufgaben wie der Beistand für den Bürger und die Verkehrs­re­gelung offenkundig keinen hohen körperlichen Einsatz.

Körperliche Eignung ist nicht zwangsläufig mit Besitz einer Mindest­kör­pergröße verbunden

Auch wenn im Übrigen angenommen werden sollte, dass alle von der griechischen Polizei ausgeübten Aufgaben eine besondere körperliche Eignung erfordern, ist eine solche Eignung nicht zwangsläufig mit dem Besitz einer Mindest­kör­pergröße verbunden. Das Ziel, die wirksame Erfüllung der Aufgabe der griechischen Polizei zu gewährleisten, könnte jedenfalls mit Maßnahmen erreicht werden, die für Frauen weniger nachteilig sind, wie eine Vorauswahl der Bewerber zur Überprüfung ihrer körperlichen Fähigkeiten.

Erläuterungen
* Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleich­be­handlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeits­be­din­gungen (ABl. 1976, L 39, S. 40) in der durch die Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 (ABl. 2003, L 269, S. 15) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 76/207). Vgl. außerdem die Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancen­gleichheit und Gleich­be­handlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäf­ti­gungs­fragen (ABl. 2006, L 204, S. 23) und die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleich­be­handlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16).

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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