18.10.2024
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Dokument-Nr. 8912

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Urteil10.12.2009Gerichtshof der Europäischen UnionC-345/08
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BRAK-Mitt 2010, 75Zeitschrift: BRAK-Mitteilungen (BRAK-Mitt), Jahrgang: 2010, Seite: 75
  • EuZW 2010, 97Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (EuZW), Jahrgang: 2010, Seite: 97
  • JuS 2010, 366Zeitschrift: Juristische Schulung (JuS), Jahrgang: 2010, Seite: 366
  • NJW 2010, 137Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2010, Seite: 137
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ergänzende Informationen

Gerichtshof der Europäischen Union Urteil10.12.2009

EuGH zur Zulassung von Bürgern anderer EU-Staaten zum deutschen Rechts­re­fe­ren­dariatKenntnisse über inner­staat­liches Recht müssen Niveau des Staatsexamens entsprechen

Der Zugang zum Vorbe­rei­tungs­dienst für die juristischen Berufe eines Mitgliedstaats darf an umfangreiche und vertiefte Kenntnisse des inner­staat­lichen Rechts geknüpft werden. Dies hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften entschieden.

Das Gemein­schaftsrecht verlangt zwar, dass die Qualifikationen und die Erfahrung eines Bewerbers, der sein juristisches Diplom in einem anderen Mitgliedstaat erworben hat, in vollem Umfang berücksichtigt werden, es gebietet jedoch nicht, das Niveau der verlangten Kenntnisse des inner­staat­lichen Rechts für einen solchen Bewerber zu senken.

Zu den Voraussetzungen für Ausübung eines juristischen Berufes in Deutschland

In Deutschland sind für die Ausübung aller reglementierten juristischen Berufe der Abschluss eines rechts­wis­sen­schaft­lichen Studiums mit der ersten juristischen Staatsprüfung und der Abschluss eines Vorbe­rei­tungs­dienstes mit der zweiten juristischen Staatsprüfung erforderlich. Dieser Vorbe­rei­tungs­dienst dauert zwei Jahre und beinhaltet insbesondere Pflicht­sta­tionen, die bei einem ordentlichen Gericht in Zivilsachen, bei der Staats­an­walt­schaft oder einem Gericht in Strafsachen, bei einer Verwal­tungs­behörde und bei einem Rechtsanwalt stattfinden.

Bürger anderer Mitglieds­s­taaten können unter bestimmten Voraussetzungen Kenntnisse und Fähigkeiten für gleichwertig erklärt lassen

Nach deutschem Recht kann ein Staats­an­ge­höriger eines anderen Mitgliedstaats, der in diesem Mitgliedstaat ein rechts­wis­sen­schaft­liches Univer­si­täts­diplom erworben hat, das dort den Zugang zu einer postuni­ver­sitären Anwalts­aus­bildung eröffnet, seine Kenntnisse und Fähigkeiten für mit den Kenntnissen und Fähigkeiten gleichwertig erklären lassen, die durch die bestandene staatliche Pflicht­fach­prüfung bescheinigt werden. Gegenstand dieser Pflichtfächer sind u. a. die Kernbereiche des deutschen Bürgerlichen Rechts, des Strafrechts, des Öffentlichen Rechts und des Verfah­rens­rechts.

Beurteilung der Gleich­wer­tigkeit über Diplome und Nachweise

Die Gleich­wer­tigkeit wird anhand des ausländischen Univer­si­täts­diploms und der sonstigen vorgelegten einschlägigen Diplome und Nachweise beurteilt. Im Fall der Feststellung der Gleich­wer­tigkeit wird der Betroffene zum Vorbe­rei­tungs­dienst zugelassen. Ergibt die Prüfung keine oder nur eine teilweise Gleich­wer­tigkeit, kann der Betroffene die Durchführung einer Eignungsprüfung beantragen.

EuGH soll Kriterien für Bewertung der Gleich­wer­tigkeit juristischer Kenntnisse präzisieren

