15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen auf azurblauem Grund die zwölf goldenen Sterne, wie sie auch in der Europaflagge zu finden sind, wobei in der Mitte ein Paragraphenzeichen zu sehen ist.

Dokument-Nr. 14714

Drucken
Urteil27.11.2012Gerichtshof der Europäischen UnionC-370/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • JuS 2013, 278Zeitschrift: Juristische Schulung (JuS), Jahrgang: 2013, Seite: 278
  • NJW 2013, 29Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2013, Seite: 29
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
ergänzende Informationen

Gerichtshof der Europäischen Union Urteil27.11.2012

EuGH gibt grünes Licht für den Europäischen Stabilitäts­mechanismusUnionsrecht steht Einrichtung des ESM nicht entgegen

Das Unionsrecht steht dem Abschluss und der Ratifikation des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitäts­mechanismus (ESM) durch die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, nicht entgegen. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.

Der Europäische Rat erließ am 25. März 2011 den Beschluss 2011/199,* der vorsieht, dass dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) eine neue Bestimmung hinzugefügt wird**, wonach die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, einen Stabi­li­täts­me­cha­nismus einrichten können, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die neue Bestimmung sieht ferner vor, dass die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus strengen Auflagen unterliegen wird. Diese Änderung des Vertrags soll zum 1. Januar 2013 in Kraft treten, sofern die Mitgliedstaaten ihr im Einklang mit ihren verfas­sungs­recht­lichen Vorschriften zugestimmt haben.

ESM soll bei schwerwiegenden Finan­zie­rungs­pro­blemen eine Stabi­li­tätshilfe bereitstellen

Die Staaten des Euro-Währungs­ge­biet***s schlossen sodann am 2. Februar 2012 den Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabi­li­täts­me­cha­nismus (ESM), der Rechts­per­sön­lichkeit besitzt. Er soll Finanzmittel mobilisieren und seinen Mitgliedern, die schwerwiegende Finan­zie­rungs­probleme haben oder denen solche Probleme drohen, unter strengen, dem gewählten Finanz­hil­fe­in­strument angemessenen Auflagen eine Stabi­li­tätshilfe bereitstellen. Diese Hilfe kann nur gewährt werden, wenn sie zur Wahrung der Finanz­sta­bilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist. Zu diesem Zweck ist der ESM berechtigt, Mittel aufzunehmen, indem er Finan­z­in­strumente begibt oder mit seinen Mitgliedern, Finan­z­in­stituten oder sonstigen Dritten finanzielle oder sonstige Vereinbarungen oder Übereinkünfte schließt. Das maximale Darle­hens­volumen wurde zunächst auf 500 Milliarden Euro festgesetzt. Die strengen Auflagen, von denen jede Finanzhilfe abhängig zu machen ist, können von einem makro­öko­no­mischen Anpas­sungs­programm bis zur konti­nu­ier­lichen Erfüllung zuvor festgelegter Anspruchs­vor­aus­set­zungen reichen.

Irischer Parlamentarier hält Änderung des AEUV durch Beschluss für rechtswidrig

Vor den irischen Gerichten machte Herr Pringle, ein irischer Parlamentarier, geltend, die Änderung des AEUV durch einen Beschluss des Rates – und damit im Wege des vereinfachten Änderungs­ver­fahrens – sei rechtswidrig. Diese Änderung enthalte nämlich eine Änderung der Zuständigkeiten der Union und sei mit den Vorschriften der Verträge, auf denen die Europäische Union beruhe****, über die Wirtschafts- und Währungsunion sowie mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts unvereinbar. Außerdem machte Herr Pringle geltend, Irland würde durch die Ratifikation, Genehmigung oder Annahme des ESM-Vertrags Verpflichtungen übernehmen, die mit den genannten Verträgen unvereinbar seien.

