21.11.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil24.03.2011

EuGH: Eröffnung großer Einzel­han­del­s­ein­rich­tungen dürfen nicht von wirtschaft­lichen Erwägungen abhängig gemacht werdenSpanische Regelung stellt Beschränkung der Nieder­las­sungs­freiheit dar

Ein Mitgliedstaat kann die Eröffnung großer Einzel­han­del­s­ein­rich­tungen nicht von wirtschaft­lichen Erwägungen – z. B. den Auswirkungen auf die bestehenden Einzel­han­dels­ge­schäfte oder der Ansiedlung eines Unternehmens auf dem Markt –abhängig machen. Eine Beschränkung der Nieder­las­sungs­freiheit kann nicht mit solchen Erwägungen gerechtfertigt werden. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.

Die Europäische Kommission hat die vorliegende Vertrags­ver­let­zungsklage gegen Spanien erhoben, weil die Niederlassungsfreiheit der Regelung über die Bedingungen für die Ansiedlung großer Einzel­han­del­s­ein­rich­tungen im Gebiet der Autonomen Gemeinschaft Katalonien ihrer Ansicht entgegensteht.

Neueröffnungen großer Einzel­han­del­s­ein­richtung unterliegen Beschränkungen

So unterliegt jede Neueröffnung einer großen Einzel­han­del­s­ein­richtung im Gebiet der Autonomen Gemeinschaft Katalonien einer Regelung über die vorherige Einholung einer Erlaubnis. Diese Erlaubnis sieht für die Gebiete, die für neue Einzel­han­del­s­ein­rich­tungen in Betracht kommen, sowie für die Verkaufsflächen dieser Einrichtungen Beschränkungen vor.

Streitige Regelung beeinträchtigt Niederlassung auf spanischem Markt

Der Gerichtshof der Europäischen Union stellt in seinem Urteil fest, dass die streitige Regelung insgesamt eine Beschränkung der Nieder­las­sungs­freiheit darstellt. Sie ist nämlich geeignet, für Wirtschafts­teil­nehmer anderer Mitgliedstaaten die Ausübung ihrer Tätigkeit im Gebiet der Autonomen Gemeinschaft Katalonien weniger attraktiv zu machen und dadurch ihre Niederlassung auf dem spanischen Markt zu beeinträchtigen.

Beschränkung der Nieder­las­sungs­freiheit kann durch zwingende Gründe des Allge­mein­in­teresses gerechtfertigt sein

Der Gerichtshof weist allerdings darauf hin, dass eine Beschränkung der Nieder­las­sungs­freiheit der vorliegenden Art durch zwingende Gründe des Allge­mein­in­teresses gerechtfertigt sein kann, sofern sie geeignet sind, die Erreichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das zur Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinausgehen. Zu derartigen zwingenden Gründen des Allge­mein­in­teresses gehören u. a. der Umweltschutz, die Raumordnung und der Verbrau­cher­schutz. Rein wirtschaftliche Ziele können dagegen kein zwingender Grund des Allge­mein­in­teresses sein. Nach diesem Hinweis prüfte der Gerichtshof, ob einige Vorschriften der Regelung gerechtfertigt sein können.

Spanien verstößt mit Regelung gegen Nieder­las­sungs­freiheit

Der Gerichtshof stellt fest, dass Spanien dadurch gegen die ihm nach dem Grundsatz der Nieder­las­sungs­freiheit obliegenden Verpflichtungen verstoßen hat, dass es Vorschriften erlassen und aufrecht­er­halten hat, die

1. die Ansiedlung großer Einzel­han­del­s­ein­rich­tungen außerhalb von konsolidierten städtischen Gebieten einer begrenzten Anzahl von Gemeinden verbieten,

2. die Ansiedlung neuer Verbrau­cher­märkte auf Bezirke beschränken, in denen kein Überangebot an Einzel­han­del­s­ein­rich­tungen besteht und

3. vorsehen, dass auf solche neuen Verbrau­cher­märkte nicht mehr als 9 % der Ausgaben für Produkte des täglichen Bedarfs und 7 % der Ausgaben für Produkte des mittel- und langfristigen Bedarfs entfallen dürfen.

