21.11.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil20.01.2009

EuGH: Ein Arbeitnehmer verliert nicht seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, den er wegen Krankheit nicht ausüben konnteDer nicht genommene Jahresurlaub ist abzugelten

Ein Arbeitnehmer, der wegen Krankheit seinen bezahlten Jahresurlaub nicht nehmen konnte, verliert nicht den Anspruch auf diesen. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

In seinem Urteil legt der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften den in der Gemein­schafts­richtlinie über die Arbeitszeit (siehe unten) verankerten Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub aus.

LAG Düsseldorf rief EuGH an

Um diese Auslegung haben das Landes­a­r­beits­gericht Düsseldorf und das House of Lords (Vereinigtes Königreich) in Rechtssachen ersucht, in denen es um den Anspruch von Arbeitnehmern, die krank­ge­schrieben sind bzw. sich im Krank­heits­urlaub befinden, auf bezahlten Jahresurlaub geht.

Arbeitnehmer konnte Jahresurlaub wegen Krankheit nicht nehmen

Das Landes­a­r­beits­gericht hat über die Urlaub­s­ab­geltung bei einem Arbeitnehmer zu entscheiden, der seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub wegen einer Arbeitsunfähigkeit, die zu seiner Verrentung geführt hat, nicht ausüben konnte. Nach den einschlägigen deutschen Rechts­vor­schriften erlischt der Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub am Ende des betreffenden Kalenderjahrs und spätestens am Ende eines Übertra­gungs­zeitraums, der – vorbehaltlich einer tarif­ver­traglich vorgesehenen Abweichung zugunsten des Arbeitnehmers – drei Monate beträgt. War der Arbeitnehmer bis zum Ende dieses Übertra­gungs­zeitraums arbeitsunfähig, muss der nicht genommene bezahlte Jahresurlaub am Ende des Arbeits­ver­hält­nisses nicht finanziell abgegolten werden.

Neben einem entsprechendem Antrag auf Abgeltung von Jahresurlaub, der während des im britischen Recht festgelegten Bezugszeitraums nicht genommen wurde, hat das House of Lords den Fall einer Arbeitnehmerin zu prüfen, die ihren Arbeitgeber während eines unbefristeten Krank­heits­urlaubs um mehrere Tage bezahlten Jahresurlaub in den nächsten beiden Monaten ersucht hat.

EuGH: Gemein­schaftsrecht sieht keine Regelungen vor

In seinem Urteil verweist der Gerichtshof darauf, dass der Anspruch auf Krank­heits­urlaub und die Modalitäten für seine Ausübung vom Gemein­schaftsrecht nicht geregelt werden. Was den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub anbelangt, legen die Mitgliedstaaten die Voraussetzungen für die Ausübung und die Umsetzung dieses Anspruchs fest und bezeichnen dabei die konkreten Umstände, unter denen die Arbeitnehmer von dem Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub Gebrauch machen können, ohne dabei aber bereits die Entstehung dieses Anspruchs von irgendeiner Voraussetzung abhängig zu machen.

Unter diesen Umständen steht der in der Richtlinie über die Arbeitszeit verankerte Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub grundsätzlich weder der Gewährung bezahlten Jahresurlaubs in der Zeit eines Krank­heits­urlaubs entgegen noch dessen Versagung, sofern der betroffene Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch während eines anderen Zeitraums ausüben kann.

Die Anwen­dungs­mo­da­litäten des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub werden zwar in den verschiedenen Mitgliedstaaten durch diese Staaten geregelt, doch unterliegen die Modalitäten für die Übertragung nicht genommenen Jahresurlaubs bestimmten Grenzen.

EuGH: Jahresurlaub darf nur verlustig gehen, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit hatte, ihn zu nehmen

Dazu führt der Gerichtshof aus, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei einem ordnungsgemäß krank­ge­schriebenen Arbeitnehmer nicht von der Voraussetzung abhängig gemacht werden kann, dass er während des in einem Mitgliedstaat festgelegten Bezugszeitraums tatsächlich gearbeitet hat. Folglich kann ein Mitgliedstaat den Verlust des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub am Ende eines Bezugszeitraums oder eines Übertra­gungs­zeitraums nur unter der Voraussetzung vorsehen, dass der betroffene Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit hatte, seinen Urlaubsanspruch auszuüben.

Der Gerichtshof stellt jedoch fest, dass einem Arbeitnehmer, der während des gesamten Bezugszeitraums und über einen im nationalen Recht festgelegten Übertra­gungs­zeitraum hinaus krank­ge­schrieben ist, jede Möglichkeit genommen ist, in den Genuss seines bezahlten Jahresurlaubs zu kommen. Das gilt auch für einen Arbeitnehmer, der während eines Teils des Bezugszeitraums gearbeitet hat, bevor er krank­ge­schrieben wurde.

Der Gerichtshof kommt zu dem Ergebnis, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertra­gungs­zeitraums nicht erlöschen darf, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon krank­ge­schrieben war und seine Arbeits­un­fä­higkeit bis zum Ende seines Arbeits­ver­hält­nisses fortgedauert hat, weshalb er seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte.

In Bezug auf den Anspruch auf eine bei Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses zu zahlende finanzielle Vergütung für bezahlten Jahresurlaub, den der Arbeitnehmer nicht nehmen konnte, erkennt der Gerichtshof für Recht, dass diese Vergütung in der Weise zu berechnen ist, dass der Arbeitnehmer so gestellt wird, als hätte er diesen Anspruch während der Dauer seines Arbeits­ver­hält­nisses ausgeübt. Folglich ist das gewöhnliche Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers, das während der dem bezahlten Jahresurlaub entsprechenden Ruhezeit weiterzuzahlen ist, auch für die Berechnung der finanziellen Vergütung für bei Beendigung des Vertrags­ver­hält­nisses nicht genommenen Jahresurlaub maßgebend.

Gemein­schafts­richtlinie über die Arbeitszeit

Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeits­zeit­ge­staltung (ABl. L 299, S. 9).

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 04/09 des EuGH vom 20.01.2009

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