EuGH soll über Gültigkeit des Beschlusses 2011/199 des Europäischen Rates und Vereinbarkeit des ESM mit dem Unionsrecht entscheiden

Deshalb hat der irische Supreme Court (Oberster Gerichtshof) beschlossen, den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) nach der Gültigkeit des Beschlusses 2011/199 des Europäischen Rates und nach der Vereinbarkeit des ESM mit dem Unionsrecht zu fragen. Um die in diesen Fragen zum Ausdruck kommende Unsicherheit so schnell wie möglich zu beenden, hat der Präsident des Gerichtshofs dem Antrag des Supreme Court stattgegeben, die vorliegende, am 3. August 2012 beim Gerichtshof eingegangene Rechtssache dem beschleunigten Verfahren zu unterwerfen. Überdies hat der Gerichtshof aufgrund der außer­ge­wöhn­lichen Bedeutung, die er dieser Rechtssache beimisst, entschieden, sie in dem aus allen 27 Richtern bestehenden Plenum zu prüfen. Generalanwältin J. Kokott hat ihre Stellungnahme am 26. Oktober 2012 abgegeben.

Gerichtshof: Beschluss 2011/199 gültig

In seinem Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass seine Prüfung nichts ergeben hat, was die Gültigkeit des Beschlusses 2011/199 berühren könnte. Ferner stellt der Gerichtshof fest, dass die Bestimmungen des EUV und des AEUV sowie der allgemeine Grundsatz eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes dem Abschluss und der Ratifikation des ESM-Vertrags nicht entgegenstehen. Überdies hängt das Recht eines Mitgliedstaats, diesen Vertrag abzuschließen und zu ratifizieren, nicht vom Inkrafttreten des Beschlusses 2011/199 ab.

Erläuterungen
Zum Beschluss 2011/199

Änderung des AEUV im vereinfachten Verfahren findet nur auf die internen Politikbereiche Anwendung

Mit dem Beschluss 2011/199 macht der Rat Gebrauch von der Möglichkeit, den AEUV in einem vereinfachten Verfahren zu ändern (d. h. ohne Einberufung eines Konvents von Vertretern der nationalen Parlamente, der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments und der Kommission). Dieses Verfahren findet nur auf die internen Politikbereiche der Union (Dritter Teil des AEUV) Anwendung und darf nicht zu einer Ausdehnung der der Union im Rahmen der Verträge übertragenen Zuständigkeiten führen.

Angefochtene Änderung erfüllt Voraussetzung

Nach Ansicht des Gerichtshofs betrifft die angefochtene Änderung – sowohl formal als auch inhaltlich – die internen Politikbereiche der Union, so dass die erste Voraussetzung erfüllt ist. Erstens greift die streitige Änderung nämlich nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Union (Erster Teil des AEUV) im Bereich der Währungspolitik für die Mitgliedstaaten ein, deren Währung der Euro ist.

Wirtschafts­po­li­tische Maßnahme nicht mit währungs­po­li­tischer Maßnahme gleichsetzbar

Während das vorrangige Ziel der Währungspolitik der Union die Gewährleistung der Preisstabilität ist, wird mit dem ESM ein davon klar abweichendes Ziel verfolgt, und zwar die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt. Die bloße Tatsache, dass diese wirtschafts­po­li­tische Maßnahme mittelbare Auswirkungen auf die Stabilität des Euro haben kann, erlaubt es nicht, sie einer währungs­po­li­tischen Maßnahme gleichzustellen. Überdies gehören die zur Erreichung des mit dem ESM verfolgten Ziels, dafür zu sorgen, dass ein Mitgliedstaat eine Finanzhilfe erhält, ins Auge gefassten Mittel offenkundig nicht zur Währungspolitik.

ESM gehört zum Bereich der Wirtschafts­politik

Der ESM stellt vielmehr einen ergänzenden Teil des neuen Regelungs­rahmens für die Verstärkung der wirtschafts­po­li­tischen Steuerung der Union dar. Durch diesen Rahmen wird eine engere Koordinierung und Überwachung der Wirtschafts- und Haushalts­po­litiken der Mitgliedstaaten geschaffen, und er dient zur Konsolidierung der makro­öko­no­mischen Stabilität und der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen. Während er insofern präventiver Art ist, als er die Gefahr von Staats­ver­schul­dungs­krisen so weit wie möglich verringern soll, dient die Einrichtung des ESM zur Bewältigung von Finanzkrisen, die trotz getroffener präventiver Maßnahmen eintreten könnten. Der ESM gehört infolgedessen zum Bereich der Wirtschafts­politik.