Spezifischen Beschränkungen großer Einzel­han­del­s­ein­rich­tungen hinsichtlich Standort und Größe nicht gerechtfertigt

Zwar sind Beschränkungen in Bezug auf den Standort und die Größe von Einzel­han­del­s­ein­rich­tungen geeignete Mittel, um die vom Königreich Spanien genannten Ziele der Raumordnung und des Umweltschutzes zu erreichen, doch hat Spanien keine hinreichenden Gesichtspunkte vorgetragen, um zu erläutern, weshalb die Beschränkungen zur Erreichung der angestrebten Ziele erforderlich sein sollen. Angesichts dieser fehlenden Erläuterung und der spürbaren Auswirkungen der in Rede stehenden Beschränkungen der Möglichkeit zur Eröffnung großer Einzel­han­del­s­ein­rich­tungen in Katalonien stellt der Gerichtshof fest, dass die spezifischen Beschränkungen großer Einzel­han­del­s­ein­rich­tungen hinsichtlich Standort und Größe nicht gerechtfertigt sind.

Zu den Bedingungen für den Erhalt einer spezifischen Gewer­be­er­laubnis für die Eröffnung großer Einzel­han­del­s­ein­rich­tungen

Die nationale Regelung sieht hierzu vor, dass die Behörden verpflichtet sind, die Ausstattung des betreffenden Gebiets mit Einzel­han­del­s­ein­rich­tungen und die Auswirkungen einer neuen Ansiedlung auf die Einzel­han­delss­truktur dieses Gebiets zu berücksichtigen. Außerdem schreibt die katalanische Regelung den Behörden vor, im Rahmen des Verfahrens zur Erteilung dieser Erlaubnis ein Gutachten über die Auswirkung der Ansiedlung des antrag­stel­lenden Unternehmens auf dem relevanten Markt einzuholen.

Grundsatz der Nieder­las­sungs­freiheit steht nationalen und katalanischen Vorschriften entgegen

Die Erteilung der Gewer­be­er­laubnis setzt aufgrund dieser beiden Erfordernisse voraus, dass im Hinblick auf die Ansied­lungs­dichte und die Auswirkungen auf den bestehenden Einzelhandel bestimmte Obergrenzen eingehalten werden; werden diese überschritten, ist die Eröffnung neuer Einzel­han­del­s­ein­rich­tungen nicht möglich. Da es sich hierbei um rein wirtschaftliche Erwägungen handelt, können sie kein zwingender Grund des Allge­mein­in­teresses sein und daher eine Beschränkung der Nieder­las­sungs­freiheit nicht rechtfertigen. Deshalb steht in Bezug auf die Bedingungen für den Erhalt einer spezifischen Gewer­be­er­laubnis für die Eröffnung großer Einzel­han­del­s­ein­rich­tungen der Grundsatz der Nieder­las­sungs­freiheit den nationalen und den katalanischen Vorschriften entgegen, nach denen Obergrenzen für die Ansied­lungs­dichte in Bezug auf das um eine Erlaubnis nachsuchende Unternehmen und die Auswirkungen einer neuen Ansiedlung auf den bestehenden Einzelhandel einzuhalten sind.

Im Rahmen des Verfahrens für die Erteilung der Gewer­be­er­laubnis für die Eröffnung großer Einzel­han­del­s­ein­rich­tungen schreibt die Regelung schließlich vor, das ein Ausschuss für Einrichtungen des Handels zu konsultieren ist, der für die Erstellung eines Gutachtens insbesondere im Zusammenhang mit Fragen der Raumordnung und des Umweltschutzes zuständig ist. Hierzu stellt der Gerichtshof fest, dass der Grundsatz der Nieder­las­sungs­freiheit der katalanischen Regelung entgegensteht, soweit sie die Zusammensetzung des Ausschusses für Einrichtungen des Handels so regelt, dass die Vertretung der Interessen des bestehenden Einzelhandels sichergestellt, die Vertretung der Vereinigungen, die im Bereich des Umweltschutzes tätig sind, und der Verbrau­cher­schutz­verbände aber nicht vorgesehen ist.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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