15.11.2024
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Dokument-Nr. 17947

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Urteil27.03.2014Gerichtshof der Europäischen UnionC-314/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • CR 2014, 469Zeitschrift: Computer und Recht (CR), Jahrgang: 2014, Seite: 469
  • K&R 2014, 329Zeitschrift: Kommunikation & Recht (K&R), Jahrgang: 2014, Seite: 329
  • NJW 2014, 1577Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2014, Seite: 1577
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ergänzende Informationen

Gerichtshof der Europäischen Union Urteil27.03.2014

Inter­ne­tan­bieter darf zur Sperrung des Zugangs zu einer Urheberrechte verletzenden Website verpflichtet werdenAnordnung und Umsetzung der Sperrung müssen angemessenes Gleichgewicht zwischen betroffenen Grundrechten sicherstellen

Einem Anbieter von Internet­zugangs­diensten kann aufgegeben werden, für seine Kunden den Zugang zu einer Urheberrechte verletzenden Website zu sperren. Eine solche Anordnung und ihre Umsetzung müssen allerdings ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den betroffenen Grundrechten sicherstellen. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.

Die Constantin Film Verleih GmbH, ein deutsches Unternehmen, das u. a. die Rechte an den Filmen „Wickie und die starken Männer“ sowie „Pandorum“ hält, und die Wega Filmpro­duk­ti­o­ns­ge­sell­schaft mbH, ein öster­rei­chisches Unternehmen, das die Rechte an dem Film „Das weiße Band“ hält, mussten feststellen, dass ihre Filme ohne ihre Zustimmung auf der Website „kino.to“* angesehen und sogar heruntergeladen werden konnten. Auf Antrag dieser beiden Unternehmen untersagten die öster­rei­chischen Gerichte der UPC Telekabel Wien, einem Anbieter von Inter­net­zu­gangs­diensten mit Sitz in Österreich, ihren Kunden Zugang zu dieser Website zu gewähren. UPC Telekabel ist der Auffassung, dass eine solche Anordnung ihr gegenüber nicht getroffen werden dürfe. Im relevanten Zeitraum habe sie nämlich in keiner Geschäfts­be­ziehung zu den Betreibern von kino.to gestanden, und es gebe keinen Beleg dafür, dass ihre eigenen Kunden rechtswidrig gehandelt hätten. Jedenfalls könne jede der möglichen Sperren technisch umgangen werden, und schließlich seien einige von ihnen überaus kostspielig.

Nationales Gericht erbittet Auslegung der EU-Richtlinie über das Urheberrecht durch den EuGH

Der in letzter Instanz mit diesem Rechtsstreit befasste Oberste Gerichtshof (Österreich) ersucht den Gerichtshof um die Auslegung der EU-Richtlinie über das Urheberrecht** und der unionsrechtlich anerkannten Grundrechte. Die Richtlinie sieht vor, dass Rechtsinhaber den Erlass von Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung ihrer Rechte genutzt werden. UPC Telekabel ist der Auffassung, dass sie nicht als Vermittler in diesem Sinne eingestuft werden könne.

EuGH bejaht mögliche Verletzungen des Urheberrechts durch Dritte

Mit seinem Urteil antwortet der Gerichtshof dem Obersten Gerichtshof, dass eine Person, die ohne Zustimmung des Rechtsinhabers Schutz­ge­gen­stände auf einer Website öffentlich zugänglich macht, die Dienste desjenigen Unternehmens nutzt, das den Personen, die auf diese Schutz­ge­gen­stände zugreifen, den Zugang zum Internet ermöglicht. Somit ist ein Anbieter von Inter­net­zu­gangs­diensten wie UPC Telekabel, der seinen Kunden den Zugang zu Schutz­ge­gen­ständen ermöglicht, die von einem Dritten im Internet öffentlich zugänglich gemacht werden, ein Vermittler, dessen Dienste zur Verletzung eines Urheberrechts genutzt werden.

Maßnahmen der Mitglieds­s­taaten müssen Urheber­rechts­ver­let­zungen nicht nur abstellen sondern mit diesen auch vorbeugen

Der Gerichtshof weist insoweit darauf hin, dass nach der Richtlinie, die ein hohes Schutzniveau der Rechtsinhaber gewährleisten soll, kein besonderes Verhältnis zwischen der das Urheberrecht verletzenden Person und dem Vermittler, gegen den eine Anordnung erlassen werden kann, erforderlich ist. Es muss auch nicht nachgewiesen werden, dass die Kunden des Anbieters von Inter­net­zu­gangs­diensten tatsächlich auf die Schutz­ge­gen­stände zugreifen, die auf der Website des Dritten zugänglich sind. Die Richtlinie verlangt nämlich, dass die Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten treffen müssen, um ihr nachzukommen, Verstöße gegen das Urheberrecht oder verwandte Schutzrechte nicht nur abstellen, sondern ihnen auch vorbeugen sollen.