Mitgliedstaaten können untereinander Übereinkunft über Einrichtung des Stabi­li­täts­me­cha­nismus treffen

Zweitens berührt die streitige Änderung auch nicht die Zuständigkeit der Union (Erster Teil des AEUV) im Bereich der Koordinierung der Wirtschafts­politik der Mitgliedstaaten. Da die Bestimmungen des EUV und des AEUV der Union nämlich keine spezielle Zuständigkeit für die Schaffung eines Stabi­li­täts­me­cha­nismus wie des im Beschluss 2011/199 ins Auge gefassten verleihen, sind die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, befugt, untereinander eine Übereinkunft über die Einrichtung eines Stabi­li­täts­me­cha­nismus zu treffen. Im Übrigen sollen die strengen Auflagen, von denen die streitige Änderung des AEUV die Gewährung einer Finanzhilfe durch den ESM abhängig macht, gewährleisten, dass beim Einsatz dieses Mechanismus das Unionsrecht, einschließlich der von der Union im Rahmen der Koordinierung der Wirtschafts­politik der Mitgliedstaaten getroffenen Maßnahmen, beachtet wird.

Auch die zweite Voraussetzung für einen Rückgriff auf das vereinfachte Änderungs­ver­fahren, die darin besteht, dass durch die Änderung des AEUV die der Union im Rahmen der Verträge übertragenen Zuständigkeiten nicht ausgedehnt werden, ist erfüllt. Die streitige Änderung schafft nämlich keine Rechtsgrundlage, die es der Union erlaubt, eine zuvor nicht mögliche Handlung vorzunehmen. Auch der Umstand, dass der ESM auf Unionsorgane, insbesondere die Kommission und die EZB, zurückgreift, ist jedenfalls nicht geeignet, die Gültigkeit des Beschlusses 2011/199 zu berühren, der nur die Einrichtung eines Stabi­li­täts­me­cha­nismus durch die Mitgliedstaaten vorsieht und sich nicht zu einer etwaigen Rolle der Unionsorgane in diesem Rahmen äußert.

Zum ESM-Vertrag

Bestimmungen des EUV und AEUV sprechen nicht gegen Abschluss des ESM-Vertrags

Der Gerichtshof prüft, ob eine Reihe von Bestimmungen des EUV und des AEUV sowie der allgemeine Grundsatz eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes dem Abschluss einer Übereinkunft wie des ESM-Vertrags durch die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, entgegenstehen, und verneint dies. Im Einzelnen handelt es sich um Bestimmungen des AEUV über die ausschließliche Zuständigkeit der Union im Bereich der Währungspolitik und für den Abschluss internationaler Übereinkünfte, sodann um Bestimmungen des AEUV über die Wirtschafts­politik der Union und schließlich um die Bestimmungen des EUV, die die Mitgliedstaaten zur loyalen Zusammenarbeit verpflichten und vorsehen, dass jedes Organ nach Maßgabe der ihm in den Verträgen zugewiesenen Befugnisse handelt.

Tätigkeiten des ESM gehören nicht zur Währungspolitik

In Bezug auf die ausschließliche Zuständigkeit der Union im Bereich der Währungspolitik für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, wiederholt der Gerichtshof, dass diese Politik die Preisstabilität gewährleisten soll. Die Tätigkeiten des ESM gehören jedoch nicht zur Währungspolitik.

Finanzhilfe muss aus eingezahltem Kapital oder durch Begabe von Finan­z­in­stru­menten finanziert werden

Der ESM soll nämlich nicht die Preisstabilität gewährleisten, sondern den Finan­zie­rungs­bedarf seiner Mitglieder decken. Zu diesem Zweck ist er weder zur Festsetzung der Leitzinssätze für das Euro-Währungsgebiet noch zur Ausgabe von Euro-Münzen oder Banknoten befugt; die von ihm gewährte Finanzhilfe muss in vollem Umfang aus eingezahltem Kapital oder durch die Begabe von Finan­z­in­stru­menten finanziert werden. Und selbst wenn man unterstellt, dass die Tätigkeiten des ESM die Inflationsrate beeinflussen könnten, würde ein solcher Einfluss nur die mittelbare Folge der getroffenen wirtschafts­po­li­tischen Maßnahmen darstellen.