Das Justiz­mi­nis­terium Mecklenburg-Vorpommern lehnte es ab, Herrn Peœla, einen polnischen Staats­an­ge­hörigen, ohne Ablegung dieser Eignungsprüfung zum Vorbe­rei­tungs­dienst zuzulassen. Vor seinem Zulas­sungs­antrag hatte Herr Peœla an der Fakultät für Rechts­wis­sen­schaften der Universität Poznán (Polen) den Magistertitel sowie im Rahmen einer deutsch-polnischen Juris­te­n­aus­bildung an der Universität Frankfurt/Oder (Deutschland) die akademischen Titel „Master of German and Polish Law“ und „Bachelor of German and Polish Law“ erworben. Nach Auffassung des Justiz­mi­nis­teriums können Kenntnisse in ausländischem Recht, wie etwa dem polnischen, wegen der bestehenden Unterschiede zum deutschen Recht nicht als gleichwertig anerkannt werden. Zudem bescheinige der „Master of German and Polish Law“ nicht das geforderte Niveau an Kenntnissen des deutschen Rechts. Herr Peœla erhob daraufhin Klage beim Verwal­tungs­gericht Schwerin (Deutschland). Dieses hat den Gerichtshof ersucht, die Kriterien zu präzisieren, die das Gemein­schaftsrecht hinsichtlich der Bewertung der Gleich­wer­tigkeit juristischer Kenntnisse aufstellt, die auf einen Antrag hin, unmittelbar zu einem Vorbe­rei­tungs­dienst für die juristischen Berufe zugelassen zu werden, ohne die hierfür vorgesehenen Prüfungen abzulegen, erfolgen muss.

Relevante Richtlinien für Nieder­las­sungs­freiheit von Rechtsanwälten hier nicht anwendbar

In seinem Urteil weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Bestimmungen der für die Nieder­las­sungs­freiheit von Rechtsanwälten relevanten Richtlinien auf eine Person in der Situation von Herrn Peœla nicht anwendbar sind. Solange es an einer Harmonisierung der Bedingungen für den Zugang zu Vorbe­rei­tungs­diensten für die juristischen Berufe fehlt, können die Mitgliedstaaten festlegen, welche Kenntnisse und Fähigkeiten notwendig sind. Um aber die so definierten nationalen Anforderungen mit den Geboten der wirksamen Ausübung der Grundfreiheiten in Einklang zu bringen, die das Gemein­schaftsrecht gewährleistet, verlangt dieses von den Behörden eines Mitgliedstaats, dass sie bei der Prüfung des Zulas­sungs­antrags eines Staats­an­ge­hörigen eines anderen Mitgliedstaats die Gleich­wer­tigkeit der gesamten Ausbildung sowie akademischen und beruflichen Erfahrung prüfen, bevor sie von dem Bewerber die Ablegung einer Eignungsprüfung verlangen können.

Bewerber muss die vom Mitgliedsstaat verlangten Qualifikationen nachweisen

Bei der Beurteilung, ob ein Bewerber unmittelbar, d. h. ohne eine solche Prüfung abzulegen, in den Vorbe­rei­tungs­dienst für die juristischen Berufe aufgenommen werden kann, sind die Kenntnisse als Maßstab heranzuziehen, die durch die Qualifikation bescheinigt werden, die in dem betreffenden Mitgliedstaat verlangt wird. Dieser kann daher entgegen der von Herrn Peœla vertretenen Auffassung nicht dazu verpflichtet werden, die Bewertung der Gleich­wer­tigkeit von Qualifikationen auf einen Vergleich des intellektuellen Niveaus und des (zeitlichen) Aufwands der Ausbildungen zu beschränken.

Anforderungen bei Gleich­wer­tig­keits­prüfung müssen nicht herabgesetzt werden

Zudem gebietet es das Gemein­schaftsrecht nicht, im Rahmen der Gleich­wer­tig­keits­prüfung niedrigere Anforderungen an die Kenntnisse im inner­staat­lichen Recht zu stellen als sie mit der Qualifikation bescheinigt werden, die in diesem Mitgliedstaat verlangt wird – wie etwa dem Ersten Staatsexamen in Deutschland. Auch wenn das Gemein­schaftsrecht als solches keine Senkung des Niveaus gebietet, das in Situationen wie derjenigen des Ausgangs­ver­fahrens hinsichtlich der Kenntnisse des Rechts des Aufnah­me­mit­glied­staats verlangt wird, hindert es die Mitgliedstaaten nicht daran, die Anforderungen an die verlangte Qualifikation zu lockern. Darüber hinaus darf die Möglichkeit einer teilweisen Anerkennung der Kenntnisse und Qualifikationen, die der Bewerber bereits erworben hat, in der Praxis nicht lediglich fiktiv bleiben. Dies scheint in Deutschland auf den ersten Blick nicht der Fall zu sein, was zu überprüfen jedoch Sache des nationalen Gerichts ist, das allein befugt ist, über die Auslegung inner­staat­lichen Rechts zu entscheiden.

Quelle: ra-online, EuGH

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