Mitgliedstaaten müssen angemessenes Gleichgewicht zwischen kollidierenden Grundrechten sicherstellen

Der Oberste Gerichtshof möchte außerdem wissen, ob die unionsrechtlich anerkannten Grundrechte dahin auszulegen sind, dass sie einer Anordnung eines nationalen Gerichts entgegenstehen, mit der einem Anbieter von Inter­net­zu­gangs­diensten verboten wird, seinen Kunden den Zugang zu einer Website zu ermöglichen, auf der ohne Zustimmung der Rechtsinhaber Schutz­ge­gen­stände online zugänglich gemacht werden, wenn die Anordnung keine Angaben dazu enthält, welche Maßnahmen dieser Anbieter ergreifen muss, und wenn er Beugestrafen wegen eines Verstoßes gegen die Anordnung durch den Nachweis abwenden kann, dass er alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat. Hierzu führt der Gerichtshof aus, dass im Rahmen einer solchen Anordnung die Urheberrechte und die verwandten Schutzrechte (die Teil des Rechts des geistigen Eigentums sind) in erster Linie mit der unter­neh­me­rischen Freiheit der Wirtschafts­teil­nehmer (wie der Anbieter von Inter­net­zu­gangs­diensten) und der Infor­ma­ti­o­ns­freiheit der Internetnutzer kollidieren. Im Fall mehrerer kollidierender Grundrechte ist es aber Sache der Mitgliedstaaten, darauf zu achten, dass sie sich auf eine Auslegung des Unionsrechts und ihres nationalen Rechts stützen, die es ihnen erlaubt, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen diesen Grundrechten sicherzustellen.

Recht des Anbieters von Inter­net­zu­gangs­diensten auf unter­neh­me­rische Freiheit bleibt unangetastet

Die fragliche Anordnung lässt insbesondere den Wesensgehalt des Rechts des Anbieters von Inter­net­zu­gangs­diensten auf unter­neh­me­rische Freiheit unangetastet. Zum einen überlässt sie es ihrem Adressaten, die konkreten Maßnahmen zu bestimmen, die zur Erreichung des angestrebten Ziels zu treffen sind, so dass er sich für die Umsetzung derjenigen Maßnahmen entscheiden kann, die seinen Ressourcen und Möglichkeiten am besten entsprechen und mit den übrigen von ihm bei der Ausübung seiner Tätigkeit zu erfüllenden Pflichten und Anforderungen vereinbar sind. Zum anderen ermöglicht sie es ihm, sich von seiner Haftung zu befreien, indem er nachweist, dass er alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat.

Beschränkenden Maßnahmen unter bestimmten Voraussetzungen nicht zu beanstanden

Daher stehen die betroffenen Grundrechte einer solchen Anordnung nicht entgegen, wenn - zur Wahrung der Infor­ma­ti­o­ns­freiheit der Internetnutzer - die vom Anbieter von Inter­net­zu­gangs­diensten getroffenen Maßnahmen den Internetnutzern nicht unnötig die Möglichkeit vorenthalten, in rechtmäßiger Weise Zugang zu den verfügbaren Informationen zu erlangen, und wenn sie - zur Wahrung des Rechts des geistigen Eigentums der Rechtsinhaber - bewirken, dass unerlaubte Zugriffe auf die Schutz­ge­gen­stände verhindert oder zumindest erschwert werden und dass die Internetnutzer zuverlässig davon abgehalten werden, auf die ihnen unter Verletzung des Rechts des geistigen Eigentums zugänglich gemachten Schutz­ge­gen­stände zuzugreifen. Außerdem müssen die Internetnutzer, wie im Übrigen auch die Anbieter von Inter­net­zu­gangs­diensten, ihre Rechte vor Gericht geltend machen können. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, haben die nationalen Behörden und Gerichte zu prüfen.

Erläuterungen
* Im Juni 2011 stellte diese Website ihren Betrieb ein, nachdem die deutschen Straf­ver­fol­gungs­be­hörden gegen ihren Betreiber tätig geworden waren.

** Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Infor­ma­ti­o­ns­ge­sell­schaft (ABl. L 167, S. 10).

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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