ESM-Vertrag ohne negative Auswirkungen

Zur ausschließ­lichen Zuständigkeit der Union für den Abschluss internationaler Übereinkünfte, wenn ihr Abschluss gemeinsame Regeln beeinträchtigen oder deren Tragweite verändern könnte, stellt der Gerichtshof fest, dass keines der in diesem Zusammenhang vorgebrachten Argumente ergeben hat, dass eine Übereinkunft wie der ESM-Vertrag solche Auswirkungen hätte.

Strenge Auflagen sollen Vereinbarkeit der Tätigkeiten des ESM gewährleisten

In Bezug auf die Zuständigkeit der Union für die Koordinierung der Wirtschafts­politik führt der Gerichtshof aus, dass die Mitgliedstaaten befugt sind, untereinander eine Übereinkunft über die Einrichtung eines Stabi­li­täts­me­cha­nismus wie den ESM-Vertrag zu schließen, sofern die von den vertrag­s­chlie­ßenden Mitgliedstaaten im Rahmen einer solchen Übereinkunft eingegangenen Verpflichtungen mit dem Unionsrecht im Einklang stehen. Der ESM hat aber nicht die Koordinierung der Wirtschafts­politik der Mitgliedstaaten zum Gegenstand, sondern stellt einen Finan­zie­rungs­me­cha­nismus dar. Außerdem stellen die strengen Auflagen, von denen jede Hilfe abhängig zu machen ist und die die Form eines makro­öko­no­mischen Anpas­sungs­pro­gramms haben können, kein Instrument zur Koordinierung der Wirtschafts­politik der Mitgliedstaaten dar, sondern sollen die Vereinbarkeit der Tätigkeiten des ESM insbesondere mit der „Nicht­bei­stands­klausel“ des AEUV und den von der Union getroffenen Koordi­nie­rungs­maß­nahmen gewährleisten. Im Übrigen beeinträchtigt der ESM-Vertrag auch nicht die Zuständigkeit des Rates der Europäischen Union für die Abgabe von Empfehlungen gegenüber einem Mitgliedstaat, der ein übermäßiges Defizit aufweist.

Unionsrecht und Maßnahmen der Union im Bereich der wirtschafts­po­li­tischen Koordinierung der Mitgliedstaaten müssen beachtet werden

Insbesondere steht die Befugnis des Rates, einem Mitgliedstaat, der aufgrund von Natur­ka­ta­s­trophen oder außer­ge­wöhn­lichen Ereignissen, die sich seiner Kontrolle entziehen, von Schwierigkeiten betroffen oder von gravierenden Schwierigkeiten ernstlich bedroht ist, einen finanziellen Beistand der Union zu gewähren, der Einrichtung eines Stabi­li­täts­me­cha­nismus wie des ESM durch die Mitgliedstaaten nicht entgegen, soweit bei seiner Funktionsweise das Unionsrecht und insbesondere die Maßnahmen der Union im Bereich der wirtschafts­po­li­tischen Koordinierung der Mitgliedstaaten beachtet werden. Der ESM-Vertrag enthält aber Bestimmungen, die gerade gewährleisten sollen, dass alle vom ESM gewährten Finanzhilfen mit solchen Koordi­nie­rungs­maß­nahmen vereinbar sind.

Das Verbot für die EZB und die Zentralbanken der Mitgliedstaaten, Körperschaften und Einrichtungen der Union und der Mitgliedstaaten Überziehungs- oder andere Kredit­fa­zi­litäten zu gewähren oder unmittelbar von ihnen Schuldtitel zu erwerben, wird durch den ESM nicht umgangen. Dieses Verbot richtet sich nämlich speziell an die EZB und die Zentralbanken der Mitgliedstaaten. Wenn ein oder mehrere Mitgliedstaaten einem anderen Mitgliedstaat unmittelbar oder über den ESM finanziellen Beistand leisten, fällt dies somit nicht unter das genannte Verbot.

"Nicht­bei­stands­klausel" soll solide Haushalts­politik sicherstellen

Mit der "Nicht­bei­stands­klausel", nach der die Union oder ein Mitgliedstaat nicht für die Verbind­lich­keiten eines anderen Mitgliedstaats eintritt und nicht für sie haftet, soll der Union und den Mitgliedstaaten nicht jede Form der finanziellen Unterstützung eines anderen Mitgliedstaats untersagt werden. Sie soll vielmehr sicherstellen, dass die Mitgliedstaaten auf eine solide Haushalts­politik achten, indem sie gewährleistet, dass die Mitgliedstaaten bei ihrer Verschuldung der Marktlogik unterworfen bleiben. Sie verbietet es daher nicht, dass ein oder mehrere Mitgliedstaaten einem Mitgliedstaat, der für seine eigenen Verbind­lich­keiten gegenüber seinen Gläubigern haftbar bleibt, eine Finanzhilfe gewähren, vorausgesetzt, die daran geknüpften Auflagen sind geeignet, ihn zu einer soliden Haushalts­politik zu bewegen. Der ESM und die daran teilnehmenden Mitgliedstaaten haften aber nicht für die Verbind­lich­keiten des Empfän­ger­mit­glied­staats einer Stabi­li­tätshilfe und treten auch nicht im Sinne der "Nicht­bei­stands­klausel" für sie ein.

ESM verstößt nicht gegen Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit

Da der ESM die Bestimmungen des AEUV über die Wirtschafts- und Währungspolitik nicht berührt und Bestimmungen enthält, die gewährleisten, dass er sich bei der Erfüllung seiner Aufgaben an das Unionsrecht halten wird, verstößt er auch nicht gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit, demzufolge die Mitgliedstaaten alle Maßnahmen unterlassen, die die Verwirklichung der Ziele der Union gefährden könnten.

Auf EZB und Kommission übertragene Funktionen stellen keine Entschei­dungs­be­fugnis dar

Überdies stellt der Gerichtshof fest, dass die Übertragung neuer Funktionen auf die Kommission, die EZB und den Gerichtshof durch den ESM-Vertrag mit ihren in den Verträgen festgelegten Befugnissen vereinbar ist. Der Gerichtshof hebt insbesondere hervor, dass die der Kommission und der EZB im Rahmen des ESM-Vertrags übertragenen Funktionen keine Entschei­dungs­be­fugnis im eigentlichen Sinne umfassen und dass die Tätigkeiten dieser beiden Organe im Rahmen des ESM-Vertrags nur den ESM verpflichten. Der Gerichtshof selbst ist für jede mit dem Gegenstand der Verträge in Zusammenhang stehende Streitigkeit zwischen Mitgliedstaaten zuständig, wenn diese bei ihm aufgrund eines Schiedsvertrags anhängig gemacht wird, und nichts hindert daran, eine solche Vereinbarung vorab in Bezug auf eine ganze Kategorie im Voraus festgelegter Streitigkeiten zu treffen.

Allgemeinem Grundsatz eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes steht nichts entgegen

Der Gerichtshof stellt zudem fest, dass auch der allgemeine Grundsatz eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes dem ESM nicht entgegensteht. Wenn die Mitgliedstaaten einen Stabi­li­täts­me­cha­nismus wie den ESM einrichten, für dessen Einrichtung der EUV und der AEUV der Union keine spezielle Zuständigkeit einräumen, führen sie nämlich nicht das Recht der Union durch, so dass die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die für jede Person einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gewährleistet23, nicht zur Anwendung kommt.

Zum Abschluss und zur Ratifikation des ESM-Vertrags vor dem Inkrafttreten des Beschlusses 2011/199

Die Änderung des AEUV durch den Beschluss 2011/199 bestätigt nur die Existenz einer Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Da dieser Beschluss den Mitgliedstaaten somit keine neue Zuständigkeit verleiht, hängt das Recht eines Mitgliedstaats, den ESM-Vertrag abzuschließen und zu ratifizieren, nicht vom Inkrafttreten des Beschlusses ab.

* Beschluss 2011/199/EU des Europäischen Rates vom 25. März 2011 zur Änderung des Artikels 136 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union hinsichtlich eines Stabi­li­täts­me­cha­nismus für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist (ABl. L 91, S. 1).

** Der neue Abs. 3 von Art. 136 AEUV.

*** Belgien, Deutschland, Estland, Irland, Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien, Zypern, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Portugal, Slowenien, Slowakei und Finnland.

**** Vertrag über die Europäische Union (EUV) und AEUV.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil14714